Ist die kommunistische Langzeitstrategie noch plausibel?
Geschrieben von warlord am 20. Dezember 2005 17:17:52:
Hallo Forum!
Gestern war in den internationalen Presseagenturen zu lesen, dass das chinesische Wirtschaftswachstum für das Jahr 2004 nicht wie bisher 8,5% sondern um 16,8% gewachsen ist. Für 2005 dürften ähnliche hohe Wachstumszahlen realistisch sein. Sollten diese Zahlen stimmen wäre dies ein phänomenaler Wert und würde beweisen wie stark die Chinesen schon sind und bald an die Weltspitze vorstossen dürften. Verglichen damit sind die Wachstumszahlen in Europa und den USA sehr mager und einige Länder in Europa schrammen hart am Staatsbankrott vorbei (z.B. Italien).
Die Rotchinesen wären schon dumm wenn sie sich diese wirtschaftliche dyanmische Entwicklung dadurch kaputt machen zu lassen, indem sie sich in einen Weltkrieg verwickeln lassen. Für Russland gilt das gleiche. Durch Gazprom hat Russland die wirtschaftliche Entwicklung durch die Kontrolle von Öl und Erdgaslieferungen in ganz Europa in seiner Hand. Warum sollte man sich diese günstige Position durch einen Krieg und Angriff gegen Europa kaputt machen lassen? Das ist nicht erklärbar.
In Lateinamerika erleben augenblicklich wir eine linke Wende und die Mehrheit der lateinamerikanischen Regierungen sind politisch links angesiedelt und stark antiamerikanisch gesinnt. Angefangen von Hugo Chavez in Venezuela. Auch in Bolivien wurde vor wenigen der Kandidat politischen Linken, der erste Eingeborene Indio zum neuen Regierungschef gewählt. In Chile wird aller Voraussicht nach die Sozialistin Michelle Bachelet die Regierungsmacht erringen können. In Brasilien ist durch Lola da Silva ein Linkspolitiker an der Macht. Das sind ganz große und wichtige politische Umwälzungen in Lateinamerika. Es wird zu Bodenreformen kommen wo die reiche Oberschicht in den lateinamerikanischen Staaten ihren Großgrundbesitz abgeben wird und er an die landlosen Indiobauern verteilt werden wird. Auch mit der Verstaatlichung der Ölindustrien nach dem Vorbild Venezuelas ist zu rechnen.
Damit sinkt die Einflussmöglichkeiten der USA in Lateinamerika immer stärker. Auch in Südostasien kommen die USA immer stärker ins Hintertreffen. Letzte Woche war in Südostasien eine große Konferenz wo alle Länder dieser Region (inkl. Japan und China) die Weichen für eine gemeinsame Wirtschaftsunion gestellt wurden. Die USA wurden auf dieser Konferenz gleich gar nicht mehr eingeladen, da die Länder Südostasiens keinerlei Bevormundung der USA mehr dulden wollen.
Für mich ist damit die kommunistische Langzeitstrategie auf militärischer Basis nicht länger plausibel da die Russen und Rotchinesen sich wirtschaftlich so gut entwickelt haben, dass das letzte was die beiden Länder brauchen können ein Welkrieg wäre. Der wirtschaftliche und politische Niedergang im Westen wird immer offensichtlicher. Die Russen und Rotchinesen müssen nur noch warten bis die Sozial- und Gesellschaftssysteme im Westen mangels finanzieller Mittel zusammenbrechen. Warum sollten die Russen und Rotchinesen also so dumm sein und einen Krieg vom Zaun brechen wenn durch die Globalisierung die Zeit für sie arbeitet. Wenn die Rotchinesen noch 5-10 Jahren ein annähernd hohes Wirtschaftswachstum durchhalten können,
Das Ungleichgewicht im Handel und dem Kapitalströmen zwischen USA und China sind in der Zwischenzeit so dramatisch, dass die USA immer stärker vom "goodwill" der
Die Industrie in den USA ist im Niedergang begriffen. Seit der Krise der US-Stahlindustrie in den 80er Jahren mit begann definitiv der wirtschaftliche Abstieg der USA. Die jüngste Pleite des Automobilzulieferers Delphi und die Krise der US-Automobilbauer General Motors und Ford sind das beste Beispiel dafür.
Auch Europa kommt nicht mehr aus der Krise heraus. Der politische und wirtschaftliche Zusammenschluss Europas und die Einführung der EURO-Einheitswährung können daran auch nichts mehr ändern sondern verzögern den Niedergang um einige Jahre aber nicht mehr.
In Österreich gibt es heuer wieder einen Pleitenrekord. In Deutschland wird die Lage auch nicht mehr besser. Der deutsche Elektronikkonzern AEG z.B. wird sein Werk in Nürnberg schliessen und nach Polen auslagern. Auch auf EU-Ebene stagniert die Situation, sowohl auf politischer als auch ökonomischer Ebene. Die offizielle Arbeitslosigkeit Die EU ist ein tönerner Koloss, der immer weniger handlungsfähig ist. Beim letzten EU-Budgetgipfel konnte ein Scheitern nur dadurch verhindert werden, dass einige Länder mehr in den EU-Topf einzahlten (und das auf kosten der Bürger im Land). Die großen Probleme in Europa können von dieser EU nicht mehr gelöst werden, das steht fest. In Europa steigt die Arbeitslosigkeit immer weiter und es werden nicht nur einfache Arbeiten sondern auch immer mehr Forschungstätigkeit und Spitzenjobs nach Asien ausgelagert. Indien ist das Eldorado.
Die Jugendkrawalle in Paris dürften erst der Anfang sein und es dürfte zu großen sozialen und gesellschaftlichen Spannungen in der Zukunft kommen.
Ein Buch zu diesem Thema, dass vor kurzem erschienen ist, ist das Buch "Die Stunde der Asiaten - Wie Europa verdrängt wird", von Jochen Buchsteiner, dem Asienkorrespondenten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). In diesem Buch wird recht eindrucksvoll geschildert, dass Europa und auch die USA gegenüber Asien, hier v.a. China immer stärker ins Hintertreffen gerät und Europa nur noch seinen eigenen Niedergang verwalten kann und ihn so sozial verträglich wie möglich gestaltet. China kann nicht nur in der Produktion sondern auch in der Forschung immer stärker Fuß fassen und Europa und die USA immer leichter verdrängen. Die westlichen Großkonzerne haben hier durch Verlagerung von Produktions und Forschungsstätten einen großen Anteil an dieser Entwicklung.
Die weltwirtschaftliche Entwicklung ist so stark im Umbruch begriffen, dass auch weltpoltisch sich eine vollkommen neue Situationen und Konstellationen ergibt und damit die kommunistische Langzeitstrategie obsolet wird. Die Russen und Rotchinesen müssen nur abwarten und zusehen wie sich der Westen ökonomisch und gesellschaftlich von selbst auflöst.
Für mich ist deshalb die Notwendigkeit einer kommunistische Langzeitstrategie nicht mehr länger gegeben, die den beruhte auf dem Konzept des "Täuschens und Tarnens". Dies war in den 50er und 60er Jahren deshalb notwendig da die Wirtschaftsysteme der beiden roten Riesenreiche wesentlich schwächer war als die Volkswirtschaften des Westens. Heute ist es umgekehrt. Der Osten entwickelt sich immer besser und im Westen beginnt der wirtschaftliche und gesellschaftliche Niedergang. Deshalb scheint mir die Notwendigkeit einer kommunistische Langzeitstrategie nicht mehr gegeben, da Russland und China mit offenen Karten spielen können.
Das einzige Land, dass augenblicklich einen Weltkrieg gut brauchen könnte indem lästige Konkurrenten zurückgestutzt oder gleich eleminiert werden würden (z.B. durch Nuklearwaffeneinsatz) wären die USA selbst. Für dieses Land wäre es am vorteilhaftesten wenn Russland, China und Europa in einem 3. Weltkrieg wirtschaftlich schwer geschädigt werden würden damit die USA noch einmal ihre wirtschaftliche und politische Vormachtstellung erhalten könnte. Das "Project for a new American Century" hat ja genau diese Zielsetzung, den Erhaltung der US-Vormacht zum Ziel.
Gruß
warlord
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