Theologie und Architektur

Geschrieben von franke43 am 12. September 2002 13:54:46:

Als Antwort auf: Re: Damals und heute geschrieben von Hubert am 12. September 2002 13:09:18:

Hallo Hubert

>Lieber Frank,
>Nicht dass ich plötzlich gegen den Bau von Kirchen wäre, aber ich
>hätte die Kirche lieber NEBEN die Moschee gebaut und nicht mitten
>hinein.

>Dass eine Moschee jemals neben einer gotischen Kathedrale errichtet wird, >werden wir Gott sei Dank niemals erleben. Außerdem ist der tägliche fünfmalige >Gebetsaufruf des Muezzin für den zivilisierten Menschen eher eine Zumutung.

Naja, das hat auch mehr praktische Gründe. Gotische Kathedralen stehen
selten so, dass aussenrum viel Baugrund wäre. Normal sind sie als
geistliche Zentren in einen historischen Stadtkern integriert.

Der Gebetsausruf eines Muezzins kann (muss nicht) durchaus künstlerische
Qualitäten haben. Das hängt - genau wie beim katholischen Priester - von
der Sangeskunst ab. Nicht jeder Priester bringt einen schönen liturgischen
Gesang zustande.

Im Fall Cordoba war es ausserdem umgekehrt: erst wurde die Moschee
gebaut und dann die gotische Kathedrale. Aber statt die Kathedrale
als freies Bauwerk auf eigenem Grund zu errichten, setzte man sie mitten
in den Baukörper der Moschee hinein.

>Und dort, wo man sich auf solche Experimente eingelassen hat, zog der >zivilisierte Teil der Gesellschaft, soweit es ihm finanziell möglich war, weg.

Das sind jetzt neuere Erscheinungen.

>Dein Vorschlag birgt aber auch folgende Gefahr. Wenn Kirche und Moschee >nebeneinander stünden, würde damit doch suggeriert, dass Christentum und Islam >gleichwertige Offenbarungen desselben Gottes sind. Die Kirche nennt eine >solche Auffassung aber „Relativismus“ und lehnt ihn selbstverständlich auf das >schärfste ab.

Wenn ich befürworte, die Kirche solle neben der Moschee zu stehen
kommen, dann will ich damit nicht beide Glaubensrichtungen gleich-
stellen, sondern lediglich die historische Bausubstanz der Moschee
eigenständig bewahren. Das ist eine künstlerische Frage, keine
theologische.

>Nach unserem Glauben sind die Offenbarungen des Dreifaltigen Gottes mit der >Manifestation des Christentums als letzter Stufe eines zweistufigen >Offenbarungsprozesses innerhalb der jüdisch-christlichen Religion >abgeschlossen. Insofern beinhaltet der Begriff der >vielbeschworenen „Religionsfreiheit“ nicht dass Du glauben darfst, was Du >willst, sondern nur, dass Dir der Staat bei der Religionsausübung keinen Zwang >auferlegen darf.

Es ist mir bekannt, dass diese Art der Religionsfreiheit in vielen
islamischen Staaten nicht besteht. In diesem Punkt bin auch ich
geneigt, am real existierenden Islam Kritik zu üben. Nämlich weil
er bewusst und aktiv den Übertritt zum Christentum und den Eintritt
in die Kirche verhindern will.

>Religionsfreiheit heißt also nicht die Freiheit zum Irrtum. Die Anerkennung >des Islam als gleichwertige Religion neben dem Christentum ist also aus der >Sicht des kirchlichen Lehramtes eine Unmöglichkeit.

Wo habe ich das gefordert ?

>Im Katechismus heißt es >hierzu:
>2108 Das Recht auf Religionsfreiheit bedeutet weder die moralische >Erlaubnis, einem Irrtum anzuhängen [Vgl. Leo XIII., Enz. „Libertas >præstantissimum"], noch ein angebliches Recht auf Irrtum [Vgl. Pius XII., >Ansprache vom 6 Dezember 1953] sondern es ist ein natürliches Recht des >Menschen auf die bürgerliche Freiheit, das heißt darauf, dass im religiösen >Bereich — innerhalb der gebührenden Grenzen — von der politischen Gewalt kein >äußerer Zwang ausgeübt wird. Dieses natürliche Recht ist in der Rechtsordnung >der Gesellschaft anzuerkennen, so dass es zum staatlichen Recht wird [Vgl. >Dignitatis humanæ.].

Hier haben wir das Problem: in unseren christlichen Staaten entscheidet
die weltliche Gewalt und unterlässt es, die Annahme eines Glaubens
verordnen oder erzwingen zu wollen. In der islamischen Welt existiert
diese weltliche Ordnung oft nicht. Dort entscheiden die Mullahs mit,
wer an was glauben und sich wozu bekehren darf. Und es wird oft unter
Strafe gestellt, Leute zum Christentum führen und also dem Islam
abspenstig machen zu wollen. Da gibt es wirklich Anlass zur Kritik,
denn gleichzeitig nimmt sich der Islam weltweit das Recht heraus, für
seine Glaubensrichtung(en) zu werben.

>Darf man Gutes nicht nachmachen ? Auch das Richtige auswählen und kopieren
>ist eine Kulturleistung. Ohne diese Fähigkeit wären die alten Römer nie
>über das Forum Boarium hinausgekommen.

>Absolute Zustimmung. Deshalb muß ja auch das Evangelium in allen Teilen der >Welt verkündet werden.

Bei der Verkündung des Evangeliums in den islamischen Ländern kann
man noch manches Martyrium erleben.

>Der Koran schreibt den Frauen nur vor, sich in der Öffentlichkeit "anständig" zu kleiden.
>Ich könnte mit dem Koran gut leben, wenn ihn Kardinal Ratzinger im Geiste der >Tradition und des Heiligen Lehramtes gegenläse und die unpassende Teile >aussortierte.

Die Frage der "anständigen Kleidung" wird nicht überall als Total-
verschleierung (z.B. Burkah) ausgelegt. In den meisten Ländern
ist man mit einem Kopftuch oder dem Tschador zufrieden.

>Übrigens: Heute, am 12. September feiert die Kirche das Fest „Mariä Namen“. Es >wurde einst im Gedenken an den Sieg über die Türken 1683 eingeführt.

Das war wirklich ein Sieg auf der Kippe. Errungen wurde er, wie wir
beide wissen, unter der Fürung des katholischen Prinzen Eugen von
Savoyen und des gleichfalls katholischen Königs von Polen Jan
Sobieski.

>Herzlichst,
>Hubert

Ebenso

Franke 43



Antworten: