GENAU DAS IST UNSER GRUNDPROBLEM!
Geschrieben von Mabo am 23. Juli 2001 12:47:02:
Als Antwort auf: Worte zum Nachdenken geschrieben von Evi am 22. Juli 2001 11:09:18:
Hallo Freunde!
Ich weiß nicht, ob Ihr es auch erkennt, aber dieses Schreiben, diese Worte zum Nachdenken, sie treffen genau das Kernproblem, um das wir uns hier im Forum, wir uns hier in Deutschland, in Europa, in der ganzen westlichen Welt, ja um das sich die gesamte zivilisierte Menschheit herumdrückt.
Ich bin sehr vorsichtig geworden mit dem Finger auf andere zu zeigen und das hat damit zu tun, daß ich erkannt habe, daß ich selber nicht minder Schuld an dem habe, oder sagen wir Verantwortung übernehmen muß, als irgendein anderer Mensch in meiner Umgebung, als irgendein Politiker oder Ölmulti oder Illuminat. Zwar mögen solche Menschen mehr zerstören und von daher mehr Schuld auf sich laden, jedoch tun sie das nicht weil sie schlechter sind als ich, sondern weil Ihnen auch das Bewußtsein über Ihr Tun fehlt. Ihr Tun ist nur um einiges größer aber in der Qualität mit dem das Kleinen Mannes gleich. Sie leben in einer Illusion, die ihr Verhalten rechtfertigt, ich lebe in einer Illusion die mir täglich einreden will, daß ich ein Recht habe mich so zu verhalten wie ich mich verhalte und diese Worte zum Nachdenken machen eben darauf aufmerksam. Sie gehen ohne Umschweife auf den Kern der Problematik ein, etwas was uns allen widerstrebt, greifen sie doch unsere Grundfeste unserer Überzeugungen an, greifen sie doch direkt unsere Kultur an.
Die Reaktion von Mick ist typisch für unsere zivilisierte Welt. Wir versuchen unser Tun zu rechtfertigen, damit wir uns nicht eingestehen brauchen, daß wir unrecht getan haben. Und darin wurden wir von Klein an geschult, wieso die Welt so ist wie sie ist und warum dies auch gar nicht anders funktionieren kann. Wir blicken auf diese in unserer Kultur als primitive Völker bezeichneten Menschen herab, maßen uns an es besser zu wissen, ja stellen uns über die Natur und über Gott. Diese Rechnung ging von Anfang an nicht auf, ganz von Beginn unserer Geschichte an. Nur stießen wir in den letzten Jahrtausenden halt nur noch nicht an die Grenze des Machbaren, welche sich erst jetzt zum Ende unserer Kultur vor uns auftut und mit aller Härte auswirken wird. Das System war zu keiner Zeit besser als heute, sondern es profitierte von der ausreichenden Ausdehnungsfläche. Diese geht nun zur Neige und deswegen scheitert die Menschheit. Es hat sich also nicht in den letzten Jahren etwas ereignet, was nun etwa daran Schuld wäre, das die Dinge so kommen wie sie kommen, sondern das Experiment war von Anfang an zum Scheitern verurteilt.
Davon sprechen die Menschen der Kulturen, die sich nicht unserer irrigen Kultur unterworfen haben. Weil diese Menschen dies bereits von Anfang an wußten. Sie halten sich an die Gesetze der Natur und begreifen sich als einen natürlichen Teil derer. Wir ergriffen das Zepter, begannen uns über ihre Götter zu stellen, betrachteten die Natur und die Tierwelt, aus der wir als ein natürliches Ergebnis im Laufe der Evolution hervorgingen, als etwas von uns getrenntes.
Doch die Menschen der industriellen Gesellschaft fühlen sich der Schöpfung überlegen und sprechen von Naturschutz. Das ist arrogant. Wie kann jemand dem überlegen sein, von dem sein Leben abhängt?
Ich höre Euch sagen "ja, aber..." und auch in mir regt sich diese Verteidigungshaltung natürlich wie automatisch. Schließlich leben wir schon unser ganzes bisheriges Leben auf diese Weise, so wie alle Menschen in unserer Geschichte zuvor. Und das stimmt auch, nur bedeutet das nicht, daß wir es richtig machen! Der Vorwurf, der aus den Worten dieses Indianers spricht ist nicht etwa ein neuer den er nur auf uns bezieht die wir jetzt leben und die Umwelt zerstören, es ist ein alter Vorwurf der zurückreicht bin an den Anfang unserer Kultur, der Zurückreicht bis an den Beginn unserer "Erfolgs"-Geschichte.
Wir dürfen nicht vergessen: Wir sind alle Reisegefährten auf dieser Erde. Die westliche Gesellschaft muss endlich die Priorität auf lebenserhaltende Systeme legen und von ihrer Bindung an materielle Güter Abschied nehmen. Spiritualität sollte unser Fundament sein.
Dieser Absatz ist sehr wichtig und beinhaltet bereits unsere einzige Handlungsweise. Etwas unglücklich gewählt ist die Formulierung des keinen Anschlußsatzes, obwohl die Aussage trifft. Das Wort "Spiritualität" stößt bei unserer Zivilisation eine automatisierte Abwehrreaktion an, zumindest bei Menschen die sich damit nicht wirklich auseinandersetzen wollen. Hier besteht ein Vorurteil und wie das immer so ist denkt der, der es hat, es sei sein gutes Recht, er fühlt sich im Recht und empfindet es als seine Pflicht die "Angriffe" - denn als solche empfindet er sie - auf sein Leben dadurch abzuwehren, indem er sie in die Schublade wirft die mit Esoterik, Aberglaube, Spinnerei beschriftet ist.
Aber wir vergessen wirklich, daß wir alle auf die Erde angewiesen sind. Wir zerstören sie, wegen unseres Expansionsverhaltens sterben täglich duzende Tierarten aus, wir schwächen den Immunhaushalt des Lebens. Das Leben konnte sich nur aufgrund seiner Artenvielfalt, ein Trick der Natur, der Grund für die Evolution, seit Jahrmillionen auf der Erde halten. Große globale Veränderungen betrafen stets nur einen Teil des auf der Erde befindlichen Lebens. Dadurch, daß wir die Artenvielfalt dezimieren, ja bald fast vollkommen zerstören, setzen wir dem Leben einer großen Gefahr aus! Ich spreche nicht vom Menschen. Der vernichtet sich geradezu zwangsläufig aufgrund seiner Mißachtung der Naturgesetze. Ich spreche hier von dem Leben an sich!
Wenn ihr Euch trefft an diesem Wochenende in den Bergen Österreichs, wer von Euch spricht für die vierbeinigen und geflügelten Wesen? Wir dürfen sie nicht vergessen und uns für höherstehend halten, denn wir sind letzten Endes nur Teil der Schöpfung. Wenn wir uns treffen, hat auch der Adler seinen Platz. Denn unser Platz ist irgendwo zwischen dem Berg und der Ameise. Wir bitten Euch, allen nicht-nemschlichen Lebewesen ein Stimme zu geben.
Sowas stört die meisten wohl, nicht wahr? Als ob es nichts wichtigeres gäbe als sich auch noch über Adler und Maulwurf den Kopf zu zerbrechen. Zunächsteinmal sind wir ja wohl dran, nicht wahr? Und dann ist es schon in Ordnung, wenn wir hier noch etwas abholzen, dort irgendwelchen Mist verklappen, noch ein paar Millionen Menschen gebären, unsere Nahrungsmittelproduktion steigern und hierzu Flächen landwirtschaftlich nutzbar machen. Sehen wir das nicht insgeheim in unserer blanken Unwissenheit genau so? Versuchen wir Probleme nicht nur dadurch zu lösen in dem wir sie immer mehr verschlimmern?
Die Indianer sehen das Problem in ihrer gesamten Größe und verstehen sich als Teil des Gesamten. Deswegen sind ihre Vorstellung vom Leben der Menschen auch vollkommen andere als die unsrigen. Wir betrachten das Problem aus der Sichtweise unserer Kultur, die uns weiß macht, wir seien die Krönung der Schöpfung, die uns einredet, wir hätten das Recht - ja geradezu die Pflicht - uns über die Natur zu stellen. So gesehen haben wir beide geleichermaßen recht! Die Indianer leben entsprechend ihres Verständnisses der Welt und dem in ihren Augen angestammten Platz des Menschen in ihr. Wir tun nichts anderes, nur haben wir uns einen anderen Status für die Menschen ausgedacht.
Wenn wir uns nun aber über die folgenden Zusammenbrüche beklagen, wenn wir Angst vor dem Ende der Menschheit haben, dann müssen wir uns alle an die eigene Nase packen uns fragen, ob denn nun unser Weg der richtige gewesen ist oder der der angeblich Primitiven? Die Welt ist so wie sie jetzt ist, weil wir einen Weg verfolgt haben, der sie zu dem gemacht hat, was sie heute ist. Hier müßte uns jedes "ja, aber..." im Halse stecken bleiben, weil das eine ganz simple und logische Tatsache ist, zu der man nicht viel Intelligenz benötigt. Hätte die Menschheit den Weg fortgesetzt, den sie seit mehreren Millionen Jahren als integrierter Bestandteil der Natur ja erfolgreich gelebt hatte, bevor sich unsere Kultur bildete und breit machte, dann wäre die Welt heute sicher eine andere.
Etwas was tatsächlich Jahrmillionen funktioniert hatte, wurde durch uns in weniger als 10.000 Jahren zerstört. Wir neigen dazu nur sehr kurz zurückzuschauen und oft hören wir, daß wir erst in den letzten 200 Jahren durch die Industrialisierung so richtig begonnen hätten die Welt zu zerstören. Das ist aber ein typischer Fehler der dem gleichen Prinzip zu Grunde liegt wie das Problem an der Börse: Exponentiales Wachstum. Die Industrialisierung ist nur eine logische Konsequent am Ende einer exponentialen Wachstumskurve die aber bereits vor Jahrtausenden begann. Das verstehen wir nicht weil es uns keiner in unserem Umfeld sagt. Die Indianer sprechen von Anfang an darüber und sie werden todsicher recht behalten. Jetzt erst macht sich langsam ein Bewußtsein über diese verheerenden Tatsachen in unserer Kultur breit. Jetzt, da es im Grunde schon zu spät ist.
Dieser Beitrag der Indianer ist in meinen Augen der wichtigste, der hier in diesem Forum überhaupt je gepostet wurde. Er nennt die Dinge beim Namen und ist voller Weisheit. Wir empfinden diese Weisheit nur deswegen als banale Ansichten irgendwelcher Primitiver, weil wir von Klein an gelernt haben, wie wir uns vor ihnen schützen können, wie wir sie diskreditieren können, greifen sie doch unsere tiefsten Grundüberzeugungen an. Wir befürchten, daß wenn wir uns darauf einlassen, daß bedeuten könnte, daß wir unsere "Heile Welt" aufgeben müßten. Und noch scheint unsere "Heile Welt" noch heile genug für uns zu sein, so sehr hängen wir an ihr. Die Tatsache, daß wir damit am Ende fast alle Tierarten, bestimmt aber den Menschen und vielleicht sogar das gesamte Leben auf der Erde vernichten werden, ein Werk das Jahrmilliarden benötigt hat um so zu werden wie es der Mensch damals erstmals als Homo Sapiens Sapiens vorfand, scheinen wir um unserer Rechthaberei Willen in Kauf zu nehmen. Wir dürfen bloß nicht zugeben, daß wir einen großen Fehler gemacht haben und ihn immer noch fortsetzen!
Ich bin den Indianern sehr dankbar für diesen Brief hier im Forum. Eine Antwort wie die von Mick würde mich vor einiger Zeit noch sehr zornig gemacht haben. Vermutlich hätte ich ihn bitterböse und aggressiv angegriffen. Aber das ist Unsinn. Das weiß ich jetzt. Denn Mick bestätigt doch genau das, was wir in unserer Gesellschaft vorfinden. Wir leben in einer Welt die wir uns rechtfertigen, über die wir nur im Rahmen der uns verfügbaren Argumente nachdenken, die alle samt einem ursächlichen Gedankenfehler entspringen. Doch damit werden wir die Welt nicht retten können! Uns fehlen die Antworten auf die grundlegenden Fragen bzw. wir akzeptieren sie nicht wenn wir auf sie stoßen, weil sie unserem Weltbild zuwiderlaufen.
Es gibt ein wunderschönes Buch zu diesem Thema und ich versichere, daß es hier nicht um esoterisches Gefasel oder revolutionäre Neuentdeckungen geht. Es geht um die Frage, wie der Mensch leben sollte. Und diese Frage wird aus Sicht der Menschen betrachtet, die wie selbstherrlich die Primitiven nennen. Als Leser wird man schrittweise darüber in Kenntnis gesetzt, warum die Welt so ist wie sie ist. Ich kann es nur jedem empfehlen, der diese Frage ehrlich ergründen möchte. Ich spreche von dem Buch ISMAEL von Daniel Quinn.
Unsere indianischen Freunde haben mir mit ihrem Brief bestätigt, daß wir von ihnen tatsächlich was lernen können. Ja, Leute, wir müssen sogar, sofern wir die Dinge bei der Wurzel greifen wollen.
Liebe Grüße
Mabo