Re: Gloria Olivae - Der Ruhm des Ölbaums / Kardinal Lustiger ?

Geschrieben von Hubert am 06. April 2005 09:30:21:

Als Antwort auf: Re: Gloria Olivae - Der Ruhm des Ölbaums / Kardinal Lustiger ? geschrieben von Johannes am 05. April 2005 23:41:25:

Hallo Johannes,

Der aus kath. Sicht erste Papst (Petrus) war Jude, Kardinal Lustiger wäre wieder gebürtiger Jude. Dazwischen gab es meines Wissens nach keinen jüdischen Papst (Hubert/Theo/Burgwart, wißt Ihr da mehr?).

Da diese sehr gute Frage nicht so leicht zu beantworten ist, hole ich mal etwas aus.

Auch Juden stellen sich ununterbrochen die Frage, wer denn in ihre Gemeinschaft gehört. Die traditionelle Antwort lautet: Jude ist, wer als Kind einer jüdischen Mutter geboren wurde oder eine Konversion entsprechend der Halacha, dem jüdischen Religionsgesetz, vorgenommen hat. Und da die Halacha auch die Beschneidung erzwingt, wird diese selbstverständlich auch von einem erwachsenen Konvertiten eingefordert. Trotz der großen Gemeinsamkeiten zwischen Judentum und Christentum erzwingt also erstere die Beschneidung (Alter Bund), letztere die Taufe (Neuer Bund).

Bevor das Christentum in Erscheinung trat, definierte sich das Judentum mit der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse und der Besiedelung einer bestimmten Region der Erde – „bestimmte Region“ deshalb, weil es den Juden vom Herrn so verheißen worden war.

Das ist heute natürlich längst nicht mehr so, aber erhalten hat sich aus jenen fernen Tagen die Tradition, nicht zu missionieren. Bei den beiden „Tochterreligionen“ Christentum und Islam ist das natürlich anders.

Aus jüdischer Sicht bleibt Kardinal Lustiger Jude, weil er a) beschnitten ist und b) von einer jüdischen Mutter geboren wurde. Aber da er nicht mehr nach der Halacha lebt, betrachtet man ihn als abtrünnigen Juden. Da das Judentum keine Göttliche Trinität kennt und somit auch keine Salbung durch den Heiligen Geist, könnte Kardinal Lustiger also aus jüdischer Sicht nach Wiederaufnahme seiner halachischen Gepflogenheiten jederzeit wieder in die Synagoge zurück. Denn er bleibt ja Jude. Unsere christliche Sicht ist natürlich anders. Im Christentum wird ein Mensch durch die Taufe Christus einverleibt. Mit der Taufe erhält ein Mensch ein unauslöschliches Siegel, und selbst wenn dieser Christ später z. B. zum Islam konvertieren würde, wäre das nichtig, weil eine Taufe irreversibel ist.

Die ersten Christen verstanden sich ganz klar als Juden – allerdings als Juden, die den Messias, also den von Gott Gesalbten, gefunden hatten. Christus heißt ja auch nichts anderes als „der Gesalbte“. Und da dieser von Gott Gesalbte die Taufe sakramental als unbedingt heilsnotwendig eingesetzt und die Beschneidung der männlichen Kinder für obsolet erklärt hatte, differenzierte man fortan zwischen „Jude alt“ (= beschnitten) und „Jude neu“ (= getauft). Erst spätere christliche Autoren destillierten den Begriff „Christentum“ sauber heraus und grenzten sich somit nicht nur inhaltlich, sondern nun auch sprachlich vom „Judentum“ ab – aus einer jüdischen Sekte wurde im Laufe der Zeit eine eigenständige Weltreligion. Um es mit den Worten Kardinal Ratzingers zu sagen: „Das Christentum war jene ins Universale geweitete Gestalt des Judentums, in der nun das vollends geschenkt wurde, was das Alte Testament bis dahin noch nicht zu geben vermochte.“

Der Glaube Israels zeigte zwar den Zusammenklang von Gott und Welt, von Vernunft und Geheimnis. Er gab auch moralische Weisung, aber etwas fehlte noch: Der Universalgott war noch immer an ein bestimmtes Volk gebunden – die universale Moral war mit sehr partikulären Lebensformen verknüpft, die außerhalb Israels gar nicht gelebt werden konnten. Ein Nichtjude konnte immer nur in einem äußeren Ring dieser Religion stehen. Er blieb „Proselyt“, weil die volle Zugehörigkeit an die blutsmäßige Abstammung von Abraham, an eine völkische Gemeinschaft gebunden war. Volle Universalität war nicht möglich, weil volle Zugehörigkeit nicht möglich war. Hier hat erst das Christentum den Durchbruch gebracht, die „Mauer niedergerissen“ (Eph 2, 14). Die Blutsbande mit dem Stammvater sind nicht mehr nötig, weil der Anschluß an Jesus die völlige Zugehörigkeit, die wahre Verwandtschaft bewirkt. Jeder kann nun ganz zu diesem Gott gehören, alle Menschen sollen sein Volk werden dürfen und können. Die partikulären Rechts- und Moralordnungen verpflichten nicht mehr – sie sind zu einem geschichtlichen Vorspiel geworden, weil in der Person Jesu Christi alles zusammengefaßt ist und wer ihm nachfolgt, das ganze Wesen des Gesetzes in sich trägt und erfüllt. Der alte Kult ist hinfällig und aufgehoben in der Selbsthingabe Jesu an Gott und die Menschen. Mit Jesus Christus ist also die geistige Bewegung, die im Weg Israels erkennbar war, an ihr Ziel gekommen. Alle Menschen können nun Brüder, Geschwister werden von dem einen Gott her.

Wie du bestimmt auch schon vermutet hast, gab es – vom Urchristentum mal abgesehen – in der gesamten Kirchengeschichte nicht einen einzigen Papst mit einer jüdischen Mutter. Vom ersten Papst, dem Hl. Petrus, wissen wir hundertprozentig, daß er abrahamitisches Blut in sich trug und beschnitten war. Von seinen ersten Nachfolgern auf dem Stuhle Petri – den Heiligen Linus, Anaklet, Klemens und Evaristus – vermuten wir es aber auch.

Herzliche Grüße,
Hubert



Antworten: