Demokratie und Dekadenz
Geschrieben von wikking am 06. November 2002 01:20:30:
Hallo, alle zusammen,ich sprach ja davon, noch einen Beitrag über „Demokratie“ und deren Verfall einzubringen, besonders über die Hintergründe...
Ihr findet hier eine Kurzgeschichte, die ich vor einiger Zeit bereits verfaßt hatte und die es schwer hatte, einen Verleger zu finden.
Bitte beachtet, dass diese Geschichte REINE FANTASY ist - und dass alle Eigen-Namen oder Bezüge zur aktuellen Politik oder zur Zeitgeschichte ausschließlich der Fantasie entsprangen !!!!Die Geschichte mag uns alle jedoch sehr zum Nachdenken anregen, besonders der Schluß, der gänzlich anders verläuft, als es sich >Badland Warrior< vorstellt :-))
Für eine Welt die sich wandeln möge,
wikking
PS Die Story steht unter Copyright und darf NICHT kopiert werden !
++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++
D A E M O K R A T I EAlle Namen in dieser Fiktion sind frei erfunden.
Ebenso entsprangen alle Behauptungen zur politischen Lage
und möglichen Parallelen zu heutigen Entwicklungen der Fantasie des Autors.++++++
Das höchste zu schützende Staatliche Gut des Rechtsstaates ist die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen, solange sie diese Freiheit beim Nächsten nicht einschränkt. Dies ist auch augenscheinlicher Garant für eine Herrschaft des Volkes mittels eines frei gewählten Parlamentes.
Das von Kaiserreich, handlungsunfähiger Republik und zwölfjähriger faschistischer Militärdiktatur gebeutelte Land Gorman erlebte im Westen des nach dem Krieg geteilten Staates einen kometenhaften wirtschaftlichen Aufschwung, was stets als Beweis für die Zweckmäßigkeit und Richtigkeit der Demokratie angesehen wurde.
Wollen wir nun versuchen, anhand der folgenden Fiktion zu überprüfen, wie wahr die offizielle Geschichts-Schreibung ist und ob die Demokratie sich tatsächlich zur ‘Herrschaft des Volkes’ entwickelt hat...
************
Prolog:Der Herrscher des Sieger-Landes zu seinem Berater:
„Und wie wollen wir diesen anderen Staat
nun gänzlich zermürben, wie er es verdient ?“
Der Berater antwortet:
„Überlasse die Regierungsgewalt nur eine Zeitlang der
Unwissenheit und den gierigen Gelüsten des Volkes.
Und innerhalb kurzer Zeit wird dieses Land nicht mehr
von der voraussehenden Weisheit eines Befähigten regiert,
sondern von den Lügen all derjenigen,
die sich durch falsche Versprechungen und Intrigen
die Gunst ihrer Wähler erschlichen haben.
Mein Herrscher, dies ist der beste Weg,
ein Volk der Zersetzung von innen auszuliefern:
Man braucht nur dafür zu sorgen, daß vom Volke ernannte Menschen die Macht im Staate übernehmen. Ernannt werden jedoch stets diejenigen, die dem Volk die Befriedigung der äußeren Begierden versprechen. Statt Wachstum im Inneren zu erleben, stürzt ein derart irregeleitetes Volk schon bald in den Sumpf seiner eigenen Gelüste und verwickelt sich in ein stetes Gieren nach Geld, Macht und persönlichem Ansehen. So höre meinen Rat, o mein Gebieter: gib dich großzügig und gewähre den Besiegten jedmögliche Autonomie und die scheinbare Freiheit, ihre Regierung selbst zu bilden. Dies hat zwei Vorteile: Du wirst von den Besiegten als großzügiger Gönner angesehen, doch hast du in Wirklichkeit alle Zügel ihres Niedergangs durch deine Agenten unter ihnen in der Hand.
Und schon nach einer Generation wird dieses Volk durch Raubbau an seinen eigenen Kräften der Degeneration und dem moralischen Niedergang verfallen sein. Dann erst sind sie wahrhaftig besiegt !“
***Das besiegte Land
Punkt Mitternacht war der Krieg zuende. Lange Jahre des Leidens und der unsäglichen Wunden an Geist und Körper aller Einwohner schienen vorüber.
Das Land lag in Schutt und Asche, die Städte waren zerbombt, die Felder verwüstet. Die Überlebenden harrten hungernd, zitternd und in banger Erwartung, hoffnungslos und voller Furcht der Zukunft. Auf eine möglicherweise entsetzliche Zukunft, hatte ihr Land doch den Krieg begonnen - und verloren.
Wie würden die siegreichen Mächte nun reagieren ?
Würden sie die Überreste des Landes völlig dem Erdboden gleichmachen und die Überlebenden ausrotten ?
Banges Frösteln lag in der Luft in den ersten Tagen nach dem Krieg, keine Freude über das Ende des Sterbens. Denn zu ungewiß war die Zukunft, um Freude aufkommen zu lassen.***
Irgendwo, an einem streng geheimen Ort der Welt traf sich der Herrscher des Sieger-Landes, nennen wir es hier einfach „das Land Sig“, denn es könnte überall liegen, mit einigen anderen Staatsoberhäuptern. Allen war tunlichst daran gelegen, daß von dem besiegten Land - nennen wir es Gorman - niemals wieder eine Gefahr ausgehen dürfte, nicht nur hinsichtlich eines Krieges. Die geschichtlichen Tatsachen sprachen zwar eine andere Sprache, denn die Wissenschaftler Gormans hatten im Laufe der Jahrhunderte bereits so manche bedeutende Entdeckung und Erfindung in die Welt gesetzt, ebenso die Komponisten und Dichter dieses Landes, die in den früheren Jahren der Blüte manch Großartiges vollbracht hatten, doch die Sieger waren sich einig, daß in Gorman nichts mehr vollbracht werden sollte, absolut nichts mehr. Eines nicht allzufernen Tages sollte das Land eine reine Agrarfläche sein, welche die Sieger nach Gutdünken bebauen oder verwildern lassen konnten.
Der Herrscher von Sig eröffnete die Versammlung und kam nach einer kurzen Begrüßung, in der er nicht ausließ, die Kriegs-Verdienste von Sig deutlich hevorzuheben, gleich zur Sache: „Uns allen, meine Herren, dürfte nichts an einer Wiedererstarkung Gormans liegen. Dieses Land ist der freien Welt seit langem ein Dorn im Auge. So sollten wir uns heute auf einen gangbaren Weg einigen, um dieses Land innerhalb kürzester Zeit aus der Weltgeschichte auszuradieren, damit nie wieder Gefahren von ihm ausgehen !“
„Ihre Luftwaffe hat bekanntlich noch einige der Bomben-Neuentwicklungen übrig. Wieso bomben Sie Gormans Großstädte nicht in Schutt und Asche ? Dann wird das zerstörte Land von uns neu aufgebaut und mit eigenen Leuten besiedelt.“
Ein anderer Mächtiger warf ein: „Haben Sie die Städte des Verlierers schon einmal gesehen ? Die sind bereits völlig zerbombt. Doch dieser Feind ist wie ein Stehaufmännchen. Innerhalb einiger Jahre wird er sich erholt und möglicherweise sogar die Fähigkeiten entwickelt haben, sich an uns zu rächen !“
„Zu rächen, wofür ? Gorman hat den Krieg begonnen!“ warf einer ein, der nicht alle Hintergründe kannte.
Keiner der anderen entgegnete darauf etwas. Ihnen waren anscheinend brisante Tatsachen bekannt, die eine alleinige Kriegs-Schuld des Verlierers zumindest in Frage stellen konnten. Der Herrscher von Sig fuhr jetzt fort: „Wie es auch immer sei, wenn wir nun, nach offiziellem Kriegsende nochmals Bomben werfen, stehen wir vor der Weltöffentlichkeit mit schlechtem Image da. Dies können wir umgehen. Der Feind muß dazu gebracht werden, sich selbst zu vernichten. Er darf jetzt nicht von außen angegriffen werden, was ihn vielleicht sogar moralisch erstarken lassen würde, weil er sich im Recht fühlt und die Welt es ebenso betrachten würde. Nein, er muß sich selbst von innen heraus zerstören.“
„Dann werden wir einen der unseren als obersten Verwalter des Landes einsetzen, und alles wird nach unseren Plänen ablaufen.“
„Nein, der Feind ist klug. Er wird eine Fremdherrschaft auf Dauer nicht hinnehmen. Wir werden ihm keinen anderen Herrscher vorsetzen, wir werden der Bevölkerung statt dessen anbieten, selbst die zukünftigen Geschicke des Landes zu leiten.“
„Was ? Dann wird Gorman so stark wie nie zuvor ! Das Land muß ausradiert werden ! Man darf es niemals sich selbst überlassen !“ warf einer ein.
Der Herrscher von Sig erhob sich nun bedächtig, blickte in die prominente Runde und sprach: „Meine Herren, Sie haben den Plan noch nicht ganz verstanden. Hören Sie zu.....“
Der AnfangDer strenge Winter im besiegten Land war vorüber. Er hatte viele Todesopfer gefordert, hungernde Menschen, die in der bitteren Kälte einfach erfroren waren. Die Schlachtfelder hatten zwar wesentlich mehr Opfer gefordert, doch davon wollte jetzt niemand mehr etwas wissen. Die letzten Schatten des Krieges sollten verdrängt werden.
Der beginnende Frühling brachte der leidgeprüften Bevölkerung Gormans neue Hoffnung, nicht nur in Form der ersten Krokusblüten auf den Wiesen. So stand in der einzigen Tageszeitung, die noch veröffentlicht werden durfte (weil sie von den Siegermächten kontrolliert wurde) folgender Leitartikel:
Uns wurde verziehen !
Eigene, selbstgewählte Regierung wird geduldet
Großzügiges Geschenk der SiegermächteAllerorts in Gorman jubelten die Menschen, als sie diese überwältigende Nachricht über den neuen Beschluß der Siegermächte lasen. Endlich, endlich schien die Zeit des Leidens vorüber zu sein. Endlich wurde das eigene Land wieder als Staat anerkennt, wurde ihm gestattet, die Geschicke eigenständig zu leiten. Die Siegermächte garantierten weiterhin, daß in Gorman nie wieder eine Diktatur an die Regierung käme, die einen Krieg anzetteln konnte. Man würde sich stets dafür einsetzen, daß Gorman ein demokratischer Staat würde. Parlamentarische Demokratie laute das Zauberwort, welches dem besiegten Land endlich den Weg in die langersehnte Freiheit eröffnen würde.
Gorman würde nun die Möglichkeit haben, in freien, geheimen Wahlen jene Volksvertreter aus seinen eigenen Reihen zu wählen, die die weiteren Geschicke des Landes jeweils für vier Jahre leiten sollten. Eine von der Bevölkerung gewählte und eingesetzte Regierung ! Endlich ! Nach all den Jahren der Diktatur und des blutigen Krieges ! Das konnte nur Fortschritt und innere Freiheit bedeuten !
Somit schien die lange Leidenszeit von Gorman beendet zu sein. Fortschritt würde das Land erblühen lassen, und die in innerer und äußerer Freiheit aufwachsenden jungen Menschen würden alle nur denkbaren Chancen zur eigenen Entwicklung erhalten. Zweifellos würde sich überall im Lande ein blühender Geist entfalten können, befreit von den Zwängen der Diktatur, befähigt, aus sich heraus zu wachsen.Ja, die Menschen des Landes Gorman waren voller Zuversicht und Optimismus. Die Zukunft des Landes schien gesichert, und die ehemaligen Feinde hatten sich zu edlen Freunden gewandelt, denn sie liehen dem zerstörten Land hohe Geldbeträge, natürlich nur, um den Wiederaufbau der zerstörten Städte zu beschleunigen und die siechende Wirtschaft anzukurbeln.
Wohlmerkt: die Sieger liehen den Besiegten das Geld. Und die Öffentlichkeit erfuhr nicht, mit welchen unglaublichen Bedingungen diese Darlehen verbunden wurden...Schon bald waren die ersten Auswirkungen jener neuen Ära spürbar, denn die hohen Geldbeträge, die von den Wirtschafts-Kommissären aus Sig nach Gorman gepumpt wurden, ließen die zerbombten Industrie-Anlagen in kürzester Zeit wieder neu entstehen, versehen mit neueren, besseren Anlagen als zuvor.
Freiheit über allesEtwa zwei Jahrzehnte nach Beendigung jenes schrecklichen Krieges hatte sich das Land Gorman wie der Vogel Phönix aus der Asche erhoben. Ein wahres Wirtschaftswunder hatte stattgefunden. Handel und Industrie blühten in neuem Glanz, die Lebensmittelläden waren mit allen nur denkbaren Leckereien gefüllt, ganz zu schweigen von allerlei Luxusartikeln, die das Leben der Gormaner angenehmer zu machen versprachen.
Ob es nun hilfreiche Haushaltgeräte waren oder technisches Spielzeug (das bei uns vielleicht ‘Unterhaltungs-Elektronik’ genannt worden wäre), stets gelobten die Werbesprüche eine durch die Nutzung des Artikels mögliche Befreiung des eigenen Lebens, eine Befreiung von mühseligen Tätigkeiten - oder auch eine Befreiung von der Last, seine Freizeit selbständig ausfüllen zu müssen.
Das Leben der Menschen in Gorman hatte längst wieder geregelte Züge angenommen, denn vorbei waren die Lasten des Krieges, vorbei waren die Demütigungen der Besetzung durch fremde Armeen, vorbei waren die materiellen Entbehrungen, da der Überfluß begann, die Menschen zu berühren.
Man stand morgens auf, ging zur Arbeit, kam am frühen Abend wieder nach Hause und hatte dann lange Stunden Zeit, sich entweder mit dem Freizeit-Angebot zu beschäftigen, das die einschlägigen Institutionen und profitable Unternehmen anboten oder sich mit eigenartigen Scheinrealitäten die Zeit zu vertreiben, Zeit, die im Übermaß zur Verfügung stand und seltsamerweise trotzdem niemals ausreichte, um das neuerworbene Lebensgefühl richtig genießen zu können.***
„Papa“, rief der elfjährige Junge mit Tränen in den Augen, „warum willst du denn nicht mit mir Fußballspielen ?“
„Keine Zeit !“ brummte Papa, der die letzten Kriegsjahre des Hungers noch gut in Erinnerung hatte. Er saß lieber mit einem saftigen Schweinebraten vor dem Fernsehgerät und sah sich ein Fußballspiel an. Das war wesentlich bequemer. Man brauchte sich nicht anzustrengen; ebensowenig tauchten unangenehme Fragen des Kindes auf, Fragen, deren Beantwortung eventuell an den Sinn des eigenen Lebens und die dazu gehörigen Wertvorstellungen gerührt hätten.
Da ging der elfjährige Junge traurig auf die Straße. Keiner kümmerte sich um ihn. Er hatte auch keine Vorbilder, seinen ewig vor dem Fernsehgerät hockenden Vater bestimmt nicht. Wut keimte auf, die Wut des Alleingelassenen auf diejenigen, denen er die Einsamkeit zu verdanken hatte. Daß das Wort allein sich aus ALL-EIN zusammensetzte, war dem Jungen zu diesem Zeitpunkt nicht bewußt. So gab er seiner Wut ein Ventil und zerstach ein paar Autoreifen.
Und das EINssein mit ALLem, sprich, die bedingungslose, sich verströmende Liebe zur Schöpfung, wartete weiterhin in seinem Herzen auf Befreiung...
Das Zerstechen von Autoreifen war für den Jungen ein gelungenes Ventil. Er fand Spaß daran, weniger am Zerstechen, sondern daran, später von einem Versteck aus die wütenden Autofahrer beobachten zu können. Endlich konnte er diesen verrückten Erwachsenen, die diese Welt so gemacht hatten, wie sie ist, einen Denkzettel verpassen.
Er fühlte sich von nie gekannter Macht durchflutet und war stotz auf seine Taten. In den Folgejahren sollte er sich einer Jugendbande anschließen und noch später zu einem Jahr Jugendarrest ohne Bewährung verurteilt werden.
Irgendein Politiker sollte in den Folgejahren einmal den Begriff ‘zivilisatorischer Abfall’ für kriminelle Jugendliche prägen.***
Der siegreiche, inzwischen etwas gealterte Herrscher zu seinem Berater: „Gorman ist nun ein starker politischer Verbündeter geworden. Ist es überhaupt noch nötig, es dem Untergang zu weihen ?“
„O mein Herrscher“, gab der Berater weitblickend zurück, „der Keim zur Zersetzung ist doch längst gelegt. Äußerlich haben sie nun alles erhalten, wie ihnen ihre Politiker versprochen haben. Folglich muß nun der Befriedigung der grundsätzlichen Bedürfnisse eine Zeit der Übersättigung und des Überdrusses folgen. Die Regierung verspricht der Bevölkerung schließlich ein Wachstum. Also hat sich das Land bereits seine eigenen Sachzwänge geschaffen. Der Untergang ist somit unvermeidlich, denn nicht die Werte des geistigen Fortschritts bestimmen in Gorman das Leben, sondern die selbsterschaffenen Zwänge der Vergänglichkeit, genauso wie wir es einst geplant hatten. Noch eine halbe Generation, dann wird der Plan vollendet sein. Dann ist Gorman entgültig besiegt. Die Zeit spielt mit uns, o Herrscher, denn die Zeit ist’s, die alle Fehlgeleiteten dem Untergang weihen wird. Und selbst wenn wir beide diesen totalen Niedergang des Feindes nicht mehr erleben sollten, so werden dir die Völker der Welt einst dankbar sein, Gorman wahrhaftig ausradiert zu haben.“***
Doch sollte das ALL-EINE tatenlos seiner völligen Verhüllung zusehen ?
Eine absurde Vorstellung, wo doch selbst der glühendste Materialist weiß, daß letztlich alle Vorgänge des Kosmos miteinander verwoben sind. Zwar im Hintergrund des Seins geduldig auf seine Stunde wartend, dennoch schon durch die bloße Anwesenheit sanft inspirierend, glomm die Glut des ALL-EINEN in den Herzen der Menschen, gerade in jenen, die durch Zuckerbrot & Peitsche stetig verweichlicht wurden, durch stumpfsinnige Arbeiten gedemütigt und durch ständige Vermittlung lebensfeindlicher Lebensziele in allen Handlungen und Entscheidungen geschwächt waren.
Zu seiner auserwählten Stunde, die gar nicht mehr so ferne lag, würde diese Glut zu einem sengenden Feuer entfacht werden und alles Einsamkeits-Alleinsein (alle Trennungen und Dummheiten) dieser Welt durch ein wahres, lichtvoll-stolzes ALL-EINS-SEIN ersetzen.***
Vor der nächsten Wahl:
„...und somit verspricht unsere Partei in der kommenden Legislaturperiode, unserem Land einen weiteren, nie gekannten wirtschaftlichen Aufschwung zu bringen. Ein jeder wird sich Urlaubsreisen in noch so weit entlegene Gebiete der Erde leisten können. Fernsehen in völlig neuer 3-D-Qualität wird in keiner Wohnungen mehr Langweile aufkommen lassen. Und schließlich werden alle Krankheiten besiegt werden. Ja, verehrte Parteifreunde, dies ist unser großes Versprechen für die Zukunft: Die Menschen werden keine Langeweile mehr verspüren, denn die 3-D-Hologramm-Fernsehgeräte können nicht nur alte Filme in neuer Qualität zeigen, sondern auch eigene Gedankenströme sichtbar auf dem Monitor erscheinen lassen. Die erwarteten steuerlichen Mehreinnahmen werden wir, sofern wir an der Regierung bleiben, zu Forschungszwecken der Pharma-Industrie zukommen lassen. Und die Bevölkerung wird wie nie zuvor die Freuden des Reisens auskosten können.
Eine rundum zufriedene Gesellschaft wird entstehen, eine Gesellschaft ohne Kriminalität, ohne Krankheiten und ohne Zukunftsängste, wird es doch alle Möglichkeiten in ihr geben, seine eigenen Wünsche zu erfüllen.
Eine Demokratie, wie es keine bessere zuvor gab, denn die gewählten Volksvertreter unserer Partei sind es, die all diese Errungenschaften für die Wähler bewirken werden.***
„Wurden die Hintergründe und Ursprünge des großen Krieges in den Geschichtsbüchern eigentlich bereits unseren offiziellen Darstellungen angepaßt ?“ frage Prof.Dr. Todt seinen Mitarbeiterstab.
Die Antwort kam umgehend: „Selbstverständlich, Herr Professor, „wozu sollen wir die Kinder auch mit den alten, unnützen Fakten belasten ? Der Ausbruch des großen Krieges wurde in allen Büchern berichtigt. Ich denke, damit haben wir etwas sehr Wichtiges und Lichtvolles für den inneren Frieden unseres Landes getan !“
Das griechische Wort daimonos oder daemonos bedeutet so etwas wie „Licht-Bringer“. Eine Gesellschaftsform, deren Entscheidungsträger sich damit brüsten, durch absichtliche Lügen den Menschen Licht (also Bewußtheit) zu bringen, sollte man vielleicht eher Daemokratie nennen, statt Demokratie.
Eigentümlicherweise hat das Wort Daemon auch noch eine andere, folgenschwerere Bedeutung, zumindest dann, wenn das betreffende Licht nicht aus der Ur-Quelle des ALL-EINEN stammt, sondern von den Machenschaften der Drahtzieher, die keine lichtvollen, erwachten Individuen beherrschen wollen (und dies auch nicht vermögen), sondern steuerbare Marionetten.
Ein Daemon bringt das kalte, schneidende und daher selbstzerstörerische Licht der Selbstsucht, das ALL-EINE dagegen das warme, lebendige Licht der höchsten Wahrheit.
Mögen wir selbst die Bedeutung des Wortes D(a)emokratie erkennen.
Und mögen wir selbst erkennen, von welcher Kraft unser eigenes Land beherrscht wird.
Die Mitarbeiter von Professor Todt jedenfalls waren felsenfest davon überzeugt, daß die tatsächlichen Fakten für die offizielle Geschichtsschreibung völlig unnötig seien. Für diese von Steuergeldern hochbezahlten Historiker nur die Fähigkeit, die Geschichte des Landes möglichst eindimensional (gut oder böse) und logisch leicht begreifbar zu schreiben. Hierzu wurden viele unbequeme Fakten der Vergangenheit vollständig aus allen verfügbaren Unterlagen gelöscht und neue (mitsamt allen erforderlichen Beweisen und Quellen) hinzugefügt, bis das gewünschte, von höchster Stelle abgesegnete Bild der Vergangenheit entstanden war.***
Debatten
Polizeipräsident Meier, ein emotionsloser, kühler Verstandesmensch, eröffnete die Debatte über moderne Präventionsmaßnahmen zur Vermeidung von Schwerstkriminalität. „Meine Herren, wir sind uns wohl einig, daß die rapide ansteigende Schwerstkriminalität in unseren Großstädten effektive Maßnahmen notwendig macht, die die Entstehung von verbrecherischem Verhalten bereits von der Wurzel her zu unterbinden vermögen. Zum Glück leben in unserem Lande ja hochkarätige Gentechniker, die sich seit geraumer Zeit mit denjenigen Abnormitäten in der menschlichen DNS beschäftigen, welche eine Entwicklung von kriminellem Verhalten stark begünstigen. Herr Dr. med. Labermann, ein persönlicher Freund von mir, hat im letzten Jahr ein Verfahren entwickelt, das es ermöglicht, diese Abnormitäten bereits im embryonalen Zustand zu erkennen und zu beseitigen. Im Klartext bedeutet das, daß sich jede schwangere Frau frühzeitig einem speziellen Fruchtwasser-Test unterziehen sollte, um eventuelle spätere kriminelle Neigungen ihres Kindes erkennen und beseitigen lassen zu können. Als Polizeipräsident der Hauptstadt fordere ich die anwesenden Politiker hiermit auf, den Labermann’schen Fruchtwasser-Test gesetzlich zu verankern, ebenso den Eingriff in das Genmaterial des Embryos, bei Notwendigkeit auch zwangsweise, sollte der Test positiv ausfallen.“
In einem engen Kreis der Regierung, in welchem offizielle Staatsmänner mit wichtigen Finanziers zusammensaßen, die in vielen Fällen die eigentliche Entscheidungsgewalt innehatten, fand eine ähnliche Debatte statt, jedoch mit noch schwerwiegenderem Inhalt.
„Meine Herren, die neuen Technologien haben uns in den letzten Jahren erstaunliche Möglichkeiten in die Hand gegeben, um endlich einen edlen, ehrlichen Menschen in unserem Lande hervorzubringen, der treu zu seinem Staat steht und die Gesetze dieses Landes befolgt. Ebenso gute Methoden haben wir entwickeln können, um all die notwendigen Randgruppen vollständig kontrollieren und in ihrem Status belassen zu können. Ich bitte nun Herrn Dr. ... , uns über seine Versuche zu berichten.“
„Vielen Dank, verehrter Herr ... ! Betrachten wir zunächst die Randgruppen. Es hat sich als lohnend herausgestellt, die Aufmerksamkeit der Bevölkerung mittels der Medien stets auf gewisse Gruppierungen zu lenken, die laut offizieller Meinung verachtenswert sind, zum Beispiel in früheren Zeiten die Kommunisten und Homosexuellen, später dann die Arbeitslosen, insbesondere die Sozialhilfeempfänger, und die Drogensüchtigen, in neuerer Zeit dann die HIV-Infizierten, die Sekten und Esoteriker. Indem wir den Lebenswandel solcher Randgruppen als lebensfeindlich, als pervers, als bedrohlich oder schlichtweg verrückt darstellen, lenken wir perfekt die Gedanken des Plebs auf jene Randgruppen. Die Leute haben dann etwas zu reden und zu schimpfen und bemerken nur subtil die Mißstände im eigenen Land, die jedoch notwendig sind, um eine steuernde Kontrolle auch weiterhin begründen zu können. Wenn ein jeder rundum zufrieden wäre, dann wäre die Masse nicht mehr durch Versprechungen und Drohungen steuerbar. Das wissen wir hinreichend, und es ist Sache der Politik, die Steuern und Regulierungsmaßnahmen stets als angemessen erscheinen zu lassen, sie jedoch in Wirklichkeit immer auf ein schmerzhaftes Niveau zu bringen. Die Bevölkerung wird dadurch auch zur Unehrlichkeit verleitet, wie beispielsweise zur Steuerhinterziehung, sodaß wir fast bei jedem einzelnen Bürger fündig werden würden, wenn wir nur gründlich suchen würden. Jeder hat irgendwo seine Leiche im Keller liegen. Gut ! Nun zurück zu den Randgruppen. Es ist Sache der jeweiligen Geheim-Kommissionen, dafür zu sorgen, daß diese auch weiterhin existieren. Beim Drogenhandel ist es noch relativ einfach. Wir kontrollieren vollständig den Schmuggel, sodaß wir die Zahl der Süchtigen stets gezielt vermehren können. Außerdem werden die daraus erzielten Gelder dringend für unseren Alternativ-Plan benötigt, wie Ihnen bekannt ist, meine Herren. Gezielter müssen wir schon bei der Denunzierung von Sekten vorgehen. Gerade in letzter Zeit sind viele Gruppen entstanden, die aufgrund alter Rituale und Schulungen tatsächlich eine starke Bewußtseins-Steigerung bei ihren Mitgliedern hervorzurufen vermögen. Zum Glück sind dem Mob spirituelle Tätigkeiten jeder Art unheimlich, sodaß wir nahezu alle Sekten durch gezielten Rufmord in Presse und Funkmedien einflußlos machen können. Doch hier muß äußerst wachsam recherchiert werden, meine Herren, denn wir haben es hier nicht mit stupiden Süchtigen zu tun, sondern mit Menschen, die meist über einen wachen Geist verfügen. Parallel dazu muß die Bevölkerung durch Brot und Spiele - wie in alten Zeiten - davon abgelenkt werden, ihr Bewußtsein entfalten zu wollen. Sind sie erst einmal vollständig in unser Freizeit-System eingebettet, dann unterliegen sie auch vollständig den entsprechenden Manipulationen. Das Fernsehen bringt ihnen die nötigen Scheinrealitäten in die Wohnzimmer, den nötigen Nervenkitzel obendrein, den Rest besorgen die Medien, die zum Großteil unter unserem direkten Einfluß stehen. Was dann noch übrig bleibt erledigt Internet mit virtuellen Einlullungen und die Berieselung mit entsprechender bewußtseinsdämpfender Musik aus dem Radio. Gerade hier, meine Herren, konnten wir erstaunliche Ergebnisse feststellen. Es zeigte sich, daß diejenige Bevölkerungs-Schicht, die zu den regelmäßigen Konsumenten der Programme des Formatierten Rundfunks zählt, am allerbesten auf unsere Steuerungs-Impulse durch das GSM-Mobilfunknetz und via Satellit reagierte. Hierzu gibt es interne empirische Untersuchungen. Stufe eins zur Erziehung des Bürgers ist also: Verhindern einer eigenen transzendenten Bewußtseins-Entwicklung, sondern Ausrichtung des Bewußtseins auf das bloße Denken, um somit fruchtbaren Boden für unsere Erziehung zu bereiten. Dies geschieht durch banale Schlager-Musik aus dem Rundfunk, ebenso durch diesen hirnverbrannten Quatsch aus dem Fernsehen, der die Eigeninitiative der Bürger wohltuend zu unterbinden vermag. Stufe zwei ist dann die stetige Beeinflussung in unserem Sinne durch die Printmedien, die Nachrichtensendungen und die Subliminals in ebengenannter Musik aus dem Rundfunk. Parallel dazu die permanente Bestrahlung per Satellit, durch SAGE-Radar auf dem Boden und natürlich durch die D-Netz-Funkwellen. Die Installation des D-Netzes war ein gelungener Coup, meine Herren, denn wir können durch ein eingeschaltetes Handy nicht nur einen Menschen auf den Quadratmeter genau lokalisieren und somit perfekt überwachen, sondern auch durch das GSM-Netz ständige manipulative Signale aussenden, auf die das menschliche Gehirn mit Bejahung reagiert, wenn dieselben Signale plötzlich verschlüsselt als Nachricht verbreitet werden. Als wir beispielsweise einige Vergewaltigungen junger Mädchen durch unsere Agenten durchführen ließen, um die Bevölkerung auf permanente Speichelproben von jungen Männern und die geplante Gen-Bank einzustimmen, da wurde die Zustimmung auf unsere Pläne bereits per GSM monatelang zuvor ausgestrahlt. Und tatsächlich hat fast die gesamten Bevölkerung eine staatliche Gen-Bank befürwortet, um in Zukunft einen Notzuchttäter sofort identifizieren zu können. Sehen Sie an diesem Beispiel, meine Herren, wie perfekt dieses System funktioniert ? Wie unsinnig ist es doch eigentlich, einen Notzuchttäter im Nachhinein nur identifizieren zu wollen ? Viel sinnvoller wäre es, ihn überhaupt nicht erst geboren werden zu lassen. Doch das ist ein anderes Thema, das zur Zeit innerhalb der Polizei diskutiert wird. Ich wollte Ihnen hier nur aufzeigen, wie perfekt wir jede noch so absurde Meinung als logisch und annehmbar darstellen können, wenn die Bejahung zuvor durch entsprechende Funkwellen in die Köpfe der Menschen initiiert wird. Stufe drei wird dann die perfekte Kontrolle der gesamten Bevölkerung sein. Hierzu werden zur Zeit ausgedehnte Versuche durchgeführt, meist in unterentwickelten Drittländern, wie über die Nahrung, über das Trinkwasser und über scheinbare Medikamente künstliche Informationen in das menschliche Gedächtnis eingeschleust werden können. Die Gen-Technologie hat hierbei so manches Wundersame herausgefunden. Zum Glück untersteht uns diese Wissenschaft völlig, da die entsprechende Forschung staatlicherseits finanziert wird. Wenn diese Erinnerungs-Kontrolle eines Tages perfekt gelingen wird, dann benötigen wir all die anderen Hilfsmittel zur Kontrolle nicht mehr, denn kein Mensch kommt ohne Trinkwasser und Nahrung aus. Medikamente nehmen auch die meisten ganz regelmäßig. Wir sollten nur verhindern, daß sich die Unsitte der Selbstversorger-Höfe weiter verbreitet, die gar noch ihren eigenen Brunnen haben. Aber selbst hier wird die Zeit die Lösungen anbieten. Auch das Brunnenwasser ist schließlich Grundwasser. Wir müssen die Steuerungs-Gene nur eines Tages ins Grundwasser bringen, dann haben wir auch diese Gruppen unter Kontrolle. Wir selbst werden uns natürlich rechtzeitig vor den Stoffen schützen. Hierzu wird gerade eine Art Impfung entwickelt, die nur den Mitgliedern dieser Runde zur Verfügung stehen wird und weiteren auserwählten Mitgliedern der Logen. Abschließend möchte ich noch die phantastische Möglichkeit der Mikrochips zur Sprache bringen, die uns parallel zu den bereits genannten Maßnahmen einen umfassenden Zugriff auf die Bevölkerung garantieren wird. Nachdem die Personalausweise und die Bank- und Kreditkarten sowie die Krankenkassen-Ausweise bereits maschinenlesbar geworden sind, wird es bald nur noch eine einzige Einheits-Karte geben, die alle Informationen über den Bürger enthält. Darin sind Reisepaß, Ausweis, alle Versicherungen, Bankkonto und einige weitere Daten enthalten, sodaß diese Karte an jedem Geldautomaten und an jeder Grenze gleichermaßen verwendet werden kann. Daraufhin wird das Bargeld Schritt für Schritt abgeschafft. Der Bürger wird nur noch mit dieser Karte bezahlen können. Zu diesem Zeitpunkt wird es durch unsere Agenten sehr viele Diebstähle dieser Karten geben, was natürlich fatal ist, weil der Bürger dann nichts mehr bezahlen kann. Daraufhin werden wir den Subcutan-Mikrochip propagieren, also einen Chip, der alle Informationen der Einheitskarte enthält und unter die Haut gepflanzt wird, sinnigerweise auf die Stirn, um bei der entsprechenden Operation gegebenfalls gleich die Zirbeldrüse etwas manipulieren zu können, die bekanntlicherweise ebenfalls ein inneres Erwachen des Menschen begünstigen kann. Ist das erst einmal geschehen, meine Herren, werden wir wohl einer noch nie dagewesenen Friedensperiode entgegensehen. Gewalt-Eskalationen und Kriege gehören dann der Vergangenheit an, denn wir können sie gezielt verhindern. Und die Nachwelt kann auf uns zurückblicken und mit Recht behaupten: Dies waren die wirklichen Friedens-Stifter der Menschheit !“...und keiner der Beifall klatschenden Männer bemerkte den Widersinn in den Ausführungen des Redners. Sie alle hielten sich wirklich für Friedens-Stifter und Edelmütige, deren notwendige Aufgabe es nun einmal war, das Heer der Bevölkerung zu überwachen und auszubeuten.
***
Interne Depesche des Siegerlandes - Verzeihung - Freundes-Landes Sig an die Regierung des besiegten - Verzeihung - befreundeten Landes Gorman:
„Wir registrieren einen beachtlichen Anstieg nicht abhörbarer E-Mails in Ihren Internet-Verbindungen. Zu Ihrem eigenen Schutz wird definitiv gefordert, daß Verschlüsselungsprogramme für E-Mails verboten werden und bei jedem Ihrer Internet-Provider ein abgesicherter Kontrollraum eingerichtet wird, worin die technischen Möglichkeiten zur Verfolgung eines jeden Datentransfers gegeben sind. Dieser Raum muß unseren Agenten unbeschränkt zur Verfügung stehen.Ja, Gorman bewegte sich wahrlich auf eine eigenartige Freiheit zu...
Niedergang und Metamorphose
Etwa sechs Jahrzehnte nach dem großen Krieg (nur noch wenige erinnerten sich überhaupt daran), herrschte im Land Gorman bohrende Unzufriedenheit.
Die Kluft zwischen Reichen und Armen war groß geworden, denn die Kreditgelder wurden nun forciert von Sig aus dem Land herausgesogen. Der Mittelstand verarmte immer mehr und die Ultrareichen wurden noch reicher. Eine gefährliche Spannung herrschte unter den Menschen, denn einerseits fruchteten die manipulativen Bemühungen der herrschenden Klasse, die Bevölkerung wurde somit von Jahr zu Jahr lenkbarer, andererseits gab es da so etwas unter den Menschen, das man vielleicht ‘inneres Erwachen’ nennen könnte, also gerade das, was die Siegermächte von einst und die Herrschenden im eigenen Lande um jeden Preis hatten verhindern wollen, denn ein Mensch, der aus sich heraus nach einem höheren Lebenssinn zu suchen beginnt, der ist nicht mehr leicht zu beherrschen.
Viele Millionen Menschen waren arbeitslos geworden und vertrieben sich die Zeit mit zermürbendem Warten oder sogenannten Freizeit-’Aktivitäten’ wie Automaten in Spielhöllen, Computerspielen oder Fernsehen. Die Innenstädte waren Moloche geworden, entweder fein herausgeputzt als hypermoderne Geschäftsviertel, nur den Geldbesitzern vorbehalten, oder sie waren verkommen, verschmutzt, Slums ähnlicher als bewohnbaren Städten und voller Kriminalität, denn anscheinend war die längst eingeführte Embryo-Kontrolle nicht effektiv genug, um das Verbrechen an sich zu eliminieren.
Die Menschen aus der Stadt, die es sich leisten konnten, flohen auf das Land, bauten sich dort Wochenendhäuser, um zumindest für einige Zeit dem hektischen Treiben in den Städten entfliehen zu können. Die jungen Menschen vom Land dagegen zog es in die Städte, denn dort gab es augenscheinlich all die Vergnügungen, die ihnen von der Werbung im Satellitenfernsehen täglich vorgegaukelt wurden.
Der Plan der Herrschenden war zumindest in einer Tatsache voll und ganz gelungen: Die Masse der Menschen wurde im Verdienst stets unter einem akzeptablen Niveau gehalten, sie verdienten einfach nicht genug, um all ihre Wünsche (deren Erfüllung man laut Werbung ja unbedingt zum Leben brauchte...) zu befriedigen. Da die Steuer-Schraube (gerade für die Kleinverdiener) aber immer fester angezogen wurde (der Staat mußte ja seine irrsinnigen Ausgaben für Rüstung, überhöhte Parlamentarier-Gehälter etc. irgendwie finanzieren), nahmen viele Bürger hohe Kredite auf, um sich ihre Wünsche zu erfüllen. Ihr weiteres Leben bestand dann mehr oder weniger darin, noch härter zu arbeiten, um ihre Schulden abzahlen zu können. Keine Zeit mehr übrig für fruchtbare Tätigkeiten, die die Persönlichkeit hätten wachsen lassen können.
Alle paar Jahre wurden die Bürger zur Wahl gebeten, um zwischen verschiedenen Parteien wählen zu können, deren Vertreter letztlich nur pure Ellenbogen-Menschen waren, die zwar gelernt hatten, einen potentiellen Gegner zur Seite zu drücken, doch absolut unfähig waren, die Geschicke eines ganzen Staates zu lenken, weil ihnen einfach der Weitblick fehlte und sie die Zusammenhänge niemals im Ganzen wahrnehmen konnten, saßen sie doch im Glashaus der Politik, waren eingelullt von schönen Reden, debattierten mit ihresgleichen über Vor- und Nachteile von irgendwelchen neuen Gesetzen ... und hatten sich mit ihrem Leben in einer selbstgezimmerten Scheinrealität derartig weit von den Bewohnern des Landes entfernt, daß die Beteiligungen an den Wahlen von mal zu mal sanken. Es gab einfach niemanden mehr, dem man vertrauen konnte, der überhaupt als wählbar erschien. Wie auch, war doch das einzige Trachten der Politiker, gewählt zu werden. Selbstsucht machte sich unter den Parlamentariern breit. Sie lernten, möglichst nachvollziehbare Versprechen an die Bevölkerung zu geben, um dadurch ihre Wahl zu sichern. War man erst einmal gewählt, lagen die Sachzwänge selbstredlich ganz, ganz anders als vor der Wahl, somit konnten und brauchten die Versprechungen nicht mehr erfüllt zu werden. Berufsmäßig bewußtes und systematisches Lügen - das war die Tätigkeit der gewählten Parlamentarier in Gorman. Man könnte also behaupten, daß der ursprüngliche Plan der Siegermächte auch in dieser Hinsicht aufgegangen war. Und wer es vermochte, einigermaßen logisch nachzudenken, für den war der Grund für das völlige Versagen der Politik klar ersichtlich: die jungen Politiker wurden aus den Reihen der Parteien rekrutiert. Eine Chance hatte jedoch niemals ein unbequemer Idealist, der es wagte, neue Gedanken einzubringen (die wiederum alte Strukturen verändern konnten und somit die Pfründe der momentan Herrschenden gefährdeten), sondern ausschließlich ein braver Mitläufer, der treu zu der offiziellen Meinung seiner Partei stand, gleichzeitig aber diejenige kalte Durchsetzungskraft bewies, um sich gegen seine Rivalen um den hochbezahlten Posten durchzusetzen.
Ein Mensch mit einem Charaktergemisch aus rhetorisch kluger Duckmäuserei und emotionslosem Egoismus konnte aber niemals die Fähigkeit zu bedeutenden Entscheidungen im Sinne einer gesellschaftlichen Höherentwicklung mitbringen, geschweige denn überhaupt eine wirkliche politische Führerrolle ausführen.
Eine besondere Rolle in diesem abgekarteten Spiel der Macht kam auch dem ‘Geldadel’ zu, jenen Ultrareichen aus Bankerkreisen und Großindustrie, die selten in der Öffentlichkeit zu sehen waren, jedoch die eigentlichen Fäden der Entscheidung in Händen zu halten schienen. Seltsame Entwicklungen sorgten dafür, daß sich diese oberen Zehntausend (...sicherlich waren es weniger...) mehr und mehr vom gemeinen Volk abhoben: zunehmende Automatisierung durch eine revolutionäre Entwicklung in der Mikroelektronik, Verlagerung von Produktionsstätten in Billiglohnländer, dadurch bedingte hohe Arbeitslosigkeit im ganzen Lande, gigantisch steigender Leistungsdruck in allen Bereichen, Preistreiberei der Kartelle, Abzug von Kapital ins steuersicherere Ausland, um nur einige dieser Erscheinungen zu nennen, deren Ursache wohl nicht nur in der Gewissenlosigkeit von einzelnen Machtmenschen aus dem ‘Geldadel’ lag, sondern in der Maßlosigkeit eines gesamten Systems.
Und so wurden die Reichen immer reicher, die Mächtigen immer mächtiger, und keiner dieser ‘Auserlesenen’ scherte sich wahrhaftig darum, wie es der geistig und finanziell verarmenden Bevölkerung dabei ging und wie es mit der Zukunft des Landes Gorman aussah, da doch alle nur ihren eigenen kurzlebigen Vorteil sahen. Zu einem weiterführenden Blickwinkel reichte bei den meisten Entscheidungsträgern aus Finanzwelt und Politik weder das Herz noch die Intuition. Verstand, ja, Verstand hatten sie alle genug, er war ja künstlich hochgezüchtet worden in allerlei Management-Schulungen und oftmals sogar durch dubiose Orden und Logen (die selbstverständlich niemals in irgendwelchen Hetzschriften gegen Sekten auftauchten). Aber der reine Verstand hat es nun mal an sich, daß er sehr leicht in Sackgassen gerät, nimmt er mit den ihm zur Verfügung stehenden Sinnen ja nur einen winzigen Bruchteil der ganzheitlichen Realität war. Versteht sich von selbst, daß Gorman mehr und mehr in eine Sackgasse geriet.
Die Gewaltbereitschaft unter den Jugendlichen wuchs und wuchs. Schlägereien und Messerstechereien waren sogar an Schulen schon als ‘normal’ anzusehen. Verschiedenste als wahrlich pervers anzusehende Industriezweige hatten Hochkonjunktur. Da war zum einen der weltweite Waffenhandel. Es war wirklich erstaunlich, daß der Handel mit Massenvernichtungsmitteln einem als freiheitlich geltenden und die Menschenwürde achtenden Land gigantische Umsätze einbrachte.
Dann war da der Drogenhandel, offiziell verpöhnt, sowohl der Handel als auch der Konsum. Doch war er für gewisse Personenkreise, die sich meist nach außen als sehr edel gaben, äußerst gewinnträchtig und konnte somit niemals wirklich unterbunden werden, zumal diese Personen ziemlich einflußreich waren. Man konnte ihnen schlichtweg nichts anhaben.
Der dritte sehr einträgliche Handel waren sogenannte Kinderpornos. Übelste Fotografien und Video-Filme, die in Großaufnahme nicht nur sexuelle Handlungen an Kindern zeigten, sondern sadistische Quälereien. Ein Journalist hatte es einmal gewagt, einen augenöffnenden Artikel über dieses Krebs-Geschwür dieser Zeit zu veröffentlichen. Unmittelbar danach wurde er entlassen. Doch um die Tiefe und Brisanz dieser Ausschweifung, dieses Zeichens eines totalen gesellschaftlichen Niedergangs an dieser Stelle einmal zu zeigen, soll dieser Artikel hier komplett wiedergegeben werden:Sexueller Mißbrauch von Kindern
Seit jeher war es ein Zeichen der sogenannten „zivilisierten Gesellschaft“, Feindbilder zu produzieren, um auf einfache Art die eigenen Unvollkommenheiten und gesellschaftlichen Mankos auf sie projizieren zu können.
Da gab es einst die Kommunisten, die dazu herhalten mußten, mit ihrem (bei uns als so verwerflich unmenschlich empfundenen) Staatssystem von den unmenschlichen Entwicklungen im eigenen Lande abzulenken.
Da gibt es die Heroin- und Kokainsüchtigen, die wunderbar davon ablenken können, wie sehr ein Großteil der sich als ‘nicht süchtig’ empfindenden Bevölkerung bereits dem Nikotin, den Medikamenten und dem Alkohol verfallen ist.
Wenn ich nun die angeregte Diskussion der sogenannten Experten in den Medien verfolge, wie denn dem sexuellen Mißbrauch von Kindern - zweifellos eine der bestialischsten Erscheinungen unserer Tage - ein Ende zu setzen ist, dann kann mir fast das Weinen kommen. Da werden zunächst einmal all die Beteiligten an dem Verbrechen, das letzte Woche bekannt wurde, als ‘pervers und verbrecherisch’ eingestuft (wir - die Normalen - würden so etwas ja niemals tun...). Da wird flugs über harte Gesetze gegen diejenigen diskutiert, die entsprechende Kinderpornos produzieren und vertreiben. Doch wenn man dann als aufmerksamer Zuhörer erfährt, daß der Sex mit Kindern das drittlukrativste Geschäft der ganzen Welt sein soll, gleich nach Waffen- und Drogenhandel, dann vermag man nicht mehr zu glauben, daß nur eine kleine Anzahl ‘verbrecherischer Perverser’ jene Filme kauft und gierig ansieht, dann kann man eher vermuten, daß jene Filme bei Herrn Otto Normalschmidt, gleich um die Ecke, wohlversteckt hinter unverfänglichen Filmen im Videoschrank liegen und genau dann konsumiert werden, wenn die übliche Reizflut durch Kriegs- und Katastrophenmeldungen, Quick-Spot-Werbeclips und die Softpornos nicht mehr ausreicht.
Kinderpornos können nur dann einen derartigen Marktanteil erreichen, wenn auch ein riesiges Bedürfnis danach besteht, wenn die potenziellen Käufer in großer Zahl vorhanden sind.
Und diese Käufer werden von unserer Gesellschaft der Horrorfilme, des Konsum- und Sach-Zwangs und der Geschwindigkeits-Schlachten auf den Autobahnen von ganz allein heran gezogen.
Nein, meine Herren Experten, nicht die Produzenten und Vertreiber von Kinderpornos sind die eigentliche Ursache, denn sie befriedigen nur ein bereits vorhandenes Bedürfnis in einer völlig überdrehten Zivilisation. So verwerflich deren Taten sind, es nützt nichts, sie nun mit gewaltigem Medien-Rummel anzuprangern, der eventuell dazu dienen kann, daß Otto Normalschmidts Nachbar sich überlegt, ob er sich nicht auch mal einen Kinderpornofilm auf dem Schwarzmarkt besorgen sollte.
Die wirkliche Ursache solch übler Erscheinungen liegt innerhalb der ganzen Gesellschaft, ja im tiefsten Innern eines jeden einzelnen Menschen. Wir alle tragen durch unser rücksichtsloses Konsum-Verhalten zur Entstehung solcher Filme bei. Wir alle sollten also sehr tief in uns gehen und in ehrlicher Reflexion einmal anerkennen, welche Lüste, Begierden und besitzergreifenden Triebe sich bereits in uns angesammelt haben, weil wir andauernd durch entsprechende Meldungen in den Medien damit gefüttert werden. Durch das hemmungslose Ausleben dieser Triebe in unserer sich nach außen so moralisch gebärdenden Gesellschaft, welche innerlich eher verfault und marode zu sein scheint, unterscheiden wir uns nicht mehr allzusehr von der Triebhaftigkeit eines Tieres, eigentlich sind wir sogar weit gefährlicher (für die Natur, für andere Lebewesen) als jedes Tier, denn wir können zusätzlich zu den unbewußt emporschießenden Trieben auch noch denken, das heißt ebendiese triebhaften Gelüste zu einer bewußten, meist zerstörenden Handlung werden lassen. Ein Tier kann nicht bewußt zerstören. Es ist dem Trieb willenlos ausgeliefert; ist die Trieb-Energie verflogen, folgt das Tier dem Impuls nicht mehr. Anders der Mensch: In einer Leistungs-Gesellschaft, in der das Wirtschafts-Wachstum nach „mehr, mehr, mehr“ schreit und Süchte und Begierden jeder Art in das Bewußtsein der Sklaven dieser Entwicklung pflanzt, da muß ein aufgepeitschter Trieb schließlich ebenso nach immer mehr Nervenkitzel schreien. Soft-Pornos aus dem Fernsehen reichen nicht mehr. Hardcore-Pornos aus dem Sex-Shop bald auch nicht mehr. Klar, daß dann die verbotenen Schlüpfrigkeiten vom schwarzen Markt herhalten müssen.
Und keiner gibt sich selbst zu, insgeheim das Folgende zu denken: „Was geht mich das Schicksal dieser Kinder an. Ich zahle ja schließlich für diese Filme...“
Doch Unzählige denken diese Gedankenkette, denn die Filme werden en masse gekauft !!
Wir müssen so denken, denn wir wurden zu diesem Denken geprägt: „Was geht uns die Umwelt an, wir bezahlen ja für das Benzin...“, „was gehen mich die Abholzungen der Regenwälder an, ich kaufe ja meine Möbel im renomierten Fachgeschäft und bezahle dafür...“, „was gehen mich die vielen Arbeitslosen an, soll sich der Staat darum kümmern, ich zahle schließlich meine Steuern...“, „was gehen mich die Kriege überall auf der Welt an, die sollen sich ruhig die Köpfe einschlagen, ich bezahle schließlich als Bürger auch für die eigene Armee, und die Jungs werden schon Frieden bei uns bewahren...“
Die Liste der Vogel-Strauß-Gedanken könnte lang werden.
Und immer bezahlt der Konsument schließlich dafür, wäscht sich durch Geld von jeder Schuld rein.
Welch perverse Entwicklung ! Überall in unserem Denken !
Braucht man sich da noch zu wundern, daß auch erotische Perversitäten immer mehr überhand nehmen ?Es ist schwer (für den einzelnen und für eine Gesellschaft), sich selbst einzugestehen, daß ein ‘innerer Schweinehund’ tatsächlich gut versteckt und weit verdrängt in uns lauert. Ein ‘Schweinehund’, der Gefallen an Kinderpornos finden kann - und diese auch kauft, wie die Zahlen belegen.
Um unsere Kinder, sprich: unsere Zukunft, also wirklich zu schützen und gesund aufwachsen zu lassen, dürfen wir die Probleme nicht schon wieder einmal von uns wegprojizieren, auch nicht in unsere Konsum-Massen-Gesellschaft, sondern müssen deren Lösung in uns selbst suchen. Und wenn wir wahrhaft suchen, dann werden wir auch finden - das ist eine alte Weisheit der Bibel, die tatsächlich stimmt !
Doch anscheinend ist es viel zu unbequem, sich einmal den Spiegel des eigenen Lebens vorzuhalten. Man müßte ja möglicherweise erkennen, in welch engen, selbstgezimmerten Kerkern an scheinbaren Sachzwängen und Verhaltensmustern man sein gesamtes Leben eingeschlossen hat, ein Leben, das nur noch durch Überreizung jeder Art ein wenig schale Freude empfinden kann, ohne je die jede Zelle ergreifende und all-umfassende Freude des eigenen Herzens erfahren zu haben. Und dennoch sollten wir es wagen, über uns nachzudenken, denn eine ehrliche Reflexion weist stets den Weg für den Einzelnen, aus diesem Schlamassel der gesellschaftlichen Zwänge herauszufinden.
Doch wer sich von äußeren Zwängen und inneren Verdrängungen befreien möchte, der muß zunächst einmal seinen ganzen Konsum-Lebensstil kritisch analysieren.
Wer ist dazu bereit ?
Unsere Kinder würden es uns danken, wenn wir endlich einmal damit begännen, unser eigenes Leben bewußt und aktiv in die Hand zu nehmen, dann würden sie in uns, den Älteren, (wieder) nachahmenswerte Vorbilder sehen können, anstatt in uns potentielle Konsumenten derjenigen Videos vermuten zu müssen, die einigen von ihnen unsägliches Leid verursacht haben.
Das Land Gorman stand tatsächlich an der Schwelle, wirklich besiegt zu sein. Sollte dies sein Schicksal sein ? Sollte eine dämonische Macht die Herrschaft in diesem Lande übernommen haben, eine Macht, deren Name lautet: Selbstsucht, Genußsucht, Eifersucht und weitere Süchte ?
Dann wäre wahrlich eine Daemokratie entstanden, keine Demokratie !Doch es kam anders.
Zum Glück sind derartige üble Erscheinungen eines völligen Verfalls ewiger Werte in der Entwicklung einer Gesellschaftsform nur Durchgangs-Stufen zu einer höheren zivilisatorischen Lebensweise. Und so ereigneten sich während all dieser verwerflichen Erscheinungen unserer Zeit ganz im Stillen wundervolle Dinge. Auch eine blühende Rose wächst schließlich am allerbesten auf Mist. Der Dreck des Alten scheint stets zum Dung für das Neue zu werden; der Same der Fortentwicklung scheint auf dem Moder der Starrheit gut zu keimen.***
Ein kleines Dorf irgendwo in einem großen Waldgebiet im Südosten Gormans.
Zu dem kleinen Dorf führte nur eine einzige, nicht asphaltierte Straße, der nächste Krämerladen lag etwa zwanzig Kilometer entfernt. Ein Dorf, das es bisher erfolgreich verstanden hatte, sich aus all den staatlichen Kontroll-Mechanismen und Abhängigkeiten herauszuhalten. Es gab dorthin weder öffentliche Strom- noch Wasserleitungen, und die wenigen Bewohner waren den zuständigen Behörden nur als Nummern bekannt. Sie zahlten keinerlei Steuern, denn sie lebten als ehrenamtliche Wildhüter in einem ausgedehnten Naturschutzgebiet, worin ihnen aufgrund eines uralten Pachtvertrages Wohnrecht eingeräumt worden war. Auf keiner Landkarte war das Dorf verzeichnet, und wenn sich wirklich einmal ein Wanderer dorthin verirrte, hielt er es eher für ein verlassenes ‘Geisterdorf’ denn für eine bewohnte Siedlung. Alle Jahre sah einmal ein Vertreter einer Behörde dort vorbei, machte einen Pflichtbesuch, um nach dem Rechten zu sehen. Und für die Behörden war dort auch alles ‘rechtens’. Man sah die wenigen Einwohner als harmlose Dorf-Trottel an, eher museumsreif denn brauchbar für die Zivilisation. Muß es ja schließlich auch geben, so etwas... Keiner ahnte jedoch, weder ein Wanderer noch die nahezu allwissenden Behörden, daß das Leben in diesem Dorf eine sehr normale Entwicklung genommen hatte, normal im Sinne der ewigen, kosmischen Evolution, höchst unnormal jedoch gemessen an den Regeln, Vorstellungen und Normen der mental orientierten Gesellschaft.
Den Grundstein zu dieser Entwicklung hatte vor etwa zwei Jahrhunderten ein Mystiker gelegt, ein Mitglied des geheimnisumwitterten Ordens des Rosenkreuzes, der auf einer Wanderung das Dorf besucht hatte. Die unerhörte Gastfreundschaft, die ihm dort entgegengebracht worden war, hatte ihn ahnen lassen, daß die Schöpfung mit dieser Siedlung etwas ganz Besonderes vorhatte. Und so war er einst viele Monate in der damals noch recht jungen Dorfgemeinschaft geblieben, hatte die Bewohner in viele Geheimnisse des Lebens eingeweiht und ihnen wirkungsvolle Methoden eröffnet, mit höheren, umfassenderen Realitäten in dauerhafte Verbindung zu treten, um im Laufe der Zeit ein zutiefst mit dem All-Sein verbundenes Leben führen zu können.
So konnte sich das Dorf - abgeschieden von allen Wirrungen und Irrungen der großen Politik ( = der Machenschaften derjenigen, die sich für groß halten ) - in Ruhe entwickeln, wohlwissend, daß es einst eine Zeit geben würde, in der alle Mitglieder ihren Platz in der Welt finden würden.***
„Die Menge war nicht zum Auseinandergehen zu bewegen, Herr Hauptwachtmeister...“ erstattete ein Streifenpolizist in Gormans Hauptstadt seinem Vorgesetzten Bericht. Er hatte mit einigen Kollegen eine unangemeldete Menschenansammlung auflösen sollen, was jedoch nicht durchführbar gewesen war.
„Quatsch, Sie waren einfach zu lasch !“ entgegnete der Vorgesetzte streng, „wieso gingen Sie nicht mit Tränengas und Wasserwerfern gegen die Zusammenrottung vor ?“
Kleinlaut der Streifenpolizist: „Weil es keine eigentliche Zusammenrottung war, die Menge lauschte nur andächtig den Worten dieses ... dieses ... Predigers.“
„Es war kein Prediger, sondern ein Verrückter, ein gefährlicher Aufwiegler. Und aufgehetzte Menschenmassen sind laut Definition eine Zusammenrottung. Sie haben Ihre Pflicht verletzt, gemäß Ihrem Eid jede ordnungsgefährdende Zusammenrottung zu zersprengen. Ich frage Sie nochmals - und überlegen Sie gut, was Sie nun antworten: „Was war dort auf dem Platz los ?“
Der Polizist senkte den Kopf und gab leise zur Antwort: „Es sprach einer von Liebe und gegenseitiger Achtung. Von Bewußtheit und von sinnlosen Lebenswerten in der heutigen Zeit. Seine Stimme war eindringlich, fast hypnotisch, doch unglaublich sanft. Jeder Zuhörer war berührt. Die Autofahrer blieben auf der Straße stehen, stiegen aus und lauschten. Plötzlich war da kein Termindruck mehr, kein Streß, nur noch ... nur noch ... wie soll ich es nennen ... irgendein Gefühl unglaublicher Einigkeit. Wir konnten nichts unternehmen, wir konnten einfach nicht, es war ... als wenn ... als wenn eine weitere Bergpredigt gehalten worden wäre. So ein Frieden, so ein unglaublicher Frieden lag da in der Luft...“Da der Vorgesetzte die Meinung seines Untergebenen nicht zu teilen vermochte und sogar vermutete, daß die Staatstreue des jungen Ordnungshüters durch hypnotische Suggestionen brüchig geworden war, veranlaßte er dessen Einlieferung in eine polizeiinterne psychiatrische Klinik, um eventuelle irreparable Schäden an seinem Geist feststellen zu lassen.
Dann verfaßte er einen Bericht an den Polizei-Präsidenten, bekannterweise ein sehr enger Freund des Oberstaatsanwaltes und mehrerer Richter der Stadt. Diesen Bericht überbrachte er persönlich, wobei er seinem höchsten Chef auch seine persönliche Meinung kundtat: „Herr Präsident, wir müssen gegen diese in letzter Zeit vermehrt auftauchenden Leute mit ihren wirren, pseudoreligiösen Äußerungen unbedingt in aller Härte vorgehen, denn sie wiegeln das Volk in gefährlicher Weise auf !“
„Sie wiegeln es eben nicht auf, mein Lieber, bleiben Sie doch sachlich...“ gab der Polizeichef zurück, „doch genau das macht sie wirklich gefährlich, diese Sektenleute oder woher auch immer sie kommen. Es kommt zu keinerlei Gewaltszenen, sie predigen nichts Verbotenes, außer daß sie unsere gesellschaftlichen Werte anprangern, doch das allein reicht nicht, um sie zu verhaften.“
„Was schlagen Sie also vor ?“
Der Präsident schmunzelte: „Nun, gehen Sie vor wie immer, wenn wir jemanden loswerden müssen. Es sollten schon bald die ersten Verhaftungen stattfinden !“
In den nächsten Tagen war nicht nur die Presse der Hauptstadt, sondern auch die Tagesblätter vieler Großstädte in Gorman voll von sich angeblicherweise häufenden Schwerverbrechen, die von diesen überall auftauchenden Predigern angeblicherweise begangen worden sein sollten. Auch in den Fernseh-Nachrichten sendete man davon. Vorsichtig ... ohne zu verurteilen, aber eindringlich.
Aber die Überraschung folgte umgehend: Zum ersten Male in der Mediengeschichte des besiegten Landes wollte niemand den Medien Glauben schenken. Als die Prediger während ihrer nun immer häufiger stattfindenden Reden in allen Städten des Landes verhaftet werden sollten, war keine einzige geplante Verhaftung durchführbar, da eine sichtlich einige Zuhörerschaft jedes Vordringen der Polizei verhinderte. Wenn die Polizisten dann selbst nahe genug am Redner waren, um seinen Worten lauschen zu können, dachte niemand von ihnen mehr an Verhaftung, trotz klarer Haftbefehle. Es ging einfach nicht ! Die Polizisten waren in keiner Stadt fähig, einem dieser Menschen Handschellen anzulegen, der sie durch die Kraft und Faszination seiner Worte begeisterte.Etwa ein Monat nach dem ersten Auftreten der Prediger wurde in der Hauptstadt eine Krisensitzung der offiziellen Regierung angesetzt, zu der auch Vertreter der Polizei, der Geheimdienste, der Hochfinanz und der Medien geladen waren.
Die Stimmung unter diesen wichtigen Männern war gereizt, als der Innenminister nach einer kurzen Begrüßung die Debatte eröffnete: „Meine Herren, wie Sie alle wissen, wird seit etwa vier Wochen die gesamte Bevölkerung von den Worten eigenartiger Wanderprediger manipuliert. Es ist unglaublich, aber wir konnten bisher keinen einzigen dieser Leute identifizieren, denn kein einziger konnte bisher festgesetzt werden, wie Sie alle den vor Ihnen liegenden Berichten entnehmen können. Die Vergleiche der aus der Ferne geschossenen Bilder mit den Archiven der Kriminalämter und der Geheimdienste waren ergebnislos. Es ist, als wenn diese Menschen aus dem Nichts aufgetaucht wären und nach jeder Rede wieder im Nichts verschwinden würden. Ein unglaublich gefährliches Phänomen, denn die Auswirkungen dieser Reden sind bereits überdeutlich zu spüren. Zwar konnten wir anhand der Polizeiberichte der Regionen feststellen, daß die Verbrechens-Rate allerorts rapide sinkt. Sogar in Slum-Gebieten, wo die Prediger übrigens gehäuft auftreten. Bedrohlich erscheinen jedoch die Auswirkungen in der Wirtschaft. Der Fleisch-Verbrauch sinkt ständig, die Umsätze der Pharmaindustrie gingen in den Keller, besonders bei Psychopharmaka, Konsum-Artikel werden viel weniger gekauft und auch bei Alkoholika, Tabakwaren und Parfüm geht der Umsatz rapide zurück, was bereits Millionenlöcher in die Unternehmens-Umsätze und die Staatskasse riß. Ich übergebe nun an den Minister für körperliche und geistige Gesundheit.“
Dieser setzte die Vorrede einfach fort: „Die Menschen werden darüber hinaus einfach nicht mehr krank ! Was zunächst wie ein Segen erschien, entwickelte sich jedoch zu einem riesigen Problem für Kliniken und Krankenhäuser, die kaum mehr Patienten haben. Immer weniger Leute erhalten Herzinfarkte, Krebsleiden kommen augenscheinlich zum Stillstand und entwickeln sich sogar zurück, seit zwei Wochen im ganzen Land kein Suizid-Versuch mehr, ja sogar Autounfälle ereignen sich praktisch nicht mehr, weil ein unglaublich rücksichtsvolles Fahrverhalten auf den Straßen zu spüren ist. Meine Herren, ich muß wohl nicht auf die unmittelbar bevorstehenden Auswirkungen für Staat, Wirtschaft und Gesellschafts-Ordnung hinweisen. Diese Prediger sind eine extrem ernstzunehmende Gefahr für die öffentliche Ordnung.“
Der Direktor einer sich unabhängig nennenden Tageszeitung, gleichzeitig hoher Kirchenfunktionär, was die wenigsten wußten, ergriff nun selbständig das Wort: „Wie uns allen bekannt ist, haben zum ersten Mal in der Geschichte unseres Landes die Medien-Kampagnen gegen diese Aufwiegler keine Wirkung gezeigt. Die Einschaltquoten beim Fernsehen sinken drastisch und die Kirchen allerorts sind praktisch leer, weil die Gemeindemitglieder lieber den Spinnereien dieser Sekten-Brüder glauben als den aufrichtigen Worten unserer Priester. Ich stimme meinen Vorrednern zu: dies ist die ernsteste Gefährdung unserer Zivilisation seit dem großen Krieg. Wir und all die wertvollen, hart erarbeiteten Werte unserer Gesellschaft stehen kurz davor, besiegt zu werden, besiegt durch eine Handvoll Irrer, die niemand aufzuhalten vermag. Vielleicht sollte der Vertreter des Staatsschutzes einmal seine Meinung kundtun, wie ich ihn kenne, hat er bereits einen effektiven Plan ausgearbeitet.“
Der schwergewichtige Angesprochene erbob sich, um seinen Worten mehr Bedeutung zu verleihen: „Ich danke dir für das Wort, Konrad. Nun, meine Herren, in der Tat habe ich bereits einen Plan erarbeitet, der eine 83%ige Erfolgsaussicht verspricht. Wir müssen zunächst die Sende-Frequenzen der einschlägigen Fernmelde-Satelliten geringfügig verändern, um durch eine damit ermöglichte Hypnose-Strahlung die mentale Rezeptions-Fähigkeit der Bevölkerung deutlich zu verringern. Wenn geschehen, werden wir unsere SQ-Sondereinheiten, also die geheimen Androiden-Gruppen, die Ihnen allen beim vorletzten Meeting vorgestellt worden waren, zur völligen Auslöschung der terroristischen Aufwiegler - denn um solche handelt es sich zweifellos - einsetzen. Diese Maßnahme wird von unserer Sonder-Abteilung ZK Abfang ausgeführt und ist somit durch den Kabinettbeschluß von Ende letzten Jahres automatisch legalisiert. Des Weiteren werde ich ...“
Weiter kam der Geheimdienstmann nicht mehr, denn ein aufgeregter Portier stürzte, ohne zu klopfen, in den Sitzungssaal und rief: „Da ... da ... draußen, da steht ... steht einer der Prediger. Er ... sie ... es ist eine sie ... läßt sich nicht aufhalten. Sie kommt schon ... sie kommt rein ...“
Es ging alles ganz schnell. Der Portier trat unwillkürlich zur Seite. Herein trat eine junge Frau in einem langen, beigen Kleid, die im ersten Moment zart und zerbrechlich wirkte. Ihre lockigen braunen Haare umspielten wirkungsvoll ihr sanftes Gesicht, als sie einige Schritte auf die Versammelten zuging und dann stehenblieb.
Der Regierungs-Chef sprach sie mit gepresster Stimme an: „Wie sind Sie hier hereingekommen, woher wußten Sie von diesem Meeting ? Warum haben Sie ...“
Weiter kam er nicht, denn die Frau begann nun zu sprechen, und der Klang ihrer Stimme wirkte mächtig und gleichzeitig wunderschön neben dem unsicheren Gestammle des Regierungs-Chefs: „Meine Herren, zunächst möchte ich mich Ihnen vorstellen. Ich bin Laira, Ordensfrau der Rose. Zunächst wundere ich mich, daß keine Frauen unter Ihnen sitzen. Das würde meine Mission vereinfachen. Aber es geht auch so, meine Herren.“
Laira ging nun mit völliger Selbstverständlichkeit auf einen der freien Stühle im Sitzungsraum zu und nahm Platz. Keiner hielt sie auf. Alle lagen in ihrem Bann, als sie nun fortfuhr.
„Sie waren gerade dabei, uns, die Ritter der Rose, zu verdammen, ohne sich zuvor ein objektives Urteil über uns zu bilden. Nun, wer verdammen will, der ist selbst meist schon verdammt. Und Sie, meine Herren, Sie sind zutiefst verdammt, Sie alle sind arme, gutgläubige Opfer eines schrecklichen Generationen-Planes zur völligen Verdummung - wenn nicht Vernichtung - unseres Landes, dessen gelungene Auswirkungen Sie an der Entwicklung der Gesellschaft in den letzten Jahren beobachten können.“
Stille. Die junge Frau senkte ihren Blick, saß nahezu bescheiden auf ihrem Stuhl. Die Größen Gormans wirkten verstört und fasziniert gleichzeitig. Groteske Situation. Keiner stellte eine Zwischenfrage. Keiner ließ die Eingedrungene hinauswerfen oder verhaften. Da geschah etwas ganz Eigenartiges: im Bewußtsein aller Anwesenden begann sich eine Art innerer Film abzuspielen. Er begann mit der Zeit des großen Krieges und der Niederlage Gormans und zeigte in allen Einzelheiten all die üblen Pläne der Sieger, zeigte, wie Gorman mit Hilfe der sogenannten Demokratie, einer trügerischen Selbstbestimmung, in den wirklichen Untergang hätte geführt werden sollen. Der Geist aller Anwesenden im Raum schien zu einem Bewußtsein zu verschmelzen, das sich über das Szenario erhob und aus einer wahrhaftigeren Warte, als es mittels des Verstandes jemals möglich gewesen wäre, die weitere Entwicklung Gormans bis in die Jetztzeit betrachtete. Dann löste sich das herbeigeführte Bewußtseins-Konglomerat wieder auf, und die Männer saßen als staunende Individuen an dem Beratungs-Tisch und kamen sich vor wie Kinder, die zum ersten Male einen glitzernden Christbaum betrachten durften.
Da stand die junge Frau auf, sah jedem Einzelnen noch einmal intensiv in die Augen ... und verließ unbehelligt den Saal.
Danach erhob sich der Außenminister, sprach leise „...laßt uns retten, was zu retten ist...“ und ging ebenfalls hinaus.***
Weitere vier Jahrzehnte später, in einer Schulklasse irgendwo auf der Welt, der Staat spielt keine Rolle mehr, denn es gibt nur noch Kultur- und Verwaltungsbereiche, keine Staaten mehr.
„Könnten Sie die damaligen Ereignisse bitte noch einmal zusammenfassen ?“ bittet einer der Schüler den beliebten Lehrer für Frühgeschichte.
„Gut!“ antwortet dieser, „...denn ich verliere mich gerne in der Betrachtung dieser Ereignisse, die zu den wundervollsten der Menschheitsgeschichte gehören. Hört also zu... Ausschlaggebend für die von Gorman ausgehende Veränderung der gesamten Weltpolitik war das plötzliche Auftreten einer großen Reihe von gereiften, sehr spirituellen Menschen, die zunächst jedoch von den Regierenden verächtlich als Sektierer oder Wander-Prediger bezeichnet wurden. Diese Leute hatten in einem abgelegenen Dorf eine nahezu von d
- Frage von Odin an wikking franke43 06.11.2002 07:56 (6)
- Antwort von wikking an Odin wikking 06.11.2002 11:10 (3)
- Re: eMail-Adressen im Forum angeben? Johannes 06.11.2002 12:55 (0)
- Geht viel einfacher franke43 06.11.2002 12:03 (0)
- Aber Hallo !! franke43 06.11.2002 11:53 (0)
- Re: Frage von Odin an wikking Bonnie 06.11.2002 09:35 (1)
- Anfrage rein persönlich franke43 06.11.2002 10:54 (0)
- Re: Der Wandel. Guerrero 06.11.2002 03:23 (1)
- Re: Der Wandel. wikking 06.11.2002 11:15 (0)
- Re: Demokratie und Dekadenz Arkomedt 06.11.2002 02:17 (3)
- an Arkomedt wikking 06.11.2002 11:17 (2)
- Wichtig für dich! Badland Warrior 06.11.2002 11:45 (1)
- Re: Wichtig für dich! Viola 06.11.2002 12:04 (0)
- der Schluß der Story (war abgeschnitten)... wikking 06.11.2002 01:27 (3)
- Re: der Schluß der Story (war abgeschnitten)... Scorp 06.11.2002 02:18 (2)
- Fantasy ?!? wikking 06.11.2002 12:14 (1)
- Re: Fantasy ?!? Viola 06.11.2002 13:04 (0)