Re: An Arkomedt wegen Russland
Geschrieben von Arkomedt am 07. Juli 2002 03:04:13:
Als Antwort auf: An Arkomedt wegen Russland geschrieben von Badland Warrior am 06. Juli 2002 11:42:32:
Hi Badland Warrior,
Du gestattest sicherlich, daß ich zu Deinen Ausführungen direkt Stellung nehme?
Erst einmal vielen Dank für die Arbeit, die Du Dir machtest.>1. Laut etlicher Überläufer hat der KGB seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts eine Langzeitstrategie welche folgende Inhalte hat: Erst aufrüsten und dann plötzlich angeblich einlenken, sich öffnen, Friedensbewegungen ins Leben rufen und unterstützen, um dann plötzlich zuzuschlagen.
Ich gehe einfach davon aus, daß Du das 21. JH meintest. Die Langzeitstrategien müssen aber bereits spätestens ab Mitte der 80iger entwickelt worden sein, um die weltpolitischen Entwicklungen auch nur einigermaßen beeinflussen zu können. Ansonsten wären diese Strategien keine Aktions-, sondern nur Reaktionspläne.
Ich gehe davon aus, daß solche Reaktionspläne durchaus vorhanden waren und überraschend gut funktioniert haben. Seit Beginn des 21. JH sehe ich allerdings auch gezielte Aktionen, die gut zu einer Einbindung der russischen Expansionspläne in eine globale Strategie passen würden.>2. Die höchsten Ausgaben waren in der Sowjetunion immer für die Rüstung, und auch heute noch lassen die Russen Waffen produzieren und exportieren die auch mit großem Erfolg. Zum Beispiel über die Ukraine und Weißrußland in den Nahen Osten. Ferner: Die russische Armee hat alles, was sie braucht, um Krieg zu führen, aber nur für den ERNSTFALL! Das, was jetzt in Tschetschenien läuft, ist eine Polizeiaktion, oder eine Strafexpedition, wie immer man das nennen mag. Klar, für die Tschetschenen ist es Krieg, äußert sich ja auch genauso. Und ob eine Kugel bei sowas oder in einem Ernstfall abgefeuert wird spielt da keine Rolle. Die miese Haushaltslage in dem sinne, daß Rußland vor der Pleite steht und deswegen und aus anderen Gründen schon eine Sonderkonferenz für den 2003-Fall zusammengerufen hat, ist eine Sache. Tatsächlich lebt aber eine geringe Anzahl der Russen in Saus und Braus. Das ist alles so geplant, um die Bevölkerung und auch die Militärs zum Murren zu bringen.
Verflucht gefährliches Spiel. Das keinen Sinn ergibt, wenn man die russische Politik der letzten 80 Jahre betrachtet. Kann sein, daß einige Hasardeure so denken, Schirinowski sicherlich. Aber Putin? KGB-Repräsentant in der DDR?
Ich verrate Dir mal, BW, daß ich dieses Szenario vor über zwei Jahren in einem meiner Bücher verwendete, aber inzwischen selbst daran zweifle. Wenn das alles so wäre, hätte man sich den Lebed, den Mann der Armee unbedingt gekauft, ihn aber nicht umgebracht!>3. Ferner wird dort alles getan, um die Bevölkerung aufzuwiegeln und auch andere Staaten und deren Bevölkerungen zu destabilisieren. Hör dir mal eine Woche "Stimme Rußlands" an und achte auf die Feinheiten. Bis auf die sozialistischen Phrasen ist der Ton der gleiche geblieben wie im kalten Krieg und wird seit Monaten immer schärfer. Stimme Rußlands hieß früher Radio Moskau, war also die Stimme Stalins. Außerdem fangen die Russen jetzt vollends an, aufzudrehen, propagandistisch und politisch. Ein einflußreicher Politiker warnte die USA davor, den Irak anzugreifen, wenn sie keinen Dritten Weltkrieg haben wollten. Die Grenzen Litauens werden in Frage gestellt. Gegen Polen wird gehetzt (auf stimme Rußlands). Das Gerücht der AIDS-Virus stamme aus einem Labor des CIA stammt ursprünglich aus einer moskaufinanzierten Zeitung in Afrika. Diese Sache wird jetzt wieder aufgewärmt. Auf die Diskussion, ob des den Virus wirklich gibt und wenn ja, wieso er über Afrika und Haiti, San Francisco und New York dann zu uns kam und wieso er nicht früher aktiv wurde, sage ich nichts, denn das ist eine Grundsatzdebatte, die zu weit führen würde. Außerdem heizen die Russen alle Konflikte weltweit nicht nur mit Waffenlieferungen, sondern auch propagandistisch, an. Da kommt das, was über dem Bodensee passiert ist, gerade recht.
Ja, die Propaganda ist die alte geblieben. Die Kommunisten erstarken wieder. Alles richtig, hat aber auch andere Ursachen. Natürlich müssen die jetzigen Herrscher in Rußland die Bevölkerung im Griff behalten! Natürlich muß ein Feindbild her! Und da ist es nicht verwunderlich, wenn Nostalgien geschürt werden, wenn die Verbrechen der Kommunisten relativiert werden mit der jetzigen Not der Bevölkerung. Ein Tanz auf dem Pulverfaß, aber nicht geplant, sondern durch die Entwicklungen erzwungen!
>4. Viele unterschiedliche Prophezeiungen berichten davon, daß die Russen einmarschieren und sich mit den "Preußen" zusammentun. Die Preußen sind in dem Fall die keineswegs zerschlagenen Strukturen der SED und der Stasi. Übrigens wird gerade debattiert, ob man nicht Berlin und Brandenburg zum Bundesland Preußen zusammenführt.
Berlin+Brandenburg=Preußen? Ist schon vor einigen Jahren gescheitert. Und wird wieder scheitern.
Mit den nichtzerschlagenen Strukturen der SED/Stasi rennst Du bei mir offene Türen ein. Ich verfolge die ISOR seit einiger Zeit. Wieder Hinweis auf mein Szenario weiter oben. DAS ist ein Gefahrenpotential allererster Güte!>5. Auch hier im Westen gibt es genug Russen, welche nicht ersichtlichen geschäften nachgehen und welche Verbindungen haben nach Moskau. Und jede Menge perspektivlose rußlanddeutsche Jugendliche, welche gern für einen Kasten Wodka mal Kleinholz machen, wenn man sie darum bittet.
Hier muß ich Dir zum ersten Mal generell widersprechen. Die russische Mafia hat hier Fuß gefaßt und macht glänzende Geschäfte. Allerdings wären das die erbittertsten Gegner eines militärischen Überfalls auf ihre Milchkuh.
Und die Rußlanddeutschen? Die kennen die Russen lange und gut genug und werden im Falle eines russischen Angriffs die besten Deutschen Widerstandskämpfer sein!
Die Jugendlichen dieser Population sind zwar perspektivlos in Deutschland, aber längst nicht in dem Maße, wie sie es in Kasachstan waren!>6. Nochmals zu den Waffen: Rußland hat eins der besten Schnellfeuergewehre der Welt in dem Sinne, daß die Dinger unverwüstbar und mit variabler Art von Munition zu beladen sind. Ein G3 kann keine Kalaschnikowmunition verschießen, umgekehrt wird aber ein Schuh draus. Im Vietnamkrieg haben die Amis ihre im Dschungelwetter verreckten M-6 weggeworfen, wenn sie eine Kalaschnikow vom Vietcong erbeutet hatten. Ferner hat Rußland die letzten 10 Jahre nicht geschlafen, sondern sowohl auf dem ABC-Sektor, als auch bei normalen Waffen weitergeforscht. Außerdem kann man während des Einmarsches auch eine Menge Beute machen, was Waffen angeht. Rußlands Kriege wurden bisher durch Masse gewonnen. Denk an den Befehl Stalins "Minenfelder sind anzugehen, als wären sie nicht vorhanden." Die erste und die zweite reihe wird mit Waffen durchgejagt, die dritte nicht, weil vorne genug rumliegen. Außerdem haben die Russen eine Menge freunde: Nordkorea wird ihnen gerne Leute abgeben, mitsamt Waffen, um die Hungerleider loszuwerden. Die Serben sind seit jeher Freunde der Russen und würden mitmarschieren. Kommt auch in einigen Prophezeiungen vor.
Hier vollste Zustimmung.
>7. Außerdem, wie gesagt, kann auch während des Einmarsches eine Menge erbeutet werden. Und der Krieg ernährt sich aus dem Land. Und plündern konnten die schon immer gut.Auch hier.
>8. Die politische Destabilisierung einerseits weltweit, die wachsenden Hegemonialansprüche der USA, aber auch ihr wachsender Einfluß in ehemaligen Sowjetstaaten, die Gefahr des wachsenden Islams auch im russischen Sektor, das alles zwingt die Russen geradezu, irgendwann mal in Nachbars Garten zu schielen, und das sind in dem Fall wir. Ferner reden einige Abgeordnete der Duma ganz offen von "Westerweiterung Rußlands".
Was würdest Du denn davon halten, BW, wenn sich die Amis und die Russen längst ganz insgeheim geeinigt hätten? Die Welt aufgeteilt? Dem Bush ist die Nato nur ein Klotz am Bein. Ein unzuverlässiger Verbündeter, der es jetzt auch noch wagt, sich in der Frage des internationalen Gerichtshofes gegen ihn zu stellen. Was wäre, wenn Bush und Putin längst eine Grenzlinie zwischen ihren Welten gezogen hätten? Die jetzt peu á peu eingerichtet wird? Diese Grenze stelle ich mir quer durchs Mittelmeer verlaufend vor. Zwischen Türkei und Syrien, zwischen Iran und Saudi-Arabien zum persischen Golf. Alles nördlich an Russland, alles südlich an USA. Um Afghanistan und Pakistan wird noch gestritten.
>9. Die Bundeswehr hat gigantische Schulden, auch durch Immobilienspekulationen, und ist nicht verteidigungsfähig, aber überall auf dem Globus präsent. Wir haben also eine offene Tür mehr und stellen keine Gefahr dar. Hat Putin ja auch so schön gesagt, beim Biolek, daß Deutschland heute keine Gefahr mehr darstellt.
Sic transit gloria mundi!
>10. Der "Pakt" mit den Indern und Chinesen ist keiner. Er dient lediglich dazu, die Hegemonialinteressen der USA zu schwächen. Tatsächlich haben die Russen mit den Chinesen und diese mit den Russen und Indern noch so manches Hühnchen zu rupfen. Der Inder ist opportunistisch, weil er es lieber hat, von beiden beliefert zu werden, als unter dem endgültigen Einfluß von einem der beiden zu geraten. Tatsächlich nimmt er den Chinesen aber übel, daß die mit den Pakistanis Geschäfte machen und diese unterstützen, und China nimmt es den Indern übel, daß diese Nepal beim Kampf gegen die Maoisten unterstützen. Die Russen wiederum sehen es ganz gern, wenn die Chinesen mit den Indern reden und sie selbst in Ruhe lassen. Es gibt da noch offene Grenzfragen, und die Chinesen brauchen mehr Land um ihre stetig wachsende Bevölkerung zu ernähren, und schon jetzt sickern andauernd Chinesen in Sibirien ein, was die Russen nicht lustig finden. Alle aber mögen sie nicht wirklich die USA.
Das sind zwar alles Konflikte, aber in der Beilegung begriffene. Im Gegenteil, ich wundere mich über die modetaten Töne zwischen China und Rußland, habe da noch ganz andere Töne im Ohr, seinerzeit von den Ussuri-Kämpfen.
>11. Die USA sind momentan überall verteilt und im Einsatz, im Innern aber brodelt es wie schon seit langem nicht mehr. In Alabama wurde jetzt das Zeigen der Konföderiertenflagge durch Washington verboten, die Milizen rüsten auf, die soziale Lage ist schlimm, die Energieversorgung ist nicht mehr gesichert, die Firmen kollabieren wie die Fliegen und der Staatshaushalt sieht mehr als düster aus, im Krieg gegen die Terroristen sind kaum Erfolge zu verbuchen, und auch sonst sieht es nicht gut aus. Die USA stehen vor Zerreißproben, ecken überall an, kriegen militärisch keinen Fuß auf den Boden, weil Powell schlicht und einfach unfähig ist, Bush ist auch nicht überall beliebt, und mit Europa kommt man auch nicht so klar. In der Frage des Nahen Ostens gibt es nur das ständige Tauziehen zwischen den Öl-Interessen und dem Erhalt des westlichen Vorpostens im Nahen Osten, Israel.
Siehst Du, BW, die Lagen in den USA und in Rußland sind nicht so sehr voneinander verschieden. Mit einem ganz gewaltigen Unterschied: die Amis müssten die Demokratie verlernen und die Russen wollen sie gar nicht erst zulassen. Mit allen daraus resultierenden Konsequenzen.
>12. Die wirtschaftliche Lage im Westen destabilisiert sich immer mehr. Der Euro ist ein Teuro, die Banco den Santander und JP Morgan haben große Probleme, sehr große Firmen kollabieren, es kommt zur Massenarbeitslosigkeit, nicht nur in Deutschland, das soziale Netz reißt, und die Stimmung eh überall immer mieser wird. Das destabilisiert natürlich, und in einigen Prophezeiungen ist auch von Bürgerkriegen im Westen die Rede.
>Daraus folgt, daß es eigentlich keinen Weg um den Angriff aus dem Osten herum gibt.Genau das ist der Trugschluß. Egal, was vor Jahrzehnten ein hinterwäldnerischer Oberbayer "gesehen" hat. Egal auch, ob er heute als der Guru der europäischen Seher gilt.
Es ist Spinnerei. Warum sollten die Russen militärisch in Länder einfallen, die sich ihnen über die Osterweiterung der NATO kampflos in die Hände geben? Warum sollten sie als Okkupanten kommen, wenn sie auch politisch ihre Ziele erreichen können? In dem Augenblick, in dem die USA mit der NATO brechen, haben die Russen ihre Ziele kampflos erreicht. Die Regierungen sind oder werden erst links, dann sozialistisch, dann prokommunistisch etc. Wenn es Aufstände gibt, und die wird es geben, bis hin zu Bürgerkriegen, dann kümmern sich die Streitkräfte dieser Länder selbst um die Niederschlagung. Die Russen werden politisch gewinnen, haben sie ja schon fast.
Warum also sollten sie es militärisch tun?Freundlichst, Arkomedt.
- Von Hazardeuren und Schachspielern Badland Warrior 07.7.2002 11:04 (0)