Re: Bitte nicht Mundarten und Lesarten verwechseln

Geschrieben von Theo Stuss am 07. Juni 2002 15:26:35:

Als Antwort auf: Yesss nur einen Kuran .... geschrieben von Istanbulian am 07. Juni 2002 13:28:53:

Hallo Instanbullian,


daß es viele arabische Dialekte, die auch unterschiedlich geschrieben werden, ist natürlich nicht verwunderlich. Hier geht es aber um Handschriften und die ältesten Handschriften scheinen keine Punktationen zu besitzen, erst recht nicht die diakritischen.

Die Punktationen wurden also erst lange nach dem Propheten, so scheint es, nachgeholt. Dabei wurden nicht nur Vokale eingefügt, wie im Masoretentext der Rabbiner, sondern eben auch Konsonanten eindeutig gemacht.

Das geschah ganz unabhängig von landesüblichen Dialekten und war eine Sache der jeweiligen Schule und zuweilen auch der rätselratenden Willkür. Angebliche Aussagen des Propheten konnten so nach Bedarf leicht konstruiert und in den Text eingeschoben werden.

Vor einigen Wochen habe ich noch einen Kopten befragt, was er von dem Arabisch des Kuran hält. Er bestätigte die Sichtweise Luxenbergs, daß ein semantischer Sinn vieler Kuranstellen im Dunklen bleibt und er ergänzte:"Viele Moslems wissen das". Unabhängig davon, ob man dem Koran zustimmt oder nicht, fehlt oft die Kohärenz des textlichen Aufbaus, die eine Auseinandersetzung mit dem Text überhaupt erst ermögliche würde.

Hier liegt auch der Grund, warum die arabischen Moslems eine Übersetzung des Kurans nicht wünschen. Sie sind dazu nicht in der Lage, weil ihnen der Sinn des Textes auch nicht einleuchtet. Dieses Problem betrifft also nicht nur die apokryphen Lesarten des Kuran, sondern auch die kanonischen, vielleicht letztere erst recht.

Es gibt mitunter solche Stellen auch in der Bibel, aber nicht in dieser Häufigkeit. Außerdem legen wir uns über das Problem Rechenschaft ab, weswegen es auch ein umfangreiches Handschriftenstudium gibt. Wenn es jemals nur einen Kuran gegeben hat, dann scheint ihn heute keiner mehr zu kennen.

Gruß,

Theo.

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