Wahrnehmungen
Geschrieben von Stefan am 23. April 2001 11:04:08:
Als Antwort auf: Re: Ist Stefan besessen ? geschrieben von Baldur am 23. April 2001 00:30:04:
Hallo Baldur,
KLL hat uns vor Kurzem vor Augen geführt, wie es um die "Normale Wahrnehmungsfähigkeit" bestellt ist.
Es ist in diesem Forum für einige schon lange schick, mir Don Quichotschen Übereifer gegen Rechts zu unterstellen und Du wirst sicher von einigen Mitschreibern Applaus dafür bekommen.
Eine Demokratie ist immer nur so demokratisch, wie der Rechtsstaat, den sie hervorbringt, rechtsstaatlich ist. Wenn eine seit Jahrzehnten allein regierende politische Kraft ihre Macht und ihren Einfluß so ungeniert nutzt um das Recht zu beugen, wie es in Bayern der Fall zu sein scheint, dann ist die Demokratie gefährdet und der Grundkonsens der Demokraten wird verlassen. Bei Ermittlungen gegen Mitglieder des herrschenden Clans, verschwinden die Ermittlungsakten auf mysteriöse Weise. Gegen Menschen, die sich in ihrem jugendlichen Elan aktiv gegen Rechtsradikalismus und Faschismus wenden, wird dagegen in völlig unverhältnismäßiger Weise die geballte Staatsmacht in Stellung gebracht. Dabei verhalten sich Wirtschaft, Exekutive, Legislative und Judikative in einer Weise kohärent, die jeder Idee von einer Gewaltenteilung Hohn spottet. Wer will da noch bestreiten, daß es in Bayern ein gefährliches Demokratiedefizit gibt?
Du findest das nicht weiter schlimm. Im Gegenteil Du findest es krankhaft übertrieben wenn man diese Zusammenhänge auch nur zur Diskussion stellt.
Dies läßt interessante Schlüsse auf Deine Filtermechanismen zu, die wiederum auf Deinen Grundannahmen über der Wirklichkeit beruhen.
Es wird Dich wohl kaum erstaunen, daß ich andere Filter zur Aufbereitung meiner Wahrnehmung verwende. Ich habe auch eine andere Wahrnehmung der gesellschaftspolitischen Wirklichkeit in unserem Lande. Mich erstaunt es daher recht wenig, wenn mir meine Wahrnehmung sagt, daß gewisse herrschende Kreise in Bayern, die sich selber sicher als rechts-konservativ bezeichnen würden, mehr Sympathie mit rechtsradikalen und faschistischen Kräften haben als mit deren demokratisch gesinnten jugendlichen Opponenten. Nichts desto trotz beobachte ich solche Vorgänge mit Sorge.
Der Weg einer Demokratie in die Diktatur ist meist fließend. Auch das Ermächtigungsgesetz, welches die Demokratie der Weimarer Republik offiziell beendete war nur ein Schritt in einem langem Prozeß. Auch damals fand der wahre Kampf um die Interpretation der Wirklichkeit statt. Wahren es nicht auch damals "rechts-konservative" Kreise, die sich willig als Steigbügelhalter der Nazis gebrauchen ließen?
Der Geist, der uns aus Bayern entgegen weht, ist der gleiche Geist, der auch schon die FJS-Freunde Pinochet und Strößner geführt hat. Es wird Zeit, daß die Bayern aufwachen und die Gefahr erkennen. Es ist nichts gegen Traditionen einzuwenden, aber wer die Demokratie will, der muß sie leben und Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden. Aber auch Tucholsky hätte in Bayern immer einen schweren Stand gehabt.
Noch eine kleine anregende Provokation zum Abschluß. Nach meiner Wahrnehmung könnt Ihr in dem vorhergehenden Text überall "Bayern" durch "Österreich" ersetzen.
Gruß
Stefan
- Komm Stefan, another 23.4.2001 18:15 (0)
- and again, and again, and again isthar 23.4.2001 11:47 (0)