GARABANDAL
Geschrieben von Quergl am 10. September 2004 17:07:12:
GARABANDAL
Teil I:
Nun, Georg stand am Rande der Verzweiflung. Diese Scheiß Welt konnte so ungerecht sein! Wieso passierte das gerade Ihm? Er saß auf dem Teppich und hatte es sich bei einer Kerze und einer Tafel Schokolade gemütlich gemacht. Dazu trank er aus einem hochstieligen Glas die zweite Flasche Freixenet, Flaschengärung tradionelle. Es gab was zu feiern. Sein Ende. Das Architekturstudium an der Uni zog sich nun schon seit über 6 Jahren hin und er hatte dafür gelernt wie ein Ochse. Doch das Fach „Statik im Betonbau“ hatte Ihm das Genick gebrochen. Alles war umsonst gewesen, auch bei der zweiten Wiederholungsprüfung war er durchgefallen und war nun exmatrikuliert worden. Er rechnete seine Erfolgsbilanz kurz durch. 6 Jahre Verdienstausfall, dazu noch die BaföG-Schulden. Er, der aus einfachen Verhältnissen kam, hatte heute den Wert eines Einfamilienhauses in den Sand gesetzt. Seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt waren miserabel. Keinen Beruf, nur das Abitur als Abschluß, schon 28 Jahre alt, immer noch keine Freundin, dafür aber kleinwüchsig und dicke Brille sowie beginnender kreisrunder Haarausfall auf seinem Haupt. Obwohl die Politiker in Deutschland den Aufschwung schon seit Jahren herbeibeteten, sah es in der Praxis anders aus. So jemanden wie Ihn würde niemand mehr brauchen, Er war ein für alle Mal durchs Raster gefallen, Er war der Inbegriff eines Losers. Georg machte die Glotze an, zappte umher, suchte nach Ablenkung, die auch die beginnende zweite Flasche Sekt bisher nicht gebracht hatte. Er sah im Nachrichtenkanal Kinder durch Terroristen in einer Schule sterben, sah im Privatfernsehen wie sich Menschen in Nachmittagstalkshows gegenseitig anpöbelten, was jetzt am Abend freudestrahlend von einer langhaarigen Blondine präsentiert wurde. Abartige Perversionen und Praktiken waren auf einem anderen Kanal zu sehen, moderiert von einem Mann der sich als Frau ausgab. Und brutale Gewaltszenen in angloamerikanischen Filmen. Die Menschen hatten sich scheinbar völlig von Gott abgewandt und verleugneten durch ihre Handlungen den Ihnen innewohnenden göttlichen Funken.Der Materialismus hatte mit dem Satellitenfernsehen seinen Höhepunkt erreicht und kam mit der Flimmerkiste in jedes Land, in jeden Ort und jedes Haus. Aus den geschauten Bildern wurden Gedanken und Gefühle, aus ihnen Gewohnheit, aus der Gewohnheit heraus wurde gehandelt. Alles wurde zur Ware gemacht und alle Waren verkauft. Nichts blieb mehr unangetastet. Die Menschheit war tief hinabgestiegen. Traurig ging Georg ins Bett. Was sollte aus Ihm, was sollte aus der Menschheit werden?
Am anderen Morgen sah die Welt nicht besser aus, wie auch, Es hatte sich ja nichts geändert. Aber der Traum, den Georg in der Nacht gehabt hatte war schön gewesen. Georg war in eine friedvolle Atmosphäre versetzt worden und sah einen überirdisch schönen Himmel, an dem ein kreisrunder Regenbogen in allen Farben des Spektrums leuchtete. Georg kam sich vor, als hätte Er eine andere Sphäre besucht, die so im Gegensatz zu dem war, was er kannte. Nach dem Frühstück meldete sich Georg auf dem Amt. Und es war so, wie er vermutet hatte. „Sie sind praktisch nicht vermittelbar!“ sagte die Angestellte des Arbeitsamtes zu Ihm, als er nach drei Stunden Warten endlich seine Nummer in der Anzeige sah. „Ich rate Ihnen dringend aufs Sozialamt zu gehen“ Georg machte sich auf den Weg, die Anträge zu holen. Komisch, obwohl die Sonne an diesem Septembertage schien, war es recht kühl geworden. Am Abend ging Georg früh ins Bett, er hatte einfach den Kanal voll von der Niederlage und dem Stress der letzten Tage, Erschöpfung machte sich breit. Das Ausfüllen der Anträge hatte auch noch bis Morgen Zeit. Georg hatte immer die Angewohnheit bei geschlossenem Fenster zu schlafen, da draussen eine dichtbefahrene Strasse vor seinem Fenster war. Beim Einschlafen dachte er wieder an den schönen Traum von letzter Nacht. Diese Farben waren einfach himmlisch...
Tags drauf kam Georg nicht so recht in Schwung, aber wozu auch- Er hatte ja nun alle Zeit der Welt. Gegen 10:00 Uhr wurde er wieder wach, seltsam es war so ruhig, gab es denn heute keinen Berufsverkehr? Georg schaute aus dem Fenster und war platt, denn draussen lag etwa ein halber Meter Neuschnee und nur zögerlich bewegten sich die Räumfahrzeuge durch die Stadt. Komisch, gestern war noch so schöne Sonne und nun Mitte September ein halber Meter Schnee in Trier? Vor zwei Tagen hatte er noch im Freibad für die Prüfung gelernt. Georg machte den Fernseher an. Es liefen fast durchweg auf allen Programmen Sondersendungen zum Schneefall, der ganz Europa und noch weitere Teile des Erdballs betraf. Eine reine, blütenweiße Decke hatte den Schmutz und die hektische Geschäftigkeit der Menschen unter sich gelassen. In Indien, in Neuseeland, in Australien, in China, den USA, Afrika, Europa. Die Schneehöhen waren weltweit sehr unterschiedlich, von wenigen Zentimetern in den wärmeren Regionen bis zu über einem Meter im Norden Kanadas. Nur von einem kleinen Ort in Spanien erwähnte der Wetterbericht weiterhin Sonne und blauen Himmel. GARABANDAL
- Schön und nahe an der Wahrheit geschrieben - das ist heute selten ! (owT) Leionel 10.9.2004 17:39 (0)
- Neue Texte, @Johannes Quergl 10.9.2004 17:16 (0)
- Teil II Quergl 10.9.2004 17:09 (1)
- Re: schoen schreibst du! mach weiter! (owT) detlef 10.9.2004 21:25 (0)