Re: Versuch einer ersten Analyse

Geschrieben von Dunkelelbin am 08. Oktober 2004 11:40:07:

Als Antwort auf: Versuch einer ersten Analyse geschrieben von Swissman am 08. Oktober 2004 03:41:17:

Hallo Swissman,

erst mal danke für diese, wieder einmal, konzentrierte Zusammenfassung.

>Hallo Dunkelelbin,
>

>Ob es sich um eine Anschlagsserie handelt, ist noch unklar.

>Ich denke, wir sind uns alle einig, dass die Wahrscheinlichkeit, dass es nahezu zeitgleich an drei verschiedenen Orten zu einer Gasexplosion kommt, wie vom ägyptischen TV ursprünglich behauptet, gleich Null ist. - Umso mehr, als alle drei Orte anlässlich des jüdischen Laubhüttenfestes derzeit stark von Israelis frequentiert werden. Ich lege mich jedenfalls auf Terrorismus fest.
>Ausnahmsweise dürfte Hamas in diesem Fall nicht beteiligt sein: Jedenfalls befasst sich der neueste Artikel auf der Hamas-Homepage mit dem Abschuss von zwei Kassem-Raketen auf eine israelische Siedlung - bislang kein Wort zu den Explosionen in Ägypten.

Die Version einer *Gasexplosion* ist wohl entgültig vom Tisch, die Märchenstunde wohl aber dennoch nicht beendet.

>Die Anschläge scheinen mir eher die Handschrift von Al Kaida oder einer verbündeten Gruppierung zu tragen: Mehrere zeitlich eng aufeinander abgestimmte Explosionen mit hoher Sprengkraft, deren taktisches Hauptziel offensichtlich darin besteht, möglichst viele Menschen in den Tod zu reissen. Wahrscheinlich handelte es sich um Selbstmordattentate.

Vor wenigen Stunden wurde erstmals von einer neuen, bislang nicht in Erscheinung getretenen ägyptischen Bruderschaft berichtet, die angeblich die Verantwortung für die Attentate übernommen hat.

>Auf Al Kaida scheint mir auch die Tatsache hinzuweisen, dass Ayman al Zawahiri, der Stellvertreter Osama bin Ladens (übrigens selbst ein Ägypter!) in seinem neuesten Band ausführlich auf den israelisch-palästinensischen Konflikt eingegangen ist. Nebst dem Aufruf, den Tod der beiden Hamas-Führer Scheich Ahmed Jassin und Abdel Aziz al-Rantissi zu rächen, betonte er auch, dass es nicht genüge, die Israelis in ihrem eigenen Land anzugreifen - dies müsse vielmehr weltweit geschehen...

Mich irritiert ein wenig, dass sich die Berichterstattung scheinbar nur auf israelische Opfer bezieht.
In Ägypten ist gestern ein Feiertag gewesen, viele Ägypter verbringen dieses verlängerte Wochenende ebenfalls am Roten Meer - ebenso wie Deutsche, Russen, Engländer. Es ist unwahrscheinlich, dass diese Anschläge ausschließlich Israelis getroffen haben sollen.

>Dies passt perfekt zu meiner Beobachtung, dass man nach einem Zawahiri-Band innerhalb weniger Wochen mit Anschlägen auf zumindest einen der von ihm namentlich genannten Staaten rechnen muss (der andere Staat, der bereits in naher Zukunft angegriffen werden dürfte, sind die USA - die genaue Begründung folgt voraussichtlich morgen abend in einem eigenen Text, der sich gegenwärtig noch in der Pipeline befindet).

Natürlich *müssen* die USA getroffen werden, schließlich stehen die Wahlen vor der Tür...

>Im konkreten Fall gehe ich davon aus, dass die eigentliche Attentatsvorbereitung und -durchführung von der ägyptischen Terrororganisation Gama'a al Islamiya unternommen worden sein dürfte. Gama'a al Islamiya, deren Anführer niemand anderes als Ayman al Zawahiri selbst war, bzw. zumindest formal immer noch ist, hat sich vor einigen Jahren offiziell Al Kaida angeschlossen und operiert nun unter dem gemeinsamen "Firmenmantel" einer "Islamischen Weltfront für den Heiligen Krieg gegen Juden und Kreuzritter".

Es irritiert mich, dass diese Anschläge in Ägypten durchgeführt wurden. Die ägyptische Regierung ist bekannt dafür, dass sie mit harter Hand gegen jede Form des Islamismus vorgeht und mit Attentätern kurzen Prozeß macht.
Das Land existiert faktisch nur noch durch den Tourismus rund ums Rote Meer. Kommen keine Touristen mehr, trifft das hauptsächlich die einheimische Bevölkerung.

Vielleicht aber ist dies beabsichtigt. Dann kommt es zu einer innerpolitischen Krise in deren Folge vielleicht die derzeitigen Machthaber, und das sind neben Mubarak vor allem Hotelbetreiber und Investitoren, gestürzt werden und das Land, wie von vielen Beobachtern befürchtet, in den Islamismus gerissen wird.
Was das für die Region bedeuten würde, brauche ich nicht zu erklären.

Grüße
Dunkelelbin*

>Gama'a al Islamiya hat sich in der Vergangenheit richtiggehend auf Anschläge gegen Touristen spezialisiert: Namentlich die Schweiz und Deutschland mussten bereits einen hohen Blutzoll entrichten. In den letzten Jahren gelang es den ägyptischen Sicherheitskräften durch geeignete Massnahmen (...) die Aktivitäten der Bande stark zu vermindern (aber offensichtlich - noch - nicht endgültig zu zerschlagen). Die Durchführung eines spektakulären Attentates hätte daher für Gama'a al Islamiya den sehr erwünschten Nebeneffekt, vor aller Welt zu demonstrieren, dass die Gruppierung immer noch handlungsfähig und gefährlich ist. Zudem liesse sich damit die Moral der eigenen Anhängerschaft stärken.
>Nicht zuletzt dürfte die Rekrutierung neuer Mitglieder durch die Erfolge der Regierung und infolge des öffentlich erklärten Gewaltverzichtes eines Teils der inhaftierten Gama'a-Terroristen, gelitten haben: Auch der Pöbel steht im allgemeinen nicht unbedingt gerne auf der Seite von Verlierern. - Diese Wahrnehmung könnte sich nun schlagartig geändert haben, wodurch den Werbern in nächster Zeit zweifellos neues Menschenmaterial zuströmen wird.
>Zu befürchten ist überdies, dass die israelischen Touristen jetzt in Scharen zurück ins Mutterland strömen werden - menschlich zwar durchaus verständlich, aber im Grunde die völlig falsche Reaktion: Dadurch werden die Urheber der Anschläge von den extremeren Elementen der islamischen Öffentlichkeit als "Helden, die den Sinai judenfrei gemacht haben", wahrgenommen, was in der Folge den propagandistischen Erfolg nochmals ganz erheblich steigern wird.
>mfG,
>Swissman



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