@ HotelNoire: Ist es nicht genau das, was auch du immer schon gemeint hattest?!
Geschrieben von Salim am 18. November 2002 08:25:57:
@ HotelNoire: "Weder ist er, noch ist er nicht."
Grüß Gott HotelNoire
Du hattest als Antwort auf "Wenn ich Dich aus Furcht vor der Hölle..." geschrieben:
Da "Gott" alles ist, ist jegliche Bezugnahme auf "ihn" Blasphemie. "Gott" ist alles, also gibt es "ihn" nicht.Dies ist der wahre Wiederspruch der Religionen.
Und auf meinSo schön der Kerngedanke deines Posting auch ist - mâ shâ´ Llâh! -, so hüte dich aber doch davor, in das andere Extrem zu fallen und dir Gott als eine Art Kumpel vorzustellen. hattest du geantwortet:
Hüte Dich davor, ihn Dir *irgendwie* vorzustellen. Unser Vorstellungsvermögen ist zu beschränkt für "ihn", der "er" nicht sein kann. Jeder Versuch einer Definition ist deshalb leider: Blasphemie.
Ich möchte dir sagen: Über diesen deinen Beitrag freue ich mich sehr, da er - das ist für mich eine große Überraschung!! - genauer Ausdruck einer Haltung ist, die mir sehr vertraut ist. Ich sehe in dir einen Seelenverwandten.
Du sagst, jeder Versuch einer Definition Gottes sei Blasphemie. Ich bin (vielleicht noch eine Spur radikaler) vor Jahren davon ausgegangen, daß jedes Urteil, an dessen Subjektsstelle "Gott" steht, in sich selbst, da Gott alles ist und deshalb nichts mehr übrig bleibt, mit dem sein Begriff prädiziert werden könnte, unmöglich, also jedes Reden über Gott, d. i. jede Theo-logie zumindest eine riesengroße Dummheit ist, wenn nicht gar Sünde.
Du sagst: "Gott" ist alles, also gibt es "ihn" nicht. und merkst an, dies sei der wahre Widerspruch der Religionen.
Ich muß sagen, daß ich ganz begeistert bin, in deiner Rede meinen eigenen Weg in jenem Widerspruch zu finden, der (in einem Wort christlicher Mystik (Meister Ekkarts)) so lautet:
"Weder ist er, noch ist er nicht."Dieser Satz, eine Provokation für jeden Logiker, läßt sich auch in der folgenden Form schreiben:
Nicht gilt: "Er ist."
und
Nicht gilt: "Er ist nicht."Und das scheint logisch nicht zu gehen. Man denkt, entweder ist er oder er ist nicht, daß aber beides verneint wird, erscheint als unmöglich. Fragt man indes, was die beiden verneinten Sätze "Er ist." und "Er ist nicht." als Gemeinsames haben (das dann sehr wohl zugleich negiert werden könnte), stellt sich heraus, daß beide an ihrem Ende einen Punkt haben und, daß beide hier in Anführungszeichen stehen, es also "Aussagen" sind oder etwas, das man in der Geschichte der Philosophie proposition, Satz, iudicium, kathaphasis, doxa, Gedanke oder (mit Kant) Erkenntnis nennt. Das heißt: Was in beiden Sätzen zugleich verneint wird, ist, daß es möglich wäre, eine Aussage zu bilden, in der an Subjektsstelle Gott und an Prädikatsstelle irgendein Prädikat steht, sei es der Existenz oder deren Negation.
Und mit diesem Ergebnis offenkundiger Unmöglichkeit, Sätze über Gott zu bilden, sei, glaubte ich zunächt wie du, erwiesen, daß jede sprachliche Bezugnahme auf Gott unmöglich sei. Dann aber habe ich entdeckt, daß es neben solchen Sprachgebilden, die mit einem Punkt enden (den Urteilen, Sätzen usw.) es noch andere gibt, die nicht mit einem Punkt enden -, sondern einem Ausrufezeichen. Und tatsächlich: Eine sprachliche Bezugnahme auf Gott scheint tatsächlich sehr wohl möglich zu sein, in solchen Gebilden nämlich, die mit einem Ausrufezeichen enden und die man "Gebete" nennt.
Und so glaubte ich denn, endlich jenes alte vorsokratischen Rätsel aufgelöst zu haben, das da lautet: "hen to sophon mounon legesthai ouk ethelei kai ethelei Zänos onoma" (Das Einzige und allein Weise will nicht und will doch mit dem Namen Gottes (des Zeus) genannt werden).Und das geht so: Das Einzige und allein Weise will nicht in Form von Sätzen mit Punkten dahinter im Sinne der Theologen in Sätzen, propositions usw., sehr wohl aber in Form von Ausrufen, im Gebet nämlich, mit dem Namen Gottes genannt werden.
Aus diesem Grund habe ich lange gezögert, das islamische Glaubensbekenntnis zu sprechen, und ich habe mich dabei auch auf den berühmten Mystiker Husseyin Mansur al-Hallâj berufen, der gesagt hatte: "Wer behaupter, er erkläre Ihn (Gott) als einen, der hat ihm schon etwas beigesellt (macht schirk (ist schon Plytheist))". Doch wurde mir klar, daß das islamische Glaubensbekenntnis, richtig verstanden, gar nicht aus Aussagen besteht, es sich bei ihm auch nicht um eine Erkenntnis handelt, sondern bloß um die Anerkenntnis dessen, daß ich selbst nicht der Big Mac bin.
Und als ich etwas später auf Zypern zum erstenmal meinen Sheikh traf, habe ich ihn nach der Bedeutung jenes Satzes von Husseyin Mansur al-Hallâj gefragt. Und seine Antwort war gewesen, daß es sei mit diesem Satz so sei wie mit Medizin: Für die einen pures Gift, für andere aber ein wunderbar erquickendes Heilmittel: "It depends on the level of understanding".
Heute, ein Dutzend Jahre später, bin ich zwar immer noch der Ansicht, daß es nachgerade sinnlos ist, Sätze zu bauen, an deren Subjektsstelle "Gott" steht und an der Prädikatsstelle irgend was wie "groß" oder "mächtig" oder "hat einen Bauch von drei Metern sechzig" steht, per argumentum anselnianum dann vielleicht gar noch um ein: "Und deshalb gibt es ihn" ergänz. Dennoch glaube ich, daß wir als Menschen bei aller Paradoxie dieses Zusammenhanges wesentlich die Aufgabe haben, uns Gott zu nähern und sei es dadurch, daß wir es zulassen, daß er sich uns nähert. Und es gibt eine heilige Offenbarung, da Gott zu uns spricht: "Ich war ein verborgener Schatz und wollte erkannt werden, deshalb erschuf ich die Welt." Und er hatt gesagt: "Wenn sich Mein Diener Mir um die Länge einer Hand näher, so nähere Ich mich ihm um die Länge einer Elle, nähert er sich Mir um Ellenlänge, komme Ich ihm um Armeslänge entgegen. Und so er auf Mich zugeht, laufe Ich ihm schon entgegen."
Und Gott hat uns die Annäherung an Ihn in Seiner Barmherzigkeit dadurch erleichtert, daß er uns Chiffren geoffenbart hat, unter denen wir uns ihm näherkommen können. Das sind unter anderem die 99 "Schönen Namen". Gott selbst hat uns die Bezugnahme auf Ihn ermöglicht, weil Er barmherzig ist und uns liebt. Und wir dürfen die Kühnheit haben, das Unmögliche zu wagen, auf Ihn nämlich sprachlich Bezug zu nehmen.Und nur verrat mir HotelNoire: Ist es nicht genau das, was auch du immer schon gemeint hattest?!
Das Beste,
wassalam,
Salim
- GEHT DOCH BITTE INS RELIFORUM; WENN IHR ÜBER GOTT PHILOSOPHIERE WOLLT :-((( owT Spookey 18.11.2002 13:15 (2)
- Ich schlage das Forum von Salim vor (unten verlinkt) (owT) Johannes 18.11.2002 13:21 (1)
- Können wir machen, HotelNoir wäre eine Bereicherung, nur frage ich mich ... Salim 18.11.2002 14:07 (0)
- Es HotelNoir 18.11.2002 12:46 (1)
- Das ist ja das umwerfend rätselhaft Wunderbare! - Du sprichst wie ein Muslim ;-) Salim 18.11.2002 13:33 (0)