Re: Analyse der Deutschland-Wahl
Geschrieben von Samnico am 19. September 2005 16:43:56:
Als Antwort auf: Analyse der Deutschland-Wahl geschrieben von warlord am 19. September 2005 16:07:19:
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>Gruß!
>Nachdem die offiziellen Wahlergebnisse gestern bekannt gegeben wurden zeigt sich ein recht klares Bild. Der Versuch einer christlich-konservativen Wende in Deutschland ist eindeutig gescheitert. Die Arroganz und Siegessicherheit von CDU und eine falsche Kommunikationspolitik von Merkel und Kirchhoff gegenüber den Bürgern war sicherlich ausschlaggebend.Quatsch. Der Versuch einer christlich-konservativen Wende wurde nie gestartet.
Es war der "tolpatschige" Versuch einen neoliberalen Kurs durchzusetzen mit noch ein paar alten Werten als schmückendem Beiwerk versehen.
>Selbst CSU-Chef Edmund Stoiber hat 10% verloren und hat damit im katholischen Bayern die absolute Mehrheit verspielt! Das ist ein klares Signal wie schwach die Union eigentlich ist! Stoiber hat schon signalisiert, daß er mit der SPD über eine große Koalition reden will. Das ist schlimm. Deutschland verfügt definitiv nicht mehr über eine christliche Mehrheit, die man politisch mobilisieren kann. Das ist doch eine interessante Erkenntnis, mit der ich so nicht gerechnet habe.Ja, das Zentrum ist lange tot und die neue Religion ist eine Mixtur aus Neoliberalismus, Säkularismus, Laizismus und Multikulturismus. Christliche Mehrheiten erst wieder "danach".
>Was sagt Forumsmitglied Hubert dazu? Was meinen die anderen hier im Forum
>Nichteinmal der Papst (Joseph Ratzinger) hat für CDU/CSU gewählt. Ratzinger hat überhaupt nicht gewählt! Auch das ist kein gutes Signal! Wenn nicht einmal der Papst mehr christlich-konservativ wählt ist das schon sehr bedenklich! Wenn man ganz Europa betrachtet kommt man zum Schluß, daß auch in Europa keine christliche Mehrheit mehr vorhanden ist.
Das ist gut, daß der Papst nicht wählt, sonst wäre ich aus der katholischen Kirche ausgetreten. Er hat hoffentlich für das Land und die Politiker gebetet.
>Die politisch linke Reichshälfte (also SPD, Grün und Linkspartei) ist moralisch gesehen der eindeutge Sieger, da sie eine Mehrheit eingefahren (in Summe 50,5%) haben und der Wunsch der CDU eine Mehrheit zu erringen und die Regierung zu bilden, gescheitert ist. Die SPD hat zwar mehr verloren als CDU aber eine Niederlage von SPD war ja zu erwarten trotz gutem Wahlkampffinish von Schröder. Die eigentliche Überraschung war eigentlich das schwache Ergebnis von CDU, die selbst sogar 3,5% verloren hat. Also von 40-45% und damit ein klarer Sieg für CDU kann überhaupt keine Rede sein. So gesehen ist das schwache Abschneiden von CDU/CSU die große Enttäuschung. Offenbar gelang es CDU/CSU nicht ihre Wähler zu überzeugen oder zu mobilisieren.
Der eindeutige Sieger ist der heimliche Spalter mit Namen großer neoliberaler Zeitgeist des Turbokapitalismus. Er agiert verdeckt im Hintergrund.
>Offenbar gab es innerhalb der CDU auch eine große Gruppe von Wählern, die Angela Merkel ablehnten und statt dessen die FDP wählten obwohl die FDP sicherlich nicht mehr christliche Partei betrachtet werden kann.wie der Name schon sagt, sie ist eine liberale Partei und primär dem Wachstum und den Investitionen und der Liberalität verpflichtet, nicht aber dem Christentum.
>FDP ist sicherlich von ihrer Wahlklientel her materialstisch und neo-liberal eingestellt (viele Freiberufler wie Ärzte, Anwälte und Steuerberater und Unternehmer). Also von einer christlichen Gesinnung kann keine Rede mehr sein, eher mehr eine erwerbswirtschaftlich orientierte. Und Guido Westerwelle ist für mich ein hedonistischer Yuppie wie ihn die deutsche Lach- und Spassgesellschaft seit den 70er Jahren produzierte, der mit den Sorgen und Ängsten der Bürger im Lande doch nichts anzufangen weiß. Irgendwo habe ich auch mal gelesen, daß Westerwelle Freimaurer ist, aber egal.
siehe oben. Aber eine klare Führungsstruktur hat er im Gegensatz zu den C-Parteien mit ihrer heimlichen Devise "Feind-Todfeind-Parteifreund" doch zustandegebracht.
>Mann muß sich vielleicht überhaupt die Frage stellen: Ist die CDU überhaupt noch eine christliche Partei?
Das hat Kardinal Meissner schon beantwortet, indem er sagte, die CDU solle das C rausnehmen. Dann hieße sie Demokratische Union, wäre ehrlicher.
>Ich glaube nicht, denn die Zusammenarbeit von CDU mit deutschen Großkonzernen zeigt eindeutig, daß in dieser Partei ein christliches Menschenbild nicht mehr vorhanden ist. Leider wird auch in der CDU der Mensch nur noch als Konsument, Steuerzahler oder Kostenfaktor (Wo kostest er?/Was bringt er?) betrachtet.
Dem muß ich leider zustimmen. Wer es anders sieht, wird versetzt oder fliegt. Siehe Seehofer, Rühe, Hohmann und weitere "Altlasten". Deutsche Großkonzerne sind heute als Global Player mehr international denn deutsch.
Dies ist aber klarerweise ein dialektisch-materialistisches Menschenbild wie wir es eigentlich nur von den Kommunisten/Sozialisten kennen. Der linke Flügel von CDU und der rechte Flügel von SPD ist nicht mehr voneinander unterscheidbar. Die CDU hat sich in den letzten Jahren klar der SPD angenähert und ist von ihren christlichen Wurzeln abgekommen. Anstatt sich klar von den linken Parteien klar zu distanzieren und ein eigenens Profil aufzubauen hat die CDU dies verabsäumt.Ansichtssache... und Ausfluß des Zeitgeistes und der lästigen Notwendigkeit Mehrheiten zu bekommen.
>Darüberhinaus haben es die Wirtschaft und die Unternehmen in Deutschland nicht geschafft haben eindeutig positive Signale des Aufschwungs zu setzen sondern sogar noch weiter mit Stellenabbau gedroht haben und den Sozialstaat so stark in Frage gestellt haben war die Reaktion der verängstigten Bürger klar und die Stimme wurde für Linksparteien abgegeben. Die Ankündigungen von Siemens und VW jeweils 10.000 Stellen abzubauen war sicherlich ein weiteres Signal links zu wählen.Die Unternehmen unterliegen dem Druck der Kapitalglobalisierung. Der einengende Mantel des Nationalstaates für die Wirtschaft wurde durch die Idee eines weltumspannenden Wettbewerbes der Zahlen und der Effizienz aufgehoben.
Wer das will, fragt niemand. Cui bono?
>Damit konnte die CDU von den linken Medien und Politkern in Berlin leicht als Partei des sozialen Kahlschlags gebrandmarkt worden. Die Wahlkampftaktik der Linken ist damit voll aufgegangen. Daß Lafontaine & Co. auf Anhieb so stark waren und am meisten Stimmen (+4,5%) gewonnen haben ist bemerkenswert und läßt auf größere gesellschaftspolitische Spannungen für die Zukunft hin schließen.Polarisierung erzeugt Spannung. Aufschwung kann alles noch etwas hinauszögern.
>Wie die Regierung zusammengesetzt wird, ist noch nicht ersichtlich. Faktum ist, daß in Deutschland offensichtlich keine christlich-konservative Mehrheit mehr möglich ist. Das ist die eindeutige Botschaft dieser Wahl! Das wird das Land auf die nächsten Jahre hinaus nachhaltig prägen.Das war aber schon vorher klar und die C-Parteien sind mit keiner christlichen Aussage angetreten, wohingegen 1980 im Wahlkampf selbst Helmut Schmidt (SPD) die Sozialenzykliken des Papstes zitieren konnte und ihren Inhalt besser kannte als sein Herausforderer Helmut Kohl.
>Ich rechne, daß in nächster Zeit die Linkspartei von Lafontaine und Gysi mit Großdemonstrationen den Protest und den Frust der Bürger auf die Straße tragen wird. Das wird sicherlich noch ein heißer Herbst werden und der Inlandskommunismus wird sich weiter festigen wenn sich die Wirtschaft nicht rasch erholt. CDU und Edmund Stoiber haben durch einen schlechten Wahlkampf zweifellos mitgeholfen, daß die politische Linke im Lande nicht abgewählt werden konnte.Solange die bundesweit unter 10% bleiben, sehe ich da keine große Gefahr.
>Ich hoffe CDU/CSU begehen nicht den Fehler aus Machtgeilheit mit den Grünen und der FDP eine "Jamaika-Koalition" zu bilden, denn die Grünen würden dann vermutlich als trojanisches Pferd agieren und die politischen Entscheidungen von CDU/CSU torpedieren. Bei den Grünen sind ja prozentuell mehr 68er am Ruder als bei der SPD. Wie solle ein gemeinsames politische Programm formuliert werden? Hoffentlich läuft die CDU nicht in eine politische Falle.Viele Grüne sind mittlerweile durch jahrelangen politischen Kampf müde, kompromißbereit und realistisch geworden. Schau doch mal den Fischer oder den Bütigkofer an. Eher sorgenvoll denn kämperisch.
>So politisch zerrissen wie heute ist Deutschland schon lange nicht mehr gewesen.Ja, der "scharze Süden" und der "rote Norden", als "Puffer" das gestreifte Hessen.
Aber alles deckt der Mantel des Konsums zu. Ist wieder IAA und bald Fußball-WM.
Die für viele wirklich wichtigen Dinge des Lebens.
>Also, Augen auf und aufgepaßt!
>Gruß
>warlord
Gruß Samnico
- Re: Analyse der Deutschland-Wahl Hybris 20.9.2005 07:09 (0)