Re: interessante variante, warum prophezeiungen nicht (mehr) funktionieren. ;-)
Geschrieben von Torsten am 04. Dezember 2002 16:09:56:
Als Antwort auf: Re: interessante variante, warum prophezeiungen nicht (mehr) funktionieren. ;-) geschrieben von HotelNoir am 04. Dezember 2002 14:45:40:
Liebes Hotel,
Verständigungsschwierigkeiten sind wirklich ein Problem. Man sollte sich auf wenige Aussagen beschränken und erst mal Begriffe klären, um mit gleichen Worten über gleiche Dinge zu reden.
Zu meiner Inkonsequenz (Zeit existiert nicht; positive/negative Zeitachse): Für mich ist Alles eine Frage des Standpunktes und Maßstabes. Es existiert zwar nur eine objektive Realität, aber zur Betrachtung bestimmter Zusammenhänge benötigt man ein Bezugssystem und die Beschränkung auf wesentliche Faktoren. Zeit existiert schon, aber als eine dem Raum gleichwertige Dimension. Damit ist jedem Punkt eines Vorgangs eine positive und negative Zeitachse zuzuordnen (vorher, nachher). Nimmt man eine vektorielle Betrachtung, gibt es immer nur einen Abstand und eine Richtung. Manche Phänomene kann man zeitunabhängig betrachten (Hubarbeit gegen Schwerkraft, Lichtbrechung), auch wenn der reale Vorgang natürlich in einer Zeit abläuft.
Na gut, also noch mal Entscheidungsfreiheit und/oder Determinismus: Entscheidungsfreiheit betrifft nur den Menschen. Da er Teil der objektiven Realität ist, muß die Betrachtung hier ansetzen. Dabei ist die grundlegende Frage, ob Zufall existiert oder nicht.
Zufall erfordert einen Vorgang, der bei identischen Ausgangsbedingungen zu unterschiedlichen Folgezuständen führt. Das wiederum bedeutet, daß die Entscheidung, welcher Folgezustand eintritt, keiner Regel unterliegt. Das ist undenkbar und wäre überdies auf keinem Niveau der Erkenntnis beweisbar (da jede nicht bekannte Regel möglicherweise nur noch nicht erkannt ist). Selbst wenn ein regelloser Vorgang existierte, würde dieser nicht zu einer Tendenz (wie z.B. Evolution) führen. Und er wäre dann auch nicht willkürlich beeinflußbar, sonst gäbe es ja eine Regel, der er folgt.
Die Entscheidungsfreiheit ergibt sich daraus, daß wir die Vorgänge, die zu unserer Entscheidung führen, nicht vollständig erfassen können. Dem Universum ist die Menschheit egal, außer dem Teil, der den Menschen und den der Mensch beeinflußt. Und Obwohl Tag und Stunde feststehen, wann der Mensch das Reich Gottes errichtet oder sich ausrottet, weiß der Einzelne nicht, welcher Beitrag daran ihm zukommt und wie er seine nächste Entscheidung treffen wird. Auch wenn seine Gewissensbisse festgelegt sind, kommt er nicht um sie herum. Und auch, wenn er seinen Tod als unabwendbar erkennt, fürchtet er ihn. Diese Gefühle und das Ziel eines möglichst langen Überlebens der Menschheit in ihrer Umwelt sind Inhalt menschlichen Lebens. Subjektiv besteht nicht nur die Freiheit, sondern auch die Notwendigkeit von Entscheidungen.
Wem das zu wenig Einfluß ist, der kann ja mit der objektiven Realität über Sinn oder Unsinn ihrer Regeln unter besonderer Berücksichtigung seines Ego diskutieren - oder mit Gott. Der freut sich sicher über die Diskussion der Schöpfung mit einem Experten, der bessere Ideen hat. Das geht übrigens nicht gegen Dich, sondern gegen das homo- und egozentrische Weltbild vieler zeitgenossen.
Viele Grüße
Torsten