Re: Einige Gedanken zu den Folterbildern im Irak.
Geschrieben von Swissman am 13. Mai 2004 03:15:11:
Als Antwort auf: Einige Gedanken zu den Folterbildern im Irak. geschrieben von BossCube am 12. Mai 2004 17:21:22:
Hallo BossCube,
Mir ist nur eben nicht bekannt, daß die "Folterer" oder Vergewaltiger von damals Fotos von ihren Verbrechen und sich selbst in Siegerpose gemacht hätten.Ich denke, das kann man nicht direkt vergleichen: Im Zweiten Weltkrieg gab es noch keine Digitalkameras, d. h. jemand, der damals entsprechende Bilder geschossen hat, musste diese in aller Regel (es sei denn, er wäre ein Profi mit eigener Dunkelkammer) ins Fachgeschäft zum Entwickeln bringen - Da ist die Hemmschwelle, allein schon aus Gründen des Selbstschutzes, sehr hoch anzusetzen. Im Gegensatz dazu bekommst Du heute Digitalkameras schon fast geschenkt - die Notwendigkeit, den Film von einem Aussenstehenden entwickeln zu lassen und dabei aufzufliegen, entfällt dadurch völlig.
Bei den Pädophilen ist das ja ganz ähnlich: Als man vor etwa zwei Jahren einen Kinderporno-Tauschring ausgehoben hat, fand die Polizei heraus, dass einer der Rädelsführer mehrfach Kinder vor laufender Webcam missbraucht hatte, und dabei auch Anweisungen von seinen Pädophilen Web-Bekannten entgegennahm... - Manche Leute sind eben gleichzeitig pervers UND strohdumm.
Übrigens hatte Italien vor einigen Jahren, im Zusammenhang mit dem Einsatz in Somalia einen ganz ähnlichen Skandal: Damals hatten ein paar italienische Soldaten einen Jungen, der ihnen verdächtig vorkam, aufgegriffen, brutal zusammengeschlagen und schliesslich an einem Spiess über einem offenen Lagerfeuer geröstet - die Sache flog auf, weil die Beteiligten während ihrer Tat eine ganze Serie von Fotos geschossen hatten, und dieselben solange kursieren liessen, bis sie einem Vorgesetzten in die Hände fielen. Auf einem der Fotos sieht man, wie ein Täter den Bratspiess dreht, während die anderen mit lachen und Bier trinken.
Wenn ich mich nicht irre, hatten die Kanadier in Somalia einen ähnlichen Fall, in dem das Opfer aber überlebt hat.
>Die Fotos im Irak wurden von Leuten gemacht, die wissen, daß es die Haager Landkriegsordnung und die Genfer Konvention gibt.Zumindest einer der Täter baut seine Verteidigung darauf auf, dass man ihm in der Ausbildung nie etwas von den Genfer Konventionen gesagt habe, und er somit nicht gewusst habe, dass er etwas verbotenes tue. - Ich würde nicht von vornherein ausschliessen, dass der Mann tatsächlich so blöd ist, wie er sich gibt...
Sie wissen auch, daß sie in einem normalen demokratischen Land für solche Vergehen ins Gefängnis kommen würden. Sie wissen auch, daß es dem Ansehen ihres Landes massiv schadet. Warum tun sie es trotzdem?Ich gehe davon aus, dass dies Subjekte bei ihren Taten Vergnügen empfanden.
>Was im Irak passiert, kann nur bei Billigung durch die vorgesetzten Offiziere passieren.Dies ist zwar nicht unbedingt zwingend, aber ich gehe ebenfalls davon aus, dass es unter den Vorgesetzten zumindest Mitwisser gegeben haben muss. In diesem Zusammenhan ist es sehr interessant, dass der letztes Jahr ernannte Chef des Armee-Geheimdienstes laut Peter Scholl-Latour ein religiöser Fanatiker ist.
Vor seinem Abflug in den Irak hat er in seiner Kirche eine Abschiedspredigt gehalten, in der er sagte, dass der Irak-Krieg in erster Linie aus zwei Gründen notwendig sei: Zum einen müsse man die nahöstlichen Christen vor Saddam Hussein schützen (was Unsinn ist: Unter Saddam Hussein ging es diesen, gemessen an anderen Nahoststaaten recht gut, insbesondere war die Religionsfreiheit gegeben), der andere Grund sei der, dass die Moslems Satanisten seien, denn "Allah" sei mit "Satan" übersetzen.
Offenbar hat dem guten Mann niemand gesagt, dass die arabischen Christen ihre Gebete ebenfalls an Allah richten (die korrekte Übersetzung von "Allah" lautet natürlich nicht "Satan", sondern "Gott"), schlimmer noch, er hat es offenbar auch nicht als notwendig erachtet, sich vor seinem Irak-Einsatz mit den dortigen Sitten und Gegebenheiten vertraut zu machen.
Ob die Folterungen nun direkt befohlen wurden oder nicht, Fakt ist, dass die Kommandokette in Abu Ghreib versagt hat: Generalin Karpinski, die damalige Leiterin des Gefängnisses, verteidigt sich ja damit, dass die Taten in einem Gebäudeflügel stattgefunden hätten, den sie selbst nie betreten habe, weil dort ja bereits der militärische Nachrichtendienst zum Rechten gesehen habe. - Eine dümmere Ausrede hat man wohl noch nie gehört: Als Gefängnisdirektorin wäre es ihre Pflicht gewesen, in der ganzen Anlage Präsenz zu markieren und die Einhaltung der Disziplin unter ihren Untergebenen zu überwachen. - Eine solche "Verteidigung" müsste sich eigentlich strafverschärfend auswirken.
Nebenbei bemerkt: Es ist mir ohnehin ein Rätsel, wer auf die Schnapsidee gekommen ist, Abu Ghreib ausgerechnet von einer Frau leiten zu lassen - Jeder, der sich mit den dortigen Sitten und Gebräuchen auch nur oberflächlich auskennt, weiss doch, dass diese Tatsache an sich schon geeignet ist, den Zorn der Einheimischen zu erwecken...
Die Veröffentlichung dieser Fotos jetzt kann nur den Zweck haben, die arabische Welt weiter gegen die Westen aufzuhetzen und den Kampf der Kulturen anzuheizen.Zur Erinnerung: Bis auf zwei Brigaden sind alle Einheiten der US-Streitkräfte bereits gebunden - Womit also sollen die USA Deiner Meinung nach den nächsten Staat angreifen? Ich glaube schon, dass die Neocons dies gerne würden, aber ohne die notwendigen Truppen wird es auf absehbare Zeit bei blossen Phantastereien bleiben.
mfG,
Swissman
P. S.: Die Bilder wurden ursprünglich vom Schwager eines Beschuldigten an David Hackworth übergeben, der sie schliesslich an die Medien übergab. Hackworth ist einer der höchstdekorierten, noch lebenden amerikanischen Soldaten. Ich halte ihn für einen sehr integren Mann, der sich niemals für Spielchen der von Dir befürchteten Art hergeben würde. Im Gegenteil: Im Pentagon ist er alles andere als beliebt, weil er seit Jahr und Tag gegen Misstände in den US-Streitkräften, insbesondere gegen unfähige Offiziere (er spricht für gewöhnlich von "perfumed princes" und von der "pentagon-mafia"), vorgeht.
Einige Wochen bevor er sich dazu entschloss, sich an die Medien zu wenden, schickte er die Bilder an 16 Senatoren, mit der Bitte, eine Untersuchung in die Wege zu leiten - bis heute hat es kein einziger dieser Herren für nötig gefunden, David Hackworth auch nur zu antworten. Dafür spielen einige von ihnen nun vor den Öffentlichkeit die Ahnungslosen, die davon aus der Presse erfahren hätten... *würg*
- Re: Einige Gedanken zu den Folterbildern im Irak. Georg 13.5.2004 08:44 (0)