Armee der Deserteure...
Geschrieben von Subman am 12. Oktober 2002 14:15:40:
Als Antwort auf: Re: Wenn der Befehl kommt ... - was dann? geschrieben von Niko am 12. Oktober 2002 13:16:38:
Armee der Deserteure
Stephan HilleSie flüchten vor Armut, Unterdrückung und Willkür: Jährlich suchen rund 10000 russische Soldaten vor Ende der Dienstpflicht das Weite – oft mit Gewalt.
Kürzlich, beim Besuch einer Speznas-Eliteeinheit im sibirischen Tschita, erfuhr der russische Präsident die wirklichen Sorgen der Truppe. Warum, wurde Wladimir Putin von Offizieren gefragt, das russische Fernsehen nicht mehr Berichte über die Armee zeige? Ein Finanzierungsproblem, antwortete der Präsident bedauernd und gab den fragenden Offizieren Recht: Schliesslich könnten Berichte über die russischen Speznas-Soldaten «interessanter sein als westliche Kriegsspielfilme». Dabei kommen die russischen Zuschauer schon heute auf ihre Kosten. Fast jeden Tag liefern die Fernsehnachrichten mit schrecklichen Bildern aus dem Riesenreich den Stoff für packendes Reality-TV.
Am Tag als Putin in Sibirien Eliteeinheiten inspizierte, traf die Meldung aus dem Kaukasus ein, wonach zwei junge Grenzsoldaten auf nächtlicher Patrouille nahe an der georgischen Grenze acht ihrer Kameraden hinterrücks erschossen hatten. Nachdem die beiden Deserteure gestellt worden waren, gestanden sie, die Bluttat im Drogenrausch begangen zu haben. Als Motiv gaben die Grenzer Rachegefühle für die Gängelei ihrer Kameraden an.
Beinahe täglich suchen junge Wehrpflichtige in Russlands Weiten das Weite. Jedes
Jahr desertieren rund 10000 Armeeangehörige, schätzt Walentina Melnikowa vom russischen Verband der Soldatenmütter. In den meisten Fällen türmen sie wegen der berüchtigten Dedowtschina, eines Unterdrückungsprinzips, bei dem die länger dienenden die frisch eingezogenen Rekruten quälen, foltern oder erpressen. Ein Teufelskreis, denn die Opfer geben später, sofern sie die brutale Hackordnung überleben, die Erniedrigungen an die nachfolgenden Wehrpflichtigen weiter. Nicht selten drehen die Fahnenflüchtigen durch und schiessen sich den Weg mit der Kalaschnikow frei. Erst im Februar hatten zwei Fallschirmjäger einer Eliteeinheit auf ihrer spektakulären Flucht neun Menschen erschossen, bevor sie selbst ihr Leben liessen.Schlamperei, Unfälle, Selbstmorde
Rund 4000 Soldaten kommen jährlich im Dienst für das russische Vaterland um. In Friedenszeiten, wohlgemerkt, die täglichen Verluste im Tschetschenienkrieg werden hier nicht mitgezählt. Schlamperei, Unfälle und Selbstmorde treiben neben der Dedowtschina die traurige Statistik in die Höhe. Meist kommen die genauen Umstände der Todesfälle nie ans Tageslicht. Sogar nach der Katastrophe des Unterseebootes «Kursk», das vor zwei Jahren durch die Explosion eines defekten Torpedos in der Barentssee mit 118 Seeleuten an Bord unterging, war der Generalstaatsanwalt Wladimir Ustinow bemüht, die genauen Details unter Verschluss zu halten. Niemand könne für den defekten Torpedo zur Rechenschaft gezogen werden, behauptete Ustinow noch vor gut einem Monat, als die Ermittlungen offiziell eingestellt wurden. Publiziert wurde der offizielle Untersuchungsbericht erst vor wenigen Tagen, erstaunlicherweise von der regierungsnahen Rossiskaja Gazeta. Auf vier Seiten wurde eine haarsträubende Kette von Nachlässigkeiten, Pannen und Verletzungen von Sicherheitsbestimmungen dokumentiert: Teile des Torpedos hatten ihre Lebensdauer bis zu sechs Jahre überschritten. Weder waren die Offiziere, die das Verladen des Torpedos anordneten, dazu befugt, noch waren diejenigen, die den Befehl ausführten, für diese Arbeit qualifiziert.
Armee der Hungerleider
Selten wird der rücksichtslose Umgang mit den eigenen Soldaten so offenkundig wie beim Abschuss eines Armeehubschraubers vor drei Wochen über dem zentralen russischen Militärlager bei Grosny in Tschetschenien. Nachdem der Transporthubschrauber Mi-26 unter Beschuss geraten war, stürzte er mit 147 Soldaten an Bord in ein Minenfeld, das die Russen zum eigenen Schutz ihrer Militärbasis angelegt hatten. Wäre der Hubschrauber, ausgelegt für 82 Personen, nicht hoffnungslos überladen gewesen, hätten die Piloten noch die Chance für eine saubere Notlandung gehabt. Doch so liess der Raketentreffer der tschetschenischen Kämpfer ausgerechnet über dem Gebiet, das bislang als der am besten gesicherte Ort in Tschetschenien galt, 118 Soldaten keine Chance. «Die Armee zerstört unsere eigene Jugend», klagt Melnikowa, die 1989 den Verband der Soldatenmütter gegründet hatte.
Nirgends im Land ist der Werteverfall so ausgeprägt wie unter den 1,2 Millionen Soldaten und Offizieren der russischen Armee. Eine Armee der Hungerleider: Blutjunge Wehrpflichtige, die nicht mehr als ihre Uniform besitzen, betteln auf Moskaus Strassen um Almosen. Laut einer jüngst veröffentlichten Statistik leben 46,2 Prozent der Armeeangehörigen unterhalb der Armutsgrenze. In Tschetschenien kommen russische Soldaten durch die Kalaschnikows und Minen um, die ihre Kameraden den Rebellen verkaufen. Selbst Panzer und Raketenwerfer werden unter der Hand verhökert, auf Wunsch sogar direkt ab Werk.
Abhilfe könnte einzig die seit Jahren geplante Militärreform schaffen. Doch die Umwandlung in eine drastisch reduzierte Berufsarmee kostet Geld und Pfründen der Epaulettenträger. Die Widerstände sind gross, die Aussichten auf Besserung damit ungewiss. Allein für spektakuläre Nachrichten ist weiterhin gesorgt.
>Hallo,
>>Was machen die Soldaten dann? Meutern? Desertieren? Verweigern?
>Man kann natürlich darüber ewig spekulieren... (auch phantasieren). Ob das einen Sinn hat, da bin ich mir gar nicht so sicher...
>Erstmal, vergiss nicht, das die russische Armee keine "Berufsarmee" in diesem Sinne ist (wie z.B. in der USA). Also, das macht schon was aus.
>Zweitens, es gibt auch schon jetzt in russischen Armee reichlich Desertiere, die ihre Wehrdienst aus humanitären und anderen Gründen verweigern.
>>Was macht die russische Bevölgerung? Ungehorsam? Partisanenkrieg gegen
>>die eigene Armee? Einen Aufstand? Eine neue Revolution?
>Was hat uns misslungener Putsch im Jahre 1991 gezeigt?
>Was hast du bei diesen Erreignissen beoabechten konntest???
>Wie hat die Bevölkerung im Moskau reagiert? Welche Stimmungen und Handlungen konntest du dabei auch in der Armee beobachten?
>>Es ist ja nicht die russische Bevölkerung die angreift, sondern die vom
>>Geheimdienst beherrschte Regierung und Armee, ...
>Was ist die Russische Armee? Soldaten aus der Bevölkerung, und so blind sie nicht, wie es manche glauben.
>>...ein Staat im Staat, die machen kann was sie will. <
>Meiner Meinung nach, irrst du dich hier gewaltig. Diese Zeiten sind in Russland vorbei. Wir leben nicht im 18. Jahrhundert.
>>Gibt man Soldaten den Befehl zum Angriff, ist keine Verweigerung möglich,
>>weder 1939 noch 2002.
>falsch. Darüber habe ich schon oben geschrieben (Putsch, 1991). Die Zeiten ändern sich ständig. Nichts bleit unverändert, auch das Bewusstsein in der Bevölkerung.
>>Wer will sie dann aufhalten? Ebenso könnte die USA
>>oder andere Staaten Rußland angreifen. Einfach auf Befehl hin.
>>Oder will jemand behaupten, sie würden den Befehl verweigern?
>Es ist offensichtlich, dass du sehr stark an dieses "Zauberwort" --> BEFEHL glaubst. Wirst du aus dem 10. Stock auf Befehl runter springen?
>Mann muss nicht unbeding die anderen für ganz blind und dumm halten (nicht böse, eher allgemein gemeint).
>>Darüber hinaus haben wohl einige die Szenarien nicht richtig gelesen.
>Wie gesagt, es gibt und gab viele "Szenarien", verrückte Pläne und Wunschvorstellungen bei manchen "Politiker", Militärs und Geheimdiensten. Die Frage ist, ob diese Pläne heutzutage, angesichts der veränderten Situation, überhaupt realisierbar sind?
>Man muss doch nicht unbedingt glauben, dass jeden Mist, der bei manchen Menschen ("Politiker) in Köpfen sitzt auch realisiert wird.
>>Auf jeden Fall ist es nicht die friedliche
>>russische Bevölkerung die Krieg will sondern gewisse Kräfte, in Amerika
>>"Falken" genannt, die den roten Weltoktober vorbereiten.
>Die Frage ist, ob diese "gewisse Kräfte" so viel Einfluss auf die Bevölkerung haben. Meiner Meinung nach, Nein. Die Russen sind gegenüber solchen "Machtstrukturen" viel kritischer geworden!
>>Warum wählt Rußland nicht ganz einfach andere, friedliche Parteien, z. B.
>>die Grünen, die die Rote Armee abschaffen wollen um ein echtes Friedens-
>>zeichen zu setzen?
> Es wäre naiv in so eine kurze Zeit solche gravierende Veränderungen zu erwaren. Alles braucht seine Zeit!
>>Oder sind sie doch genauso kriegerisch wie die USA und Englang?
>>Denkt an Captain Kirk: "Einem Klingonen (Russen) darf man niemals trauen!"
>Ich kenne mehrere solche "klugen" Sprüche (auch im Bezug auf Deutschen). Hier sucht jeder nur das, woran er glaubt oder glauben möchte. Ich persönlich halte von solchen Zitaten gar nichts, ich halte sie eher für dumm und primitiv.
>>Alles klar?
>Ja, ich habe mir gewisse Klarheit über deine Meinung (Vorstellung) in dieser Frage geschafft. Es gibt noch leider viele Vorurteile und Ängste (im Bezug auf Russland) in der Bevölkerung in Europa (wahrscheinlich auch aus der "Kaltkriegszeit"), und es wird leider bei manchen Forumsteilnehmer wenig (oder gar nicht berücksichtigt), das alles sich im Laufe der Zeit verändert. Es ist auch wichtig bei der "Prophezeihungs-Hobby" nicht der Bezug zur Realität verlieren. Nur an die Verhältnisse in der Vergangenheit sich orientieren, ist meiner Meinung falsch.
>Lieben Gruss
>Niko