Re: aeh ... latein hab ich nie gehabt

Geschrieben von vertex am 07. März 2002 13:57:06:

Als Antwort auf: De gustibus non est disputandum geschrieben von franke43 am 07. März 2002 07:56:44:

hallo!

danke fuer die interessante antwort, und ich hoff, die off-topic-diskussion stoert niemanden, aber musik gehoert ja auch irgendwie zum aktuellen weltgeschehen :-)

>Was ich gemeint habe, sind diejenigen, die in der Populärmusik
>derzeit grossen finanziellen Erfolg haben. Hier vermisse ich eine
>vernünftige Kopplung zwischen solidem musikalischem Können
>einerseits und dem grossen Erfolg beim Publikum und auch finanziell
>andererseits.

das stimmt, dann sind wir ja eh einer meinung. sorry, dass ich da so vorschnell vor mich hin geschrieben hab.

>Diese einfallsreicheren Leute sind aber nicht die, die den Erfolg
>und das Geld haben. Schlussfolgerung: Phantasie und Können wird eben
>NICHT belohnt.

du sagst es.

>Das ist auch Quatsch. Auch in der Klassik gibt es massig andere Formen
>als Orchestermusik. Selber höre ich öfters nicht nur Symphonien,
>sondern auch Streichquartette von z.B. Haydn, den Du weiter unten
>auch erwähnt hast.

ja, ich weiss, ich habe mich ja auch ein wenig (allerdings nur ziemlich oberflaechlich) damit auseinandergesetzt und haette deshalb eigentlich begonnen, den begriff 'klassik' zu vermeiden, da er ja innerhalb dieser musik nur fuer eine bestimmte zeitepoche steht - oder hab ich das falsch verstanden?

>- Die Verengung auf Musik nur noch mit Gesang. Sofern man das hysterische
> Geschrei oder Gebrabbel (bei HipHop) als Gesang gelten lässt. Musik ohne
> Gesang, sogenannte absolute Musik, ist ausgestorben.

ja, das ist echt schade. allerdings muss erwaehnt werden, dass es v.a. in der elektronischen musik viele musiker gibt, die ausschliesslich instrumentale musik produzieren und es damit zu einer gewissen popularitaet bringen (z.b. aphex twin, saafi brothers).

>- Die Verengung auf Lautstärke. Alles ist nur noch fortissimissimo,
> also so laut wie irgend möglich. Dynamische Abstufungen von pp bis
> ff sind völlig weg.

das hat - denke ich - den grund, dass ja heutzutage nur mehr 3'30 min musikportionen auf strophe-refrain-basis produziert werden. da ist kein platz fuer dynamik. nebenbei gilt beim abmischen fuer populaer-musik: komprimieren, komprimieren, komprimieren. fuer klassische musik hingegen ist ein kompressor eine todsuende. es gibt da einige tricks, um die lautheit zu steigern und die gehen eben alle auf kosten der dynamik und bestimmter frequenzbaender, allerdings ist der durchschnittliche musikkonsument nicht (mehr) in der lage, das wahrzunehmen. allerdings ist es z.b. bei rock- und metalproduktionen nicht so wichtig, einen umfassenden dynamikbereich zu haben. dafuer ist naemlich der schlagzeuger da.

>- Die Verengung auf den massiven Einsatz elektronischer Hilfsmittel.
> Die meisten Stücke heute könnten die Interpreten heute ohne Steckdose
> gar nicht mehr spielen.

ja. da muss ich - als elektronischer musiker - aber einwenden, dass es eben gerade die experimentelle elektronische musik ist, die sich ganz stark vom strophe-refrain-charakter und von den 0815-akkorden distanziert. ich moecht da die elektronische musik nicht als die super-duper-musikrichtung darstellen, aber da passiert abseits der charts doch viel interessantes.

>- Die Verengung auf ein Einheitstempo. Weg ist die frühere Differenzierung
> von LArgo bis Prestissimo.

das ist produktionstechnisch gar nicht mal so einfach, mit tempi-wechseln zu arbeiten. aber, wie schon erwaehnt: in 3'30 ist nicht viel platz fuer viel dynamik.

>- Die Verengung auf den "Viertaktmotor". Alle ungeraden Taktmasse sind
> weg, es gibt nur noch den Viervierteltakt.

es gibt die deutsche metal-band surrogat, die ausschliesslich ungerade takte verwendet und staendig zwischen verschiedenen metren wechselt oder am ende eines refrains einen zusaetzlichen takt einfuegt. leider sind sie so ziemlich die einzigen - und du kannst dir vorstellen, wie bekannt die sind. naemlich so gut wie ueberhaupt nicht. allerdings muss ich sagen, dass fuer eine produktion, die auf der tanzflaeche funktionieren soll viervierteltakt und ein konstantes tempo fast voraussetzung sind. das geht jetzt aber dann in den dj-bereich, und das ist m.e. etwas voellig eigenstaendiges.

>- Die Verengung auf eine äusserst ungünstige, weil nicht sehr klangvolle
> Musiksprache. Amerikanisches Englisch ist aus musikalischer Hinsicht
> (Sprachmelodie) alles andere als die Optimallösung. Die war stattdessen
> Italienisch.

*lach*
ja, darueber hab ich schon oft diskutiert. allerdings ist mir persoenlich instrumental immer noch am liebsten. das versteht auch jeder, egal, welche sprache er spricht.

>- Die harmonische Verengung. Zwar werden ausser den Hauptdreiklängen
> der Kadenz durchaus auch Nebentonarten mitverwendet, auch Dur/Moll-
> parallelität und Medianten kommen durchaus mal vor. Aber die harmonische
> Entwicklung in den Stücken mit längerem Ausweichen auf andere Haupt-
> tonarten und längere Modulationen sind auch völlig weg.

hast du weiterfuehrende urls zu dem thema? kompositorisch bin ich naemlich noch eine ziemliche niete, das waere eigentlich das themengebiet, das ich mir fuer die naechste zeit so vorgenommen hab, nachdem das abmischen schon ganz gut hinhaut. naja. wuerd mich freuen.

>Das ist so meine Hauptkritik an den Musikrichtungen, mit denen
>heute das grosse Geld verdient wird. Gegen die Nischenleute habe ich
>nichts, gerade denen würde ich einen grösseren Anteil am Erfolg
>wünschen.

da kann ich mich im grossen und ganzen auch nur anschliessen.

>Vielleicht sollte ich Dir mal vorspielen.

:-)
ob sich das geographisch machen laesst?

>Nun war ja gerade Haydn der Meinung, Musik wäre NICHT dafür da, um
>Gefühle zu transportieren. Das hat er jedenfalls seinem Schüler
>Beethoven gegenüber einmal geäussert. Nach Haydns Meinung sollte
>die Musik ein Abbild des kosmischen Ordnungszustands sein, also
>nicht dionysisch, sondern apollinisch.

ah! das ist mir mal aufgefallen: welcher musiker wuerde denn heute eine messe schreiben? da gibt's nicht viele. und da liegt glaub ich der groesste unterschied: frueher haben die komponisten ein werk erschaffen, heute covern sie die hits aus den 80ern ... sie haben es frueher im hinblick auf den chef gemacht, heute sind sie nur mehr auf die top 10 aus. so kann es auch keine inspiration geben.

>Die Beatles waren der grosse kreative Sonderfall, die Stilbildner,
>diejenigen, von deren Phantasie dann die anderen gelebt haben.
>Bei denen findet man leise Töne, Dreitakt (Norwegian Wood),
>komplizierte Akkordfolgen (Michelle) ...

deshalb hab ich sie auch erwaehnt. aber es ist immer dasselbe: eine band, die etwas eigenes macht, etwas innovatives, das sich zufaellig auch noch verkaufen laesst, wird dann bis zum erbrechen kopiert.

>>--------
>Schon. Die erste Revolution des Menschen gegen die natürliche Ordnung
>war die Zähmung des Feuers. Die zweite Revolution war der Übergang
>vom Dasein als Jäger und Sammler zum Ackerbauern und Viehhirten.
>Aber das sind Beruyfe, die noch mit der primären Erzeugung des
>Lebensnotwendigen zu tun haben, also unverzichtbar.
>Aber muss es Schaufenster und Schaufensterdekorateure geben ?

ja, da stimme ich zu. ich habe das in meiner antwort an teutone bereits geschildert. hab gestern naemlich meinen wichtigtuer-tag gehabt und deshalb die 'kunstlichen' arbeisplaetze in 'redundante' umbenannt ;-)

lg
vertex
hoffentlich bald kein amateurmusiker mehr

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