Täterrecht oder Opferrecht

Geschrieben von franke43 am 17. Februar 2005 13:43:03:

Als Antwort auf: Re: Bundesregierung will Straftatbestand der Volksverhetzung bedenklich verschärfen geschrieben von Johannes am 17. Februar 2005 13:11:45:

Hallo

>Die Grenze der Strafbarkeit wurde also bewußt zu Ungunsten zu Meinungsfreiheit >verschoben, um so zu verhindern, daß unter dem Deckmantel der Wissenschafts- >oder Meinungsfreiheit Naziverbrechen verharmlost oder gar gerechtfertigt >werden.

Die eigentliche Frage ist eher die:

Was ist Meinung ?

Ist Meinung möglich, wenn Tatsachen existieren, oder ist Meinung
nur da möglich, wo keine Tatsachen existieren, die sich nachprüfen
lassen ?

Mit anderen Worten:

Darf eine Meinung (bewusste) Lüge bzw. das Inabredestellen von
Tatsachen beinhalten, oder ist auch eine Meinung verpflichtet mit
den Tatsachen (soweit bekannt und erhärtet) halbwegs im Einklang zu
stehen ?

Wo endet die Bewertung von Tatsachen und wo beginnt die Leugnung
von Tatsachen ? Und in welchen Fällen geht von der Leugnung von
(bekannten) Tatsachen eine Gefahr aus ?

>So weit, so gut. Aber sind die Linken denn anders? Schau, wie derzeit die >Desdner Opfer der allierten Kriegsverbrechen relativiert werden. Da werden >Zahlen auf eine Weise heruntergerechnet, für die Leute, die das gleiche beim >Holocaust tun, schon längst im Gefängnis wären. Und es wird mehr oder weniger >direkt gesagt, die seien ja selbst schuld, weil sie Hitler gewählt hätten.
>(was, zu Ende gedacht, eine ganz üble Behauptung ist - haben denn DIE Hitler >gewählt? Sind sie schuldig, weil sie in Deutschland leben? Oder ist es gar >weniger schlimm, wenn ein Deutscher das Opfer eines Kriegsverbrechens wurde? >Also Opfer sind mehr oder weniger gedenkwürdig allein aufgrund ihrer >Nationalität ???)

Selbstverständlich sind alle Opfer von Gewalt gedenkwürdig.

Und die Bombardierung rein ziviler Ziele dürfte ein klarer
Verstoss gegen das geltende Kriegsrecht gewesen sein. Wobei
allerdings Deutschland im spanischen Bürgerkrieg mit dem
Flächenbombardement ziviler Ziele (Guernica) den Anfang
gemacht hat.

>Klar, nun kommt die Angst, dieses Gesetz könne sich gegen einem selbst >richten. Bisher waren es ja nur die anderen, die betroffen waren, damit konnte >man gut leben und es war ja auch gut so, daß Naziverbrechen nicht >gerechtfertigt durften. Aber nun, wenn man daraus keine politische >Strafbewehrung mehr macht, sondern eine, die sich auf die allgemein >formulierten Grundlagen bezieht, dann geht das Geschrei los und man sieht die >Presse- und Meinungsfreiheit gefährdet.

Naja bislang hat es eigentlich de facto eine Art ausgleichender
Gerechtigkeit gegeben:

Die Legislative war eher auf dem linken Auge blind, die
Exekutive dagegen mehr auf dem rechten. Der Gesetzgeber hat
zu einem harten Vorgehen gegen Rechts tendiert, die Ordnungs-
kräfte zu einem harten Vorgehen gegen Links.

>Ja, die Gefahr sehe ich auch, aber sie beginnt nicht erst jetzt. Im Prinzip >hätte man schon früher keine (im Endeffekt) politischen Straftatbestände >einführen dürfen. Aber das wird den meisten erst jetzt deutlich, wo die >politische Begründung wegfällt zu Gunsten einer neutralen Begründung, die >jeden und jedes treffen könnte.

>Sollte man also die Leugnung oder Relativierung von Verbrechen auf beiden >Seiten freigeben oder verbieten? Wie sieht der Mittelweg aus? Ich weiß es >nicht.

Das ist die Frage, ob die Gesetzgebung den Tätern oder den
Opfern gerecht werden soll. Bzw. den Gesinnungsgenossen der
Täter oder den Gesinnungsgenossen der Opfer. Besonders sollte
man daran denken, dass es sowohl bei den Opfern als bei den
Tätern immer noch einige wenige Überlebende gibt, für die es
ein schlichter Hohn ist, wenn seitens später Geborener in
Abrede gestellt wird, was diese Leute selbst miterlebt und
überlebt haben und also besser wissen als die meisten, die
heute leben.

Hier in Schweden lebt in Täby bei Stockholm ein Holocaust-
überlebender und ehemaliger KZ-Häftling. Er reist heute trotz
seines Alters von Schule zu Schule, um die Schüler in der Pubertät
über die Nazigrausamkeiten als Zeitzeuge aufzuklären und sie
vor einem Abgleiten in rechtsextreme Gruppen zu bewahren.

Aber wie lange wird es noch solche Leute geben ?
Auch Überlebende der Todeslager leben nicht ewig.

>>Gruß
>Johannes

Gruss

Franke


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