Strategischer Hintergrund der Kursk-Katastrophe

Geschrieben von Klaus am 20. September 2000 17:20:56:

Ein Artikel der neue Aspekte zum Thema kursk enthalten die fuer euch sicher auch nicht uninteressant sind...
(falls ihr den Artikel nicht ohnehin schon kennt ;-)

Aus der Neuen Solidarität Nr. 38/2000:

Der strategische Hintergrund
der Kursk-Tragödie

Rußland. Einen Monat nach dem Untergang des Atom-U-Boots "Kursk" wird der strategische
Kontext dieser Katastrophe immer deutlicher. So enthüllte ein hoher russischer Militär, daß
Putin von dem Unglück zuerst in einem Telefonat mit Präsident Clinton erfuhr.


Ein Vizeadmiral enthüllt brisante Informationen


Rußlands Staatspräsident Wladimir Putin und mehrere hochrangige russische Militärs haben mit jüngsten Äußerungen
die Analyse bestätigt, die Lyndon LaRouche und diese Zeitung von Anfang an vertreten haben: Im Zusammenhang mit
dem Untergang des russischen Atom-U-Bootes Kursk am 12. August kam es zu einer globalstrategischen Krise, auch
wenn dies von der Presse und den führenden Institutionen im Westen bisher hysterisch abgestritten wird.

Am aufschlußreichsten waren die Äußerungen des russischen Präsidenten in einem Exklusivinterview mit Larry King
am 8. September im CNN-Fernsehen, in dem es über weite Teile um die Kursk-Affäre ging. Putin faßte seine
Bemerkungen zwar in gewundene diplomatische Sprache - was angesichts vertraulicher Absprachen zwischen der
russischen und der amerikanischen Regierung in der Angelegenheit kein Wunder ist - , mischte aber einige
entscheidende Formulierungen darunter, deren Bedeutung für jeden halbwegs Informierten unmißverständlich war.

Auf Larry Kings erste Frage zu dem Untergang der Kursk antwortete Putin zunächst: "Leider können wir Ihnen heute
nicht viel über die Ursachen dieser Tragödie sagen..." Doch später in der Sendung fügte er plötzlich hinzu: "Dies war
nicht der erste Zwischenfall dieser Art... Zu den Gründen, warum es geschah, könnte ich vielleicht sagen, daß es seit
1967 19 Kollisionen unserer U-Boote mit anderen Unterwasserobjekten gegeben hat. In dieser Hinsicht ist also nichts
Außergewöhnliches geschehen." Putin erläuterte den Ausdruck "andere Unterwasserobjekte" nicht näher, aber seine
Formulierung ähnelt den Stellungnahmen von Verteidigungsminister Sergejew und anderen hochrangigen russischen
Militärs über die lange Liste von Kollisions-"Unfällen" zwischen amerikanischen und russischen U-Booten in dem von
Putin genannten Zeitraum.

In die gleiche Richtung hatte sich auch der stellvertretende russische Generalstabschef Walerij Manilow am 5.
September geäußert. Er sprach von "konkreten Beweisen" für eine Kollision als Ursache der Kursk-Tragödie; u.a. habe
man in der Nähe des Wracks der Kursk auf dem Meeresboden Teile eines ausländischen U-Boots gefunden.

In seinem CNN-Interview verwies Putin außerdem auf seine direkten Konsultationen mit Präsident Clinton
unmittelbar nach dem Zwischenfall und erklärte (wiederum in sehr überlegt gewählten Worten): "Ich und Präsident
Clinton sprechen über eine Vielzahl von Fragen, und ich bin ihm sehr dankbar, daß er schnell auf diese Tragödie
reagierte, sein Mitgefühl ausdrückte und gleich in unserem ersten Telefongespräch seine Hilfe anbot, was bestätigt,
daß diese Frage auch in der Zukunft auf unserer Tagesordnung stehen wird." Und er fügte hinzu: "Eine gründliche
Analyse ist zwingend geboten. Vielleicht muß auch gemeinsam mit unseren Partnern ein wirksamerer
Verhaltenskodex auf See ausgearbeitet werden."

Wie oft bei geschulten Experten wie Putin drückt die übertriebene Kühle, mit der er über die Tragödie sprach - man
bedenke die Formulierung "nichts Außergewöhnliches ist geschehen"! - genau das Gegenteil aus: Die Lage am 12.
August und in den Tagen danach war extrem brisant und gefährlich. Man erinnere sich, daß:

1. der Untergang der Kursk ein in Jalta am 18.-19. August geplantes Gipfeltreffen von GUS-Führern verhinderte, auf
dem Fragen von "vitaler militärstrategischer Bedeutung" diskutiert werden sollten;

2. gegen Putin selbst, wie jetzt offiziell bestätigt wurde, am 18. August auf Jalta ein Mordanschlag geplant war;

3. am 31. August ein weiterer Mordanschlag gegen Putin versucht wurde;

4. in der Nacht des 11. September, fast genau einen Monat nach dem Kursk-Desaster, noch ein Mordanschlag auf Putin
verübt wurde, als auf einer Moskauer Hauptstraße ein Wagen mit hoher Geschwindigkeit auf den Präsidentenkonvoi
zuraste. Berichten zufolge beschossen Putins Sicherheitsleute den Wagen, bevor dieser mit einem der schweren
Begleitfahrzeuge kollidierte und es zum Umstürzen brachte.

Ein Vizeadmiral enthüllt brisante Informationen

Ganz neues Licht fiel auf Putins Bemerkungen und die ganze Kursk-Affäre durch zwei ungewöhnliche Artikel von
Vizeadmiral a.D. Walerij Aleksin in der Nesawissimaja Gaseta vom 12. und 13. September. Aleksin, ein führender
U-Boot-Experte und früherer ranghoher Offizier der sowjetischen und russischen Marine, analysierte die Ereignisse
auf der Kursk vor dem Hintergrund umfangreicher, bisher unveröffentlichter Darstellungen früherer Kollisionen
zwischen russischen und amerikanischen U-Booten. Außerdem verwies er auf "neue Informationen über die Lage in
dem Seegebiet, wo die taktischen Übungen der Nordmeerflotte abgehalten wurden, über den Zustand der Kursk selbst
und über die Reaktion bestimmter ausländischer Offizieller und offizieller Institutionen".

Inmitten seiner Ausführungen enthüllte Aleksin die folgende Sensation: Putin habe vom Untergang der Kursk zuerst
in einem Telefongespräch mit US-Präsident Clinton erfahren, noch bevor die russische Marineführung davon wußte.
Aleksin spricht hier von einer engen Parallele zwischen den Umständen der Kursk-Tragödie und der strategischen
Krise im Herbst 1986. Bei dem ernsten strategischen Konflikt zwischen den USA und der Sowjetunion 1986 hatte
Lyndon LaRouche eine Schlüsselrolle gespielt.

Am 3. Oktober 1986 brach an Bord des im Atlantik kreuzenden sowjetischen Atom-U-Boots K-219 Feuer aus. Nach
Darstellung von Aleksin war die Ursache des Brands eine Unterwasserkollision mit einem amerikanischen
Atom-U-Boot der Los-Angeles-Klasse, bei der die Luke eines Raketenrohrs der K-219 abriß und dann die darin
steckende Rakete implodierte und Feuer fing. Aleksin schreibt weiter:

"Der damalige Sowjetführer Michail Gorbatschow erfuhr zuerst von diesem Zwischenfall durch ein Telefongespräch
mit US-Präsident Ronald Reagan noch vor dem sowjetischen Verteidigungsminister und dem
Marineoberkommandierenden und sogar noch vor dem Eingang des Berichts vom Kommandanten der K-219 über den
Unfall auf dem Atom-U-Boot. Wir bitten die Leser, auf diesen Umstand besonders zu achten, denn er sollte sich im
August 2000 wiederholen."

Anschließend gibt Aleksin eine detaillierte technische Darstellung der Kollision der Kursk mit einem
amerikanischen oder britischen U-Boot während der Seemanöver am 12. August 2000, durch die ein Torpedo an Bord
der Kursk explodierte und das U-Boot auf dem Meeresgrund aufschlug (siehe dazu den gesonderten Artikel), und
schreibt dann:

"Jetzt sollte man noch einmal an Ronald Reagans Telefongespräch mit Michail Gorbatschow vom 3. Oktober 1986
erinnern. Ähnlich rief Bill Clinton Wladimir Putin am 13. August 2000 an. Der Inhalt ihres Gesprächs ist zwar
unbekannt, aber zwei Tage später hielt sich der Direktor der CIA inkognito in Moskau auf. Wie ein Boulevardblatt
schrieb, bezahlte ein hochrangiger SVR-Offizier mit seinem Job dafür, daß dieser Besuch bekannt wurde. Fast
unmittelbar nach diesem Gespräch und Besuch kündigte Bill Clinton an, er werde die Anordnung zur Errichtung des
NMD [des geplanten amerikanischen Raketenabwehrsystems] nicht unterzeichnen, gegen die sich Rußland in diesem
Jahr so vehement gewehrt hatte. Ist das nicht merkwürdig?"

Natürlich sagt Aleksin damit indirekt, daß Clinton vom Untergang der Kursk wußte, weil ein amerikanisches (oder
britisches) U-Boot an dem Zwischenfall beteiligt war, und er sich dringend mit Putin in Verbindung setzte, um eine
Eskalation der Ereignisse zu verhindern. Es wurde eine Vereinbarung erzielt, im Rahmen derer die USA Konzessionen
und Entschädigung anboten.

Entsprechende Äußerungen sind in mehreren russischen Pressekommentaren der letzten Woche erschienen.

Es sei hier daran erinnert, daß der Kursk-Zwischenfall am Vorabend des Nominierungskonvents der Demokratischen
Partei stattfand und die politische Wirkung dramatisch gewesen wäre, wenn die ganzen Umstände der Affäre
öffentlich bekannt geworden wären. Ohne daß Lyndon LaRouche persönlich auf dem Konvent anwesend war, war seine
Opposition zu Al Gore dort fern von der Öffentlichkeit die am heißesten debattierte Frage.

Nicht zufällig stand LaRouche als geistiger Autor der von Reagan beschlossenen Strategischen
Verteidigungsinitiative (SDI) auch im Mittelpunkt des strategischen Konflikts vom Herbst 1986. Die sowjetische
Führung hatte zuvor ganz offen auf den Seiten von Iswestija und Prawda verlangt, die Reagan-Administration
müsse "etwas gegen LaRouche unternehmen" - eine Forderung, die gleichzeitig auch von LaRouches Feinden im
angloamerikanischen "Establishment" erhoben wurde. Nur drei Tage nach der U-Boot-Kollision am 3. Oktober und
Reagans Nottelefonat mit Gorbatschow überfiel ein Heer von 300 FBI-Agenten den Hauptsitz mehrerer mit LaRouche
zusammenhängender Organisationen in Leesburg (Virginia) in dem offensichtlichen Versuch, LaRouches Bewegung zu
zerschlagen. Anschließend wurden Schritte eingeleitet, um LaRouche und mehrere seiner Mitarbeiter ins Gefängnis zu
bringen. Als das FBI letzte Vorbereitungen für die Razzia traf, war Reagan auf dem Weg zu seinem Gipfeltreffen mit
Gorbatschow in Reykjavik.

Wir verweisen auf diese Ereignisse von 1986 und 2000 nicht, um irgendeinen mechanistischen Zusammenhang
zwischen ihnen nahezulegen. Wir wollen daran lediglich verdeutlichen, daß U-Boot-Unglücke wie das der Kursk
immer in einem größeren strategischen Rahmen betrachtet werden müssen. Aleksin selbst stellt eine solche
Beziehung her, wenn er schreibt: "Interessant ist, daß die Mehrzahl der 20 dokumentierten Kollisionen in Jahren
erhöhter internationaler Spannungen erfolgten: 1968-1970, 1979-1981, 1983, 1986."
Dr. Jonathan Tennenbaum

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