Noch eine Bedrohung ???
Geschrieben von Lea am 04. Mai 2002 14:25:02:
Wenn morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen."
Martin Luther----------------------------
Die Apokalypse ist dem Menschen Anfang des 21. Jahrhunderts wohl vertraut. Das Weltenende naht wechselweise in Gestalt von Überbevölkerung, Rohstoffknappheit, Atomkrieg oder radioaktiver Verseuchung. Manche Klimaforscher fürchten das Dämmern einer neuen Eiszeit, andere sehen die Erde im Schwitzkasten menschengemachter Treibhausgase. Wieder andere sorgen sich, kosmische Mächte könnten die Erde als eine Art Dartscheibe nutzen: Meteoritenbeschuss aus dem All, so warnen sie, droht dem Menschen den Garaus zu machen wie einst den Dinosauriern.
Nun warten Forscher mit einer neuen Version des Weltuntergangs auf - und diese Variante hat es in sich. Treibhauseffekt und Ozonloch erscheinen gemessen daran wie milde Bagatellen, die sich die Menschheit geradezu herbeisehnen wird, wenn es einmal so weit ist. Und das könnte schon nächste Woche der Fall sein.
Es ist Zeit, Apfelbäumchen zu pflanzen.
Als Schauplatz der Globalkatastrophe haben Forscher ausgerechnet ein Idyll ausgemacht - den Yellowstone-Nationalpark im US-Bundesstaat Wyoming. Weltbekannt ist diese Landschaft mit ihren bizarren Felsformationen. Sie ist Heimat von Grizzlybären, Kojoten, Braunbären und natürlich von Geysiren. Drei Millionen Touristen strömen jedes Jahr in diese Wunderwelt. Die wenigsten ahnen ihr ungeheuerliches Geheimnis.
Der Yellowstone-Park, so haben Geologen nun erkannt, ist die wohl größte Zeitbombe der Erde. Unter der scheinbar intakten Landschaft braut sich Schreckliches zusammen. Der britische Forscher Bill McGuire vergleicht den Park mit dem brüchigen Deckel eines gigantischen Schnellkochtopfs. Darunter brodelt das vermutlich weltweit größte vulkanische System - ein Monstrum, das drauf und dran sein könnte, Amok zu laufen.
Der Yellowstone-Park besteht zum größten Teil aus einer Caldera. So nennen Geologen den Überrest eines eingestürzten Vulkans. Vor etwa 600 000 Jahren ist hier aus einem weit gedehnten unterirdischen Vulkangebäude sehr rasch eine gewaltige Menge Magma herausgeschleudert worden. Die entleerten Kammern wurden instabil, das Dach krachte ein. Seither ist die Yellowstone-Landschaft kesselförmig vertieft, doch die Mulde ist fast unsichtbar.
Lange hatten Forscher angenommen, dass die Geysire und heißen Quellen durch vulkanische Kräfte im Untergrund angetrieben werden. Ende der sechziger Jahre suchte auch der US-Forscher Robert Christiansen aus Kalifornien zu Fuß nach erodierten Kraterwänden. Doch er fand nichts - keinen Vulkan, keine Caldera.
Dann bekam er Satellitenbilder der Nasa zu Gesicht. Darauf offenbarte sich Christiansen die Caldera schon beim ersten Blick. Ihm wurde klar, dass ein Mensch auf der Erde den Krater gar nicht erkennen kann: Die Yellowstone-Caldera misst 70 Kilometer Länge und 30 Kilometer Breite und ist damit größer als manche Megastadt wie New York, Moskau oder London.
Die Vorgänge unter dem Yellowstone-Park sind nicht zu vergleichen mit denjenigen in der Magma-Kammer anderer Vulkane, des Vesuv etwa oder des Pinatubo. Ein Supervulkan ist eine Klasse für sich.
Machtvoll wie an kaum einem anderen Ort der Welt drängt hier die Glut des Erdinneren nach oben. Zur Zeitbombe aber macht den Yellowstone-Park erst ein anderes Phänomen: Das Magma bahnt sich nicht, wie bei anderen Vulkanen, einen direkten Weg an die Oberfläche. Es verfängt sich vielmehr in der oberen Kruste. Hier schmilzt es immer mehr Gestein auf. Deshalb schwillt das verflüssigte Material in der Magma-Kammer jahrtausendelang an.
In dieser Kammer herrscht das Inferno selbst. Der zähflüssige Gesteinsbrei darin ist unentwegt in Bewegung. Immer weiter wird die Erdkruste Richtung Oberfläche aufgeschmolzen. Die Kruste wird dünner und dünner, während stark komprimierte Gase in dem Magma nach oben drängen. Risse bilden sich im Gestein darüber. Irgendwann könnte ein Riss die Magma-Kammer erreichen - dann entlädt sich der Hitzestau mit apokalyptischer Kraft. Lava und Asche schießen in einer feurigen Fontäne in den Himmel.
Von den gewöhnlichen Vulkanen brechen jedes Jahr etwa 50 aus. Zurzeit etwa spuckt der Ätna auf Sizilien, ohne größeren Schaden anzurichten. Mitunter können selbst solche Eruptionen weltumspannende Folgen haben. Als 1991 der Pinatubo auf den Philippinen explodierte und Asche bis in die Stratosphäre schleuderte, sank die Erdtemperatur in den beiden Jahren darauf um 0,5 Grad Celsius. Als der indonesische Tambora 1815 auseinander brach, kam es zu einer weltweiten Kälteperiode. Die mittlere Temperatur in Europa sank um bis zu 2,5 Grad. Im Sommer 1816 schneite es in den USA. Die Jahre bis 1819 zählten auf der Nordhalbkugel zu den kältesten der letzten Jahrhunderte.
Doch selbst der Tambora ist ein Winzling, verglichen mit einem Supervulkan. Die Eruption eines solchen Giganten hat noch kein (moderner) Mensch gesehen. Der letzte war der Toba auf Sumatra - er explodierte in einem gigantischen Feuerball vor etwa 74 000 Jahren und hinterließ den Toba-See, eine Caldera von 100 Kilometer Länge und 60 Kilometer Breite.
Die Stratosphäre verwandelte sich in einen Ascheschleier. "Nirgendwo auf der Welt", beteuert McGuire, könne man sich davor verstecken. "Es gleicht einem nuklearen Winter, nur ohne Radioaktivität."
Der Kalifornier Christiansen hat sich im Yellowstone-Park auf Spuren früherer Superausbrüche begeben. Er stieß dabei auf meterdicke Schichten alter, erhärteter Vulkanasche.
Drei verschiedene Phasen konnte Christiansen unterscheiden: die Asche von drei unvorstellbar gewaltigen Eruptionen, von denen jede zur Bildung einer Caldera führte. Christiansen ließ die Fundstücke datieren - mit verblüffendem Resultat.
Der erste Einbruchskrater, so zeigte sich, ist etwa 2 Millionen Jahre alt. Der zweite entstand vor 1,3 Millionen Jahren. Die dritte, heute noch auf Satellitenbildern sichtbare Caldera tat sich vor 630 000 Jahren auf. "Wir waren ziemlich überrascht", berichtet Christiansen, "als wir feststellten, dass diese Caldera-bildenden Eruptionen einen Zyklus aufweisen. Es geschieht etwa alle 600 000 Jahre."
Damit, so fürchten manche Forscher, ist eine neue Riesen-Eruption im Yellowstone-Nationalpark überfällig.
Hinzu kommt, dass der Boden unter dem Yellowstone zu atmen scheint. Robert Smith von der University of Utah hat die Bodenhöhe im Park an mehreren Stellen exakt vermessen und diese Ergebnisse verglichen mit einer Erhebung von 1923. Das Ergebnis: Der Park bewegt sich.
Von 1923 bis 1985 ist er um 74 Zentimeter angestiegen. Bis 1995 ist er wieder etwas abgefallen, zum Teil sogar um eine Schrägachse gekippt. Seitdem wölbt sich die Caldera wieder auf. Nur eine wirklich riesenhafte Magma-Kammer, dachte Smith, kann einen solchen Effekt haben.
Durch verschiedene indirekte Tests haben Forscher viel über dieses Reservoir der Tiefe herausfinden können. Die wertvollste Quelle für Informationen sind dabei Erdbeben.
Im Park sind 22 seismografische Stationen verteilt, die jede winzige Erschütterung der Caldera, aber auch jedes Erdbeben weltweit registrieren. Hunderte meist winzige Erdstöße ereignen sich jedes Jahr allein unter dem Yellowstone-Park, immer wieder sind auch heftige Stöße dabei, zum Beispiel 1959, als ein Beben der Stärke 7,5 die oberste Kruste zwischen Magma und Oberfläche durchrüttelte.
Die Schallwellen dieser Beben werden von den Messstationen genau aufgezeichnet. Dabei machen sich die Forscher zu Nutze, dass die Schallwellen unterschiedlich schnell sind, je nachdem, welches Material sie durchlaufen. Als Smith genügend Erdstöße vermessen, die Laufzeiten der Schallwellen analysiert und seine Daten dann zusammengesetzt hatte, erschauderte er: Die Magma-Kammer ist mindestens 40 bis 50 Kilometer lang, etwa 20 Kilometer breit und 10 Kilometer dick.
Nach bisherigem Wissensstand muss das dunkle Basaltmagma mit hellerem, aufgeschmolzenen Krustenmaterial durchmischt sein. Der Inhalt der Kammer ist deshalb weit weniger flüssig als das Magma, das gegenwärtig die Hänge des Ätna herunterkriecht.
Die Kenntnis der Forscher über den Yellowstone-Supervulkan reicht allerdings noch immer nicht aus, um die entscheidende Frage zu beantworten: Wann bricht er das nächste Mal aus? Indizien für eine direkt bevorstehende Katastrophe gibt es nicht. Doch bei Zyklen, die 600 000 Jahre dauern, ist es für Forscher kaum möglich zu entscheiden, ob sie den Anfang oder das Ende einer Entwicklung beobachten.
Sicher ist nur: Der Yellowstone-Supervulkan wird ausbrechen. Und wenn das geschieht, könnte er die Toba-Supereruption auf Sumatra vor 74 000 Jahren an zerstörerischer Wucht sogar noch übertrumpfen.
Damals, so schätzt Michael Rampino von der Columbia University, schleuderte der Berg 3000 Kubikkilometer Material hervor - mehr als zehntausendmal so viel wie beim Ausbruch des Mount St. Helen 1980. Asche und Schwefelverbindungen in der Stratosphäre kühlten das Weltklima vermutlich um rund fünf Grad ab. Ein solcher Temperatursturz würde Westeuropa sibirische Verhältnisse bescheren.
Als der Toba in die Luft ging, hatte sich aus den Urmenschen bereits der moderne Homo sapiens entwickelt. Die Menschen lebten in kleinen Gruppen als Jäger und Sammler - dann wurden sie Opfer des Toba.
Tatsächlich zeigen genetische Studien, dass es in der Menschheitsgeschichte mindestens einmal eine große Krise gab, in der der Mensch auf der Kippe zur Ausrottung stand. Lynn Jorde von der University of Utah hat versucht, diesen Moment mit Hilfe von Genanalysen möglichst exakt zu bestimmen. Sein Ergebnis: Das große Menschensterben hat vor etwa 70 000 bis 80 000 Jahren eingesetzt. Die Menschheit wurde laut Jorde damals dezimiert auf "fünf-, vielleicht zehntausend Individuen". Der Archäologe Stan Ambrose von der University of Illinois hält es für möglich, dass der Ausbruch des Toba der Auslöser für den plötzlichen Niedergang des Menschen war.
Der Yellowstone-Park könnte ähnliche Folgen zeitigen, wenn er in die Luft ginge. Asche würde über tausende von Kilometern das Land bedecken wie eine Schneeschicht. Frostige Temperaturen ließen das Korn nicht mehr reifen. Womöglich fielen mehrere Jahre lang weltweit die meisten Ernten aus.
Als kürzlich das britische BBC-Fernsehen über die Zeitbombe Yellowstone berichtete, hat die Geological Society des Königreichs sogleich das Parlament gewarnt. Angesichts der nicht auszuschließenden Katastrophe sei es notwendig, schon jetzt Notfallpläne zu erarbeiten für den Fall eines "vulkanischen Winters". MARCO EVERS
Originaltext
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