Analyse der Deutschland-Wahl

Geschrieben von warlord am 19. September 2005 16:07:19:


Gruß!

Nachdem die offiziellen Wahlergebnisse gestern bekannt gegeben wurden zeigt sich ein recht klares Bild. Der Versuch einer christlich-konservativen Wende in Deutschland ist eindeutig gescheitert. Die Arroganz und Siegessicherheit von CDU und eine falsche Kommunikationspolitik von Merkel und Kirchhoff gegenüber den Bürgern war sicherlich ausschlaggebend.

Selbst CSU-Chef Edmund Stoiber hat 10% verloren und hat damit im katholischen Bayern die absolute Mehrheit verspielt! Das ist ein klares Signal wie schwach die Union eigentlich ist! Stoiber hat schon signalisiert, daß er mit der SPD über eine große Koalition reden will. Das ist schlimm. Deutschland verfügt definitiv nicht mehr über eine christliche Mehrheit, die man politisch mobilisieren kann. Das ist doch eine interessante Erkenntnis, mit der ich so nicht gerechnet habe.

Was sagt Forumsmitglied Hubert dazu? Was meinen die anderen hier im Forum

Nichteinmal der Papst (Joseph Ratzinger) hat für CDU/CSU gewählt. Ratzinger hat überhaupt nicht gewählt! Auch das ist kein gutes Signal! Wenn nicht einmal der Papst mehr christlich-konservativ wählt ist das schon sehr bedenklich! Wenn man ganz Europa betrachtet kommt man zum Schluß, daß auch in Europa keine christliche Mehrheit mehr vorhanden ist.

Die politisch linke Reichshälfte (also SPD, Grün und Linkspartei) ist moralisch gesehen der eindeutge Sieger, da sie eine Mehrheit eingefahren (in Summe 50,5%) haben und der Wunsch der CDU eine Mehrheit zu erringen und die Regierung zu bilden, gescheitert ist. Die SPD hat zwar mehr verloren als CDU aber eine Niederlage von SPD war ja zu erwarten trotz gutem Wahlkampffinish von Schröder. Die eigentliche Überraschung war eigentlich das schwache Ergebnis von CDU, die selbst sogar 3,5% verloren hat. Also von 40-45% und damit ein klarer Sieg für CDU kann überhaupt keine Rede sein. So gesehen ist das schwache Abschneiden von CDU/CSU die große Enttäuschung. Offenbar gelang es CDU/CSU nicht ihre Wähler zu überzeugen oder zu mobilisieren.

Offenbar gab es innerhalb der CDU auch eine große Gruppe von Wählern, die Angela Merkel ablehnten und statt dessen die FDP wählten obwohl die FDP sicherlich nicht mehr christliche Partei betrachtet werden kann.
FDP ist sicherlich von ihrer Wahlklientel her materialstisch und neo-liberal eingestellt (viele Freiberufler wie Ärzte, Anwälte und Steuerberater und Unternehmer). Also von einer christlichen Gesinnung kann keine Rede mehr sein, eher mehr eine erwerbswirtschaftlich orientierte. Und Guido Westerwelle ist für mich ein hedonistischer Yuppie wie ihn die deutsche Lach- und Spassgesellschaft seit den 70er Jahren produzierte, der mit den Sorgen und Ängsten der Bürger im Lande doch nichts anzufangen weiß. Irgendwo habe ich auch mal gelesen, daß Westerwelle Freimaurer ist, aber egal.

Mann muß sich vielleicht überhaupt die Frage stellen: Ist die CDU überhaupt noch eine christliche Partei?

Ich glaube nicht, denn die Zusammenarbeit von CDU mit deutschen Großkonzernen zeigt eindeutig, daß in dieser Partei ein christliches Menschenbild nicht mehr vorhanden ist. Leider wird auch in der CDU der Mensch nur noch als Konsument, Steuerzahler oder Kostenfaktor (Wo kostest er?/Was bringt er?) betrachtet. Dies ist aber klarerweise ein dialektisch-materialistisches Menschenbild wie wir es eigentlich nur von den Kommunisten/Sozialisten kennen. Der linke Flügel von CDU und der rechte Flügel von SPD ist nicht mehr voneinander unterscheidbar. Die CDU hat sich in den letzten Jahren klar der SPD angenähert und ist von ihren christlichen Wurzeln abgekommen. Anstatt sich klar von den linken Parteien klar zu distanzieren und ein eigenens Profil aufzubauen hat die CDU dies verabsäumt.

Darüberhinaus haben es die Wirtschaft und die Unternehmen in Deutschland nicht geschafft haben eindeutig positive Signale des Aufschwungs zu setzen sondern sogar noch weiter mit Stellenabbau gedroht haben und den Sozialstaat so stark in Frage gestellt haben war die Reaktion der verängstigten Bürger klar und die Stimme wurde für Linksparteien abgegeben. Die Ankündigungen von Siemens und VW jeweils 10.000 Stellen abzubauen war sicherlich ein weiteres Signal links zu wählen.

Damit konnte die CDU von den linken Medien und Politkern in Berlin leicht als Partei des sozialen Kahlschlags gebrandmarkt worden. Die Wahlkampftaktik der Linken ist damit voll aufgegangen. Daß Lafontaine & Co. auf Anhieb so stark waren und am meisten Stimmen (+4,5%) gewonnen haben ist bemerkenswert und läßt auf größere gesellschaftspolitische Spannungen für die Zukunft hin schließen.

Wie die Regierung zusammengesetzt wird, ist noch nicht ersichtlich. Faktum ist, daß in Deutschland offensichtlich keine christlich-konservative Mehrheit mehr möglich ist. Das ist die eindeutige Botschaft dieser Wahl! Das wird das Land auf die nächsten Jahre hinaus nachhaltig prägen.

Ich rechne, daß in nächster Zeit die Linkspartei von Lafontaine und Gysi mit Großdemonstrationen den Protest und den Frust der Bürger auf die Straße tragen wird. Das wird sicherlich noch ein heißer Herbst werden und der Inlandskommunismus wird sich weiter festigen wenn sich die Wirtschaft nicht rasch erholt. CDU und Edmund Stoiber haben durch einen schlechten Wahlkampf zweifellos mitgeholfen, daß die politische Linke im Lande nicht abgewählt werden konnte.

Ich hoffe CDU/CSU begehen nicht den Fehler aus Machtgeilheit mit den Grünen und der FDP eine "Jamaika-Koalition" zu bilden, denn die Grünen würden dann vermutlich als trojanisches Pferd agieren und die politischen Entscheidungen von CDU/CSU torpedieren. Bei den Grünen sind ja prozentuell mehr 68er am Ruder als bei der SPD. Wie solle ein gemeinsames politische Programm formuliert werden? Hoffentlich läuft die CDU nicht in eine politische Falle.

So politisch zerrissen wie heute ist Deutschland schon lange nicht mehr gewesen.

Also, Augen auf und aufgepaßt!

Gruß

warlord



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