Re: Heute bin ich penetrant: Das fehlende Glied in der Kette!!!
Geschrieben von JeFra am 08. Mai 2004 07:14:40:
Als Antwort auf: Re: Heute bin ich penetrant: Das fehlende Glied in der Kette!!! geschrieben von Bine am 07. Mai 2004 11:54:17:
Hmmm, Erpressung würde ich das nicht nennen. Ich bin der Meinung, daß sich die Türkei mit Kemal Atatürk zusammen bereits vor langer Zeit dazu entschlossen hatte, ein europäisches Land zu werden.
Das sehe ich nicht so. Gerade unter Atatürk wurden ja die Griechen weitgehend aus der Türkei vertrieben, teilweise im Austausch gegen Türken aus Griechenland. Der bekannte griechisch-deutsche Mathematikar Caratheodory ist damals nach München gekommen, weil er in Smyrna nicht länger bleiben konnte. Sie werden behaupten, daß eben Krieg zwischen diesen Ländern war. Ich habe Bilder des französischen Viertels in Smyrna nach dem Fall der Stadt gesehen (etwa D. Fromkin, A peace to end all peace, Bild 41), die aussehen wie die Bilder Dresden oder Hiroschima nach dem Flächenbombardement oder dem Atombombenabwurf. Und zwischen Frankreich und der Türkei war damals kein Krieg. Ich finde, wenn es Atatürk wirklich um die kulturelle Annäherung an Europa gegangen wäre, hätte er das damals durch die großmütige Behandlung der griechischen Minderheit beweisen können. Sicherlich hat es eine Modernisierung der Türkei mit Übernahme von Elementen der europäischen Kultur gegeben, aber in welchem Land hat es das nicht gegeben? Ich glaube, es liegt hier die Übernahme der praktisch nützlichen Elemente der europäischen Kultur vor, aber die Wesensart des Volkes nicht verändert hat. So wie in China und Japan auch. Die Scheinanpassung der Juden an die europäische Kultur ab dem 17. Jhdt dürfte wohl das erste Beispiel für eine Entwicklung dieser Art sein.
In diesem Falle war z.B. die Türkei wesentlich besorgter um die Belange des Westens (zu dem sie sich zugehörig fühlte), wobei die BRD nichts besseres zu tun hatte, als einen Terroristen wie Metin Kaplan Unterschlupf zu gewähren ...
Ich würde schon sagen, daß die Türkei ihre eigenen Interessen vertreten hat, indem sie das Aufkommen eines Steinzeitislamismus auf ihrem Territorium verhindert hat. So wie es im eigenen Interesse der Türkei lag, sich gegen Sowjetrußland zu verteidigen. Eine selbstslose Aufopferung für westliche Interessen sehe ich da nicht. Die Türkei hat in diesen Fragen westliche Interessen vertreten, solange diese mit ihren eigenen übereinstimmten.
Eine Lehrerin mit Kopftuch in der Türkei ? Unmöglich, weil gegen das Gesetz !
Das zeigt eben, daß die Modernisierung der Türkei nur eine oberflächliche war. Wenn es beispielsweise bei uns keine Bekundungen des christlichen Glaubens mehr gibt wie auf den Philippinen, wo die Leute sich in Nachahmung der Leiden Christi in Osterprozessionen den Rücken blau hauen oder sich für ein paar Minuten mit durchbohrten Handflächen ans Kreuz hängen lassen, dann ist das nicht deswegen so, weil solche Glaubensmanifestationen durch ein Verbot verhindert werden. Der Grund besteht allein darin, daß niemand mehr den dafür nötigen Glauben hat. Atatürk hat eben mit höchst drastischen Maßnahmen gegen massiven Widerstand in der Bevölkerung diejenigen Anpassungen an die Moderne durchgesetzt, die notwendig waren, damit die Türkei nicht als Staat von der Bildfläche verschwindet. Diese Politik büßt wahrscheinlich nicht zuletzt deshalb an Attraktivität ein, weil das westliche Gesellschaftsmodell, bedingt nicht zuletzt durch die meiner Meinung nach von den Juden zu verantwortende Kulturrevolution der 68iger, seinen Vorbildcharakter verloren hat.
Die Menschen in der Türkei (insbesondere die einfachere Schicht) ist übrigens den Menschen in Griechenland und Jugoslawien (darunter verstehen ich den alten Begriff vor der Zerstückelung) in der Lebensweise und von der Kultur her sehr ähnlich, Kopftücher haben insbesondere die alten Frauen der Landbevölkerung alle auf !
Ich möchte hier nochmals auf einen meiner früheren Beiträge in diesem Forum und zwar speziell auf die Krawalle bei dem Fußballspiel vor einigen Monaten verweisen. Da der Spiegel-Beitrag anscheinend nicht mehr kostenlos ist, vielleicht einige Zitate aus dem Text, den ich damals gespeichert habe:
Im Tunnel zu den Kabinen waren die deutschen Spieler nach dem 1:1 gegen die Türkei von Polizisten, Ordnungskräften und Sicherheitsbeamten geschlagen, getreten und übel beschimpft worden. "Haben wir hier Krieg?", rief DFB-Trainer Uli Stielike, "so etwas habe ich noch in keinem Stadion der Welt erlebt." ... "Spieler von uns sind von Polizisten und Sicherheitskräften geschlagen worden. Der eine blutet, der andere hält sich in der Kabine ein Handtuch an den Kopf", sagte Stielike. Der Wolfsburger Maik Franz erlitt am linken Ohr eine Platzwunde, nachdem ihm ein Ordner mit einem Walkie-Talkie aufs Ohr geschlagen hatte. "Das war das schlimmste Spiel meines Lebens", stöhnte Franz.
"Mir hat ein Polizist vors Bein getreten", sagte Torschütze Benjamin Auer, der wegen der Blessur ebenfalls behandelt wurde. Selbst Schiedsrichter Michael Benes musste von DFB-Arzt Michael Preuhs am Kopf mit zwei Stichen genäht werden. ...
Dazu ist mir kein analoger Vorfall mit Griechen oder Bulgaren bekannt. Dasselbe gilt für den Vorfall am Terra-College in Den Haag, wo sich die türkischen Mitschüler des ebenfalls türkischen Todesschützen mit diesem solidarisiert haben. Siehe hier oder odes Material aus dem Volkskrant, daß ich mal (sehr zum Verdruß von DaveRave) für dieses Forum übersetzt habe.
Übrigens halte ich die EU-Osterweiterung ohnehin für falsch und für ein Verbrechen am deutschen Volk. Selbst wenn Ihre Behauptungen über die angeblich gleichartige Mentalität von Türken und Bulgaren richtig wären, wäre das also nur ein weiteres Argument gegen einen möglichen EU-Beitritt Bulgariens.
Der Vorwurf, daß Atatürk eine pantürkische Bewegung zur Vormachtstellung der Türkei im asiatischen Raum ins Leben hat rufen wollen, entbehrt jeder Grundlage.
Das scheinen manche Türken eben anders zu sehen. Ich hatte hier mal auf eine Diskussion im Politikforum hingewiesen, wo meiner Meinung bei den beteiligten Türken (und selbst bei einem Ungarn) deutliche Sympathien für den pantürkischen Nationalismus auszumachen waren. Einer der Türken hatte damals dieses Motto (inzwischen geändert, was das Politikforum anscheinend erlaubt) benutzt und sich dafür auf Atatürk berufen:
Oguz, Kırgız, Tatar, Özbek, Kazak ve Yakut yok, yalnız Türk vardır
Wie ich Ihnen hier erklärt habe, habe ich dazu etwas gegurgelt und dieses Buch über die türkische Außenpolitik Atatürks gefunden:
Anavatan olarak bizlere Orta Asya'yı, yani Türkistan'ı gösteren, bütün Türklerin oralardan nasıl yayıldıklarını, nasıl kardeş olduğunu anlatan, "Oguz, Kırgız, Tatar, Özbek, Kazak ve Yakut yok, yalnız Türk vardır" diye resmen bu işin öncülüğün yapan ilk Türk lideri Atatürk olmuştur.
Ich kann den Satz nicht richtig übersetzen (im Gegensatz zu dem obigen Motto, das ja ganz einfach zu verstehen ist). Mir scheint, der Autor dieses Buches will behaupten, daß der Spruch tatsächlich von Atatürk stammt. Ich wäre auch an Ihrer Übersetzung des folgendes Satzes aus der zitierten Quelle interessiert:
Rusların ve Batı dünyasının petrol gibi stratejik bir doğal kaynak paylaşımından daha büyük pay alabilme politik yarışında pek etkisi olmayan Türkiye'yi etkin kılmak isteyen Atatürk, İslam Düyası kozunu oynayarak Rusları köşeye sıkıştırma planları yapıyordu.
Ich lese Dünyası statt Düyası, was auch google vorschlägt, wenn Sie "İslam Düyası" in die türkischsprachige Suchfunktion eingeben. Dann verstehe ich die zweite Hälfte des Satzes so, daß Atatürk Pläne gemacht hat (planları yapıyordu), Rußland unter Ausspielung der Trumpfkarte der islamischen Welt (İslam Dünyası kozunu oynayarak) in die Ecke zu drängen (köşeye sıkıştırma). Ich hatte das wie gesagt schon einmal bemerkt und von Ihnen keine Antwort darauf erhalten. Wenn ich mich mit meinen Übersetzungsversuchen täusche, würde mich das selbstverständlich auch interessieren. Da ich von vornherein klargemacht habe, daß ich mir nicht sicher bin, wäre mir selbst ein massiver Übersetzungsfehler nicht sonderlich peinlich. Allerdings fühle ich mich sehr wohl im Stande, Fragen zu Ihrer Übersetzung zu stellen. Wenn Sie nicht antworten, werde ich davon ausgehen, daß der obige Spruch (... yalnız Türk vardır) tatsächlich auf Atatürk zurückgeht und daß auch meine Teilübersetzung des zweiten Zitates in der Hauptsache zutreffend ist. An dieser Stelle geht es da zwar um die Meinung des Buchautors und nicht mit Sicherheit um die Ansichten Atatürks. Wenn man sich die Links auf der von mir zitierten Webseite anschaut, hat man aber nicht den Eindruck, es mit irgendeinem extremistischen Buchversand zu tun zu haben.
Ich schreibe in ein paar Stunden noch eine Antwort auf Ihren früheren Beitrag. Ich war damals in Zeitnot und sogar für einige Tage ganz offline. Nach meiner Rückkehr war das Thema schon im Archiv und ich wollte nicht von mir aus eine neue Diskussion zu der etwas themenfremden Frage lostreten. Da Sie das jetzt ohnehin getan haben, halte ich es für sinnvoll, meine Antwort an dieser Stelle zu bringen.
MfG
JeFra