Finanzdebakel. Seit 31 Monaten geht es an den Börsen bergab.

Geschrieben von jan2002 Jan2002 am 08. Oktober 2002 15:57:57:

Schon seit 31 Monaten geht es an den Börsen nur bergab. Eine derart langanhaltende Schrumpfung der Finanzwerte hat es zuletzt zu Beginn des Zweiten Weltkriegs gegeben, in den Jahren 1939 bis 1941. Und das Tempo des Kursrutsches nimmt beständig zu. Das Jahr 2000 war bereits ein Katastrophenjahr. Dann kam der ausgedehnte Sommercrash 2001, der nur durch den Beginn des Afghanistan-Krieges unterbrochen werden konnte. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2002 stürzten die Aktienmärkte dann ohne Wenn und Aber in die Tiefe. Ergebnis: das schlechteste Börsenhalbjahr seit 1998.
Doch das war alles noch gar nichts im Vergleich zum dritten Quartal 2002: Sowohl der Dow Jones (-18%) als auch der S&P-500-Index (-18%) amerikanischer Aktien erlebten ihr schlimmstes Quartal in 15 Jahren. Nimmt man das zweite Quartal mit hinzu, so handelte es sich um die schlimmste Sechsmonatsperiode für den S&P-500 (-29%) seit 28 Jahren. Noch heftiger erwischte es den deutschen Aktienmarkt. Verstärkt durch Zwangsverkäufe großer Versicherungen und den massiven Kapitalabzug amerikanischer Investoren verlor die Frankfurter Börse (-37%) binnen drei Monaten mehr als ein Drittel ihres Wertes, der stärkste Einbruch in irgendeinem Quartal seit 1959. Rund 200 Milliarden Euro gingen allein bei den 30 DAX-Werten in diesem Zeitraum in Rauch auf. Neun der 30 DAX-Titel wurden im dritten Quartal (noch einmal) halbiert bis geviertelt: Epcos (-78%), MLP (-74%), Infineon (-65%), Allianz (-58%), HypoVereinsbank (-57%), Münchner Rück (-55%), Commerzbank (-55%), SAP (-55%), Fresenius (-52%). Vier DAX-Titel (Deutsche Telekom, Infineon, Epcos und MLP) waren am Ende des dritten Quartals 2002 nicht einmal mehr ein Zehntel dessen wert, was sie auf dem Höchststand im Jahre 2000 kosteten. In Japan fallen die Aktienkurse schon seit zwölf Jahren und sind auf ihrer Zeitreise in die Vergangenheit inzwischen im August 1983 angekommen. In den USA verlor jeder US-Bürger, Kleinkinder eingeschlossen, seit März 2000 im Durchschnitt 70000 Dollar an der Börse. Die Technologiebörse Nasdaq gab in diesem Zeitraum 75% ihres Wertes ab, der größte Kursverfall irgendeines amerikanischen Aktienindexes seit den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts.
Je länger der systemische Zusammenbruch an den Finanzmärkten anhält, desto katastrophaler die Folgen für die Volkswirtschaften. Vernichtete Ersparnisse und Renten lassen den privaten Konsum einbrechen - da helfen auf Dauer auch die größten Exzesse bei den Verbraucherkrediten nicht.
Zugleich treiben Massenentlassungen die Arbeitslosenraten und die sozialen Kosten der Regierungen in die Höhe. In den vergangenen zwölf Monaten haben allein die großen börsennotierten Unternehmen Westeuropas - unter anderem Alcatel, Ericsson, Deutsche Telekom, Siemens - den Abbau von rund 570000 Arbeitsplätzen angekündigt. So schrumpften die Steuereinnahmen Deutschlands im ersten Halbjahr 2002 um 6,6%, während die Ausgaben um 2,2% anstiegen. Daraus resultiert ein Defizit allein für das erste Halbjahr in Höhe von 58 Milliarden Euro, 20 Milliarden Euro höher als erwartet. Besserung ist nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil. Die letzten Zahlen über den Industriesektor in Amerika, Europa und Japan sind allesamt alarmierend. Weltweit geht die industrielle Aktivität drastisch zurück. Der amerikanische Einkaufsmanager-Index (ISM) ist im September in die Kontraktionszone abgerutscht. Die US-Autoverkäufe von General Motors gingen im September um 13% zurück, obwohl das Unternehmen die Null-Zins-Finanzierungen weiter aufrecht erhielt. Nach dem "Tankan"-Bericht der japanischen Zentralbank wollen die japanischen Unternehmen ihre Investitionen erneut drastisch senken. Auch beim Reuters-Einkaufsmanager-Index für die Euro-Zone ging es im September steil nach unten. Der Wert für Deutschland erlebte sogar den stärksten Einbruch seit der Index im Februar 1996 geschaffen wurde.
Wie jüngst die National Science Foundation in den USA berichtete, sind in den USA nun auch die Forschungsausgaben der Unternehmen zum ersten Mal seit 1960 rückläufig. Auch die Kultstätte der "New Economy", das Silicon Valley im US-Bundesstaat Kalifornien, bekommt dies zu spüren. Larry Ellison, der Chef des weltweit zweitgrößten Software-Herstellers Oracle, kommentierte am 29. September in einem Interview: "Silicon Valley wird nie wieder sein, was es war." Er fügte hinzu: "Diejenigen, die glauben, dies sei nur ein zyklischer Niedergang, sind verrückt. Sie können nicht sehen, was vor ihren Augen geschieht."





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