Re: USA: neues Notstandsgesetz hebelt die Legislative aus
Geschrieben von Johannes am 10. Januar 2005 21:28:34:
Als Antwort auf: Re: USA: neues Notstandsgesetz hebelt die Legislative aus geschrieben von IT Oma am 10. Januar 2005 14:46:47:
> Den Link, den Du da netterweise angegeben hast, hast Du wohl selbst nur ober-
> flächlich gelesen. Sonst wäre Dir aufgefallen, daß es da doch erhebliche Unter-
> schiede zwischen der hiesigen Gestzgebung und der jetzt in den USA angestreb-
> ten Regelung gibt. Ich zitiere aus der Wikipedia:
Hallo IT Oma,
jain. Ich hatte mir vor einiger Zeit die Bestimmungen für den Verteidigungsfall mal recht ausführlich ausgesehen, nun aber keinen Link mehr dazu gehabt, der das zusammenfaßt. Und da bin ich spontan auf Wikipedia gekommen.
>>
Der Ausschuss übernimmt die Aufgaben des Bundestages und des Bundesrates,
>> wenn er im Verteidigungsfall mit zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und
>> mindestens mit der Mehrheit seiner Mitglieder feststellt, dass dem recht-
>> zeitigen Zusammentritt des Bundestages unüberwindliche Hindernisse entge-
>> genstehen oder dass dieser nicht beschlussfähig ist. Die Bundesregierung
>> muss den Ausschuss über ihre Planungen für den Verteidigungsfall (...)
>> unterrichten. Der Gemeinsame Ausschuss darf das Grundgesetz nicht ändern
>> und weder Hoheitsrechte übertragen, noch das Bundesgebiet neu gliedern.
> Das unterscheidet sich doch erheblich von dem amerikanischen Gesetz, wo
> einfach abstimmen kann, wer's schafft in den Saal zu kommen!Das hast Du aber auch bei uns, im Zitat wird z.B. die Möglichkeit genannt, daß der Bundestag nicht beschlußfähig sei. Es ist nur eine Frage der politischen Auslegung, ob ich darunter die tatsächliche Unmöglichkeit auf Grund eines Notstands verstehe oder die bewußte Herbeiführung eben jener Unmöglichkeit aus einem anderen Interesse. Der Bundesrepublik Deutschland traust Du das nicht zu, also interpretierst Du die Aussage auch nicht so. Den USA traust Du es zu, also siehst Du es dort als gefährlich an. Die Detailregelungen sind natürlich verschieden, aber vom Grundsatz her dennoch ähnlich, oder?
Ich zitiere hier mal den Artikel 115a unseres Grundgesetzes:
(1) Die Feststellung, daß das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht (Verteidigungsfall), trifft der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates. Die Feststellung erfolgt auf Antrag der Bundesregierung und bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, mindestens der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages.
(2) Erfordert die Lage unabweisbar ein sofortiges Handeln und stehen einem rechtzeitigen Zusammentritt des Bundestages unüberwindliche Hindernisse entgegen oder ist er nicht beschlußfähig, so trifft der Gemeinsame Ausschuß diese Feststellung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, mindestens der Mehrheit seiner Mitglieder.
(3) Die Feststellung wird vom Bundespräsidenten gemäß Artikel 82 im Bundesgesetzblatte verkündet. Ist dies nicht rechtzeitig möglich, so erfolgt die Verkündung in anderer Weise; sie ist im Bundesgesetzblatte nachzuholen, sobald die Umstände es zulassen.
(4) Wird das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen und sind die zuständigen Bundesorgane außerstande, sofort die Feststellung nach Absatz 1 Satz 1 zu treffen, so gilt diese Feststellung als getroffen und als zu dem Zeitpunkt verkündet, in dem der Angriff begonnen hat. Der Bundespräsident gibt diesen Zeitpunkt bekannt, sobald die Umstände es zulassen.
(http://www.advo-web.net/internedienste/grundgesetz/grundgesetz-10a.php)Besonders interessant finde ich in diesem Zusammenhang Absatz (2): Letztendlich definiert der Gemeinsame Ausschuß selbst, daß sofortiges Handeln notwendig war und der Bundestag nicht zusammentreten konnte oder nicht beschlußfähig war. Das muß noch nicht mal auf dem normalen Weg verkündet werden, der Gemeinsame Ausschuß beschließt einfach und handelt.
Theoretisch dürfen die Möglichkeiten des Verfassungsgerichts nicht beschnitten werden (Grundgesetz, Artikel 115g):
Die verfassungsmäßige Stellung und die Erfüllung der verfassungsmäßigen Aufgaben des Bundesverfassungsgerichtes und seiner Richter dürfen nicht beeinträchtigt werden.
Aber was heißt das praktisch?
Beschlüsse nach Satz 2 und Satz 3 faßt das Bundesverfassungsgericht mit der Mehrheit der anwesenden Richter.
Richtig, das war's dann. Ein Richter, der verhindert ist oder verhindert wurde, der entscheidet halt nicht mit, die anderen entscheiden vollgültig ohne ihn. Ob ich dem Gemeinsamen Ausschuß zutraue, einzelne kritische Richter am Kommen zu hindern, ist mehr eine politische Einschätzung.
Gruß
Johannes