Wahhabiten, Schiiten und Alawiten

Geschrieben von Swissman am 03. September 2002 23:42:16:

Als Antwort auf: Hier ein paar interessante Neuigkeiten geschrieben von Badland Warrior am 03. September 2002 20:44:04:

>Al-Qaida in palästinensischen Flüchtlingslagern
>Außer Bin Laden sollen laut der israelischen Tageszeitung "Haaretz" auch >mehrere Kommandeure der al-Qaida den Anti-Terror-Feldzug überlebt haben. Mit >bis zu 200 Kämpfern sollen sie sich in den vergangenen Monaten von >Afghanistan über Syrien und den Iran in den Libanon abgesetzt haben.
>Die Zeitung beruft sich auf nicht näher bezeichnete Geheimdiensterkenntnisse.

Die Quelle von Ha'aretz zu erraten ist nicht schwer: Die Geschichte wird von Debka, in leicht unterschielichen Varianten, praktisch seit Beginn des Afghanistanfeldzuges immer mal wieder aufgewärmt. - Persönlich halte ich sie für ausgemachten Blödsinn: Osama und Al Quaida folgen dem Wahhabismus, derweil der Iran ein grossmehrheitlich schiitisches Land ist.

Dies ist von eminenter Bedeutung: Wahhabiten und Schiiten, man kann dies nicht genug betonen, sind seit jeher Feinde: Mohammed Ibn Abdul Wahhab, der Begründer und Namensgeber der Wahhabiten, erklärte sämtliche Nicht-Wahhabiten, insbesondere und expressis verbis aber die Schiiten, zu Satansdienern, die zu töten ein gottgefälliges Werk darstelle. Im Jahr 1802 fielen wahhabitische Ikhwan-Reiter unter dem Kommando von Saud ibn Abdul Asis ins südliche Mesopotamien ein und erstürmten die den Schiiten heilige Stadt Kerbala. Sämtliche Bewohner - Männer, Frauen und Kinder - wurden massakriert. Kerbela soll vor der Eroberung um die 40'000 Einwohner gezählt haben (im Vergleich dazu war 911 geradezu ein müder Abklatsch). Zusätzlich, und dies war der eigentliche Sinn und Zweck des Unterfangens, wurde das Grab des Imams Hussein geschändet, die zugehörige Moschee verwüstet.

Aus nachvollziehbaren Gründen stehen sich Wahhabiten und Schiiten feindlich gegenüber - eine behauptete Zusammenarbeit des Iran mit Al Quaida gehört eindeutig ins Märchenland verwiesen.

In Syrien sieht es nicht anders aus: Das syrische Regime ist panarabisch-säkular ausgerichtet, wobei der innere Kreis der Führungsriege sich beinahe ausschliesslich aus der Sekte der Alawiten rekrutiert. Über die genauen Glaubensinhalte der Alawiten besteht wenig gesichertes Wissen, da dieses Wissen im Allgemeinen nur von Alawitenmund zu Alawitenohr geht. Das wenige halbwegs gesicherte Wissen geht zum grössten Teil auf den damaligen französischen Gouverneur von Syrien zurück, der die Alawiten, die bislang immer die Verlierer der Geschichte gewesen waren, stark förderte, und bevorzugt Alawiten für Armee und Verwaltung heranzog. Dafür wurde er von den Alawiten respektiert, und sie erzählten ihm auch das eine oder andere Geheimnis.

Sicher ist auf alle Fälle, dass es sich dabei um eine Abspaltung von der Schia handelt, die ausschliesslich die 7 ersten Imame anerkennt ("Siebner-Schiiten"). Da die Alawiten gegenüber Aussenstehenden die Arkandisziplin einhalten, umgibt sie ein eigentlicher Nebel von Mutmassungen, Halbwahrheiten und Lügen (in die letzte Gruppe dürften vermutlich die Geschichten über Menschenopfer, sowie Anbetung von Hunden und weiblichen Genitalien einzureihen sein).

Vom Standpunkt eines Wahhabiten dürften sie in jedem Fall mindestens hassenswert sein, wie gewöhnliche Schiiten. Man darf daher getrost davon ausgehen, dass auch an Berichten über eine Connection Damaskus-OBL nichts dran ist (Im Gegenteil: Hafez al-Assad, der Vater des jetzigen Präsidenten liess seinerzeit die Stadt Hama buchstäblich dem Erdboden gleichmachen, nachdem die ihm die dortige "Moslembruderschaft" den Krieg erklärt hatte.)

Die Frage stellt sich, warum solche Gerüchte dennoch andauernd gestreut werden: Debka steht im Ruf, eine Frontfirma des Mossad zu sein. Der Sinn und Zweck der Übung liegt offensichtlich darin, die Amerikaner "objektiv" darüber zu "informieren", dass es in ihrem ureigensten Interesse liegt, Scharon die Drecksarbeit abzunehmen - aus Sicht der israelischen Führung durchaus logisch und nachvollziehbar.


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