Re: Ein paar Überlegungen zur Kapitalismus/Kommunismus Diskussion
Geschrieben von Samnico am 25. Oktober 2005 09:36:18:
Als Antwort auf: Ein paar Überlegungen zur Kapitalismus/Kommunismus Diskussion geschrieben von Medicineman9 am 24. Oktober 2005 16:25:45:
>Hallo,
anstatt in die Zukunft zu blicken, kann man auch in die Vergangenheit schauen und sich überlegen, wie man reagiert hätte. Nimm den Nationalsozialismus und einen "durchblickenden Normalbürger" jener Zeit. Vorneweg...der Vater von Benedikt XVI sah mit der Machtübernahme der Nazis einen Krieg unweigerlich kommen und hat als Vorsorgereaktion sich ein Haus gekauft (jenes, welches jetzt verkauft wurde)
Zurück zu den Handlungsalternativen.
>a) das System noch länger am Leben zu erhalten
Ermöglicht persönlich ein relativ gutes Überleben. Es ist immer gut, wie die Fettaugen auf der Suppe obenauf zu schwimmen oder das Motto zu beherzigen "wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit". Einziges Problem könnte das "bohrende schlechte Gewissen" sein. Am besten ist Abschalten durch übermäßige Aktivität, Ehrgeiz, Erfolgsstreben, Erledigung wichtiger täglicher Aufgaben und ablenkender Konsum- und Vergnügungsaktivitäten, um so keine Zeit zum Nachdenken zu haben. Weniger gut - aber nur rein physisch- ist Betäubung z.B. mit Alkohol oder sonstigen "Völlereien".
"Mentale Umprogrammierung" durch psychologische Bewußtseinsarbeit wäre auch ein Weg aus diesem Dilemma. Heute wird z.T. auch blanker Zynismus als Lösung praktiziert (siehe Harald Schmidt als Paradebeispiel).Spirituell eine Zeit des Wartens und der Geduldsprüfung für den Erkennenden. Er muß es halt ertragen und aushalten, christlich gesprochen "sein persönliches, "kleines" Kreuz auf sich nehmen und ihm "gemäßigt" nachfolgen".
Der "ungeduldige Revolutionär" wird Öl ins Feuer gießen, um die Flamme schneller zum lodern und damit letztendlich zum Ausbrennen zu bringen, also das System besonders aktiv und nachhaltig stützen. Also das System ad absurdum treiben durch Außerachtlassung jeglicher Verhältnismäßigkeit. Also im Nationalsozialismus, Kriege, Säuberungen etc. mit Vehemenz vorantreiben. Oder heute, tägliche Fusionen bzw. aktive, leistungsorientierte Ausrichtung sämtlicher Lebensbereiche auf des Primat einer ökonomisch-effizienzorientierten Sichtweise durch eifrige Beteiligung am Qualifizierungs-Validierungs-Transparenz-Strukturreformenaktivismus. Immerhin wäre ein solcherart Handelnder nicht "lau", sondern "eiskalt" im Sinne eines "seid heiß oder kalt, aber nicht lau". Ein "advocatus diaboli", der nach außen ein 100%iger Systemfreund ist, aber als persönliche Antriebsturbine seinen verdeckten revolutionären Geist benutzt. Ist Ackermann (Chef der Dt. Bank) ein total raffgieriger Egoist oder einer, der durch sein übertrieben kapitalorientiertes Handeln langfristig einen Umsturz ermöglichen wird? Deshalb muß und wird über kurz oder lang eine Art "mindcontrolling" (Lügendetektor) erfolgen, um die wahre Gesinnung dieser Typen erkennen zu können. Pech nur, wenn sie gar keine Gesinnung haben.....nur die des "pecunia non olet".....
>b) das System zu boykottieren
Bedeutete seinerzeit schlimmstenfalls KZ, im wahrscheinlicheren Fall soziale Ausgrenzung und Diskriminierung. Wer dies in Kauf nahm, bitteschön. Heute zumindest ist Boykott eher möglich, wird aber zumindest sanktioniert durch wirtschaftliche oder ökonomische Kürzung. Immerhin ein Fortschritt gegenüber den 30iger Jahren. Bewirken indes wird es nichts, denn man begehrt gegen die "Macht" auf und die Macht weiß sich zu wehren und wird zumindest zunächst siegen, denn darum heißt sie ja die Macht. So siegte der Nationalsozialismus zunächst, wie heute der Turbokapitalismus oder Neoliberalismus, jedenfalls der Materialismus , auf der Siegerstraße fährt.
Es gilt aber Stefan Zweigs Wort "der Freie ist nicht frei, der Untätige nicht ohne Schuld".....Eine, wenn auch "kleinere" Schuld wird möglicherweise bleiben, nämlich die Schuld durch Unterlassen oder zu geringen Widerstand. Damit muß man auch zurechtkommen und sich möglicherweise wieder "betäuben".
>c) auf den Untergang des Systems hinzuarbeiten ?In den 30iger Jahren war Emigration zumindest für Mutige und mit etwas Kapital ausgestattete möglich, um vom Ausland aus zu "agieren".
In einer Zeit einer weltweiten neuen neoliberalen Weltordnung unter Schwächung der Nationalstaaten und Stärkung der multinational operierenden Geschäftseinheiten mit ihren globalen Megabrands wird dies wesentlich schwieriger.Aktive örtliche "Untergangsarbeit" bringt für den Augenblick nichts. Siehe Geschwister Scholl oder auch Schenk Graf zu Stauffenberg und andere Widerständler. Das System wird brechen, wenn die Zeit reif ist und nicht vorher oder wenn es einige Widerständler -sei es aktiv oder passiv- unbedingt wollen.
Immerhin durften diese Widerständler fast immer, wenn auch oft nach langem inneren Kampf, ein "besseres Gewissen" haben. Ein solches zu haben, lohnt sich allerdings nur dann, wenn man irgendwo auch an eine Art Gott und Ewigkeit glaubt, im Sinne von "darauf vertraut". Im Zeitalter von Rationalismus, Fundamentalismus, Laizismus, Hedonismus und Egonautentum wird man allerdings zunächst keine Anerkennung mit echtem Widerstand bekommen, sondern viel eher Unverständnis bis blanken Hass hervorrufen. Immerhin liegt ein solcher Widerständler näher an der Freiheit von Stefan Zweigs Worten "Der Freie ist nicht frei, der Untätige nicht ohne Schuld, nur wer dient ist frei". Er dient der Hoffnung und der Zukunft, vielleicht auch einer Art erweiterten Liebe, wenn auch dies alles sehr oft unter gewaltigsten persönlichen Nachteilen geschieht und mit ungeheueren Ängsten verbunden ist. Und man läuft heute möglicherweise schnell Gefahr als Terrorist gebrandmarkt zu werden, zumindest als "Verbalterrorist". Wer will das schon?
Es bleibt halt zu allen Zeiten eine Prüfung für jeden persönlich. Es gibt keinen allgemein richtigen Weg. Je nach persönlicher Entwicklungsstufe können alle Handlungsalternativen richtig oder falsch sein. Entscheiden muß letztlich jeder selbst und dann auch die Verantwortung dafür tragen.
Gruß Samnico