Re: Entschuldigung für Vertreibung und Enteignung

Geschrieben von NLMDA am 04. August 2001 14:07:15:

Als Antwort auf: Re: Entschuldigung für Vertreibung und Enteignung geschrieben von Peter Pan am 04. August 2001 07:16:12:

Wer aber versucht alles unter den Teppich zu kehren, ignoriert das Leid der Opfer und schafft die Grundlage für die Wiederholung.
Wer kehrt es denn unter den Teppich? In Polen werden zur Zeit Gedenksteine renoviert. Es kam bei Recherchen raus, dass einige polnische Dörfer selbst ihre jüdischen Mitbewohner umgebracht haben, ohne Einfluss von Deutschen. Der Zusatz "hingerichtet durch die SS" fehlt auf den neuen Denkmälern. Zählt das für Dich nicht als Schuldeingeständnis? Muss ich ein grosses mea culpa verkünden? Ist es so erstaunlich, dass Reporter aus dem Dorf gejagt werden, wenn sie darüber eine Reportage machen wollen? Wie werden die Menschen hier und heute dargestellt? In den Medien als ein Volk, dass barbarisch ist und diese Darstellung kocht hier und heute die Emotionen hoch. Der grösste Teil von uns hat gelernt, mit unserer Vergangenheit offen und ehrlich umzugehen. Das ist innerhalb unseres Landes aber ein schwieriger Prozess gewesen, erinnere Dich bitte an die 60er. Das war eine "Entwicklung".

Was mir sauer aufstößt ist also nicht die Verdrängung hier in Deutschland, sondern die auf der anderen Seite.
Das stösst mir auch sauer auf, das stösst auch einigen Leuten auf der anderen Seite sauer auf. Diese Menschen arbeiten dran, das Bewussstsein hierfür in der eigenen Bevölkerung zu sensibilisieren. Magst nich ein bisschen warten, vielleicht tut sich da wirklich was? Bei uns ging das doch auch nicht von heute auf morgen, dass die Bevölkerung den Unternehmen Druck machte, die sich den Zwangsarbeitern bedienten.

Dies könnte z.B. durch eine symbolische Entschädigung und/oder Entschuldigung geschehen.
Da stimme ich Dir schon zu, aber die Erfahrung zeigt doch, dass wieder einige dabei sind, die den Hals nicht vollkriegen, Rechtsanwälte z. B.
Die Grosseltern meines Freundes waren hier in Deutschland Zwangsarbeiter. Die Entschädigung, auf die sie über 12 Jahre gehofft haben, kam zu spät. Das Dorf, in dem sie lebten, bestand zu 80% nur aus ehemaligen Zwangsarbeitern. Viele wären mit 500 Mark "zufrieden" gewesen, symbolisch, als "Anerkennung" für ihre Leiden. Aber das war für einige Menschen nicht "angemessen". Die Toten bekommmen gar nichts mehr, ihre Leiden sind somit nicht anerkannt und nicht gesühnt, so sehe ich das.

Mir fällt das besonders dadurch auf, das meine Familie aus dem Ausland kommt und dort solche Vertreibungen nie stattgefunden haben. Beobachte doch
mal, wie unsicher und mißtrauisch in Deutschland bis heute viele Menschen sind.

Meine Oma kam mit einem Trakehner-Treck von Ostpreussen in den Westen, da sie im Krieg Mutter und Vater auf ihrem Gut half. Von 250 Menschen und fast genauso vielen Pferden kamen genau 23 in einem Sammellager an. Darunter meine Verwandten. Meine Vorfahren haben nie "Entschädigung", "Ausgleich" etc. gefordert. Für meine Oma lag der Fall "klar auf der Hand". Soll ich jetzt für meine Vorfahren "Entschädigung" fordern, obwohl meine Oma das Zusammenspiel durchschaute und ihren Frieden gemacht hat?

Die Menschen, die unsicher und misstrauisch sind, haben in erster Linie das Problem von mangelndem Vertrauen. Das sieht man auch an Menschen, die eine "einwandfreie" Familiengeschichte haben. Das Wissen ihrer Vergangenheit nützt vielleicht, die Zusammenhänge zu verstehen, aber deswegen sind Unsicherheit und Misstrauen noch lange nicht aus der Welt.

Gruss NLMDA



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