Re: Zu sehr über einen Kamm geschoren
Geschrieben von Marc Malbec am 27. April 2004 15:24:19:
Als Antwort auf: Moralinsaurer Kommentar geschrieben von franke43 am 27. April 2004 14:20:06:
Hallo Franke,
mich wundert, daß ein geschichtlich so gut informierter Mensch (Polen) in einer anderen Frage alle über einen Leisten schlägt. Leider zu unserem Nachteil, worin für mich ich das eigentliche Problem zu liegen scheint.
>Aber was sich da abspielt, ist nichts weiter als die
>Fortsetzung des Kolonialismus mit anderen Mitteln.Völlig richtig. Scholl-Latour meint, was sich die, vor allem amerikanischen Großkonzerne in Afrika an Ausbeutung erlauben, sei viel schlimmer als es in den Zeiten der Kolonialherrschaft je gewesen ist. Damals hätte man die fremden Länder als eine Art Eigentum betrachtet und sich um gewisse Minimalien wie Infrastruktur und Gesundheitswesen gekümmert. Albert Schweitzer in Lambarene ist dafür vielleicht kein schlechtes Beispiel.
>Früher britische, belgische, deutsche oder französische
>Mandatstruppen und "Schutzgebiete", danach amerikanische
>Geheimdienstler, danach international angeworbene und
>privat angeheuerte Söldnertruppen.Die größten Kolonialmächte aller Zeiten (Du hast Spanien vergessen) und die kleinste, Deutschland, über einen Kamm zu scheren, grenzt an Demagogie. Der Grundtendenz stimme ich natürlich zu, ich meine nur, es sind dringend Differenzierungen angebracht, und zwar ganz eindeutig zu Gunsten Deutschlands. Deutschlands irakische Ölkonzessionen wurden im Versailler Vertrag unrechtmäßig geraubt, niemals wurde Wiedergutmachung geleistet, und dann soll ich eine Sprachregelung akzeptieren, die von "uns Weissen" spricht.
Die Iraker sehen das sehr viel differenzierter als Du. Irgendwo im Web geistert eine Nachricht herum, daß ein irakischer Widerständler der Tod der beiden GSG-9-Beamten bedauert haben soll. "Wenn sie als Deutsche erkennbar gewesen wären", wird er zitiert, "hätten wir sie nicht angegriffen".
Dieser Iraker ging sogar so weit, zu sagen: "Wenn unser Land von Deutschen besetzt wäre, hätten wir damit überhaupt kein Problem." Offenbar hat er im Hinterkopf, daß im 1. WK Deutsche, Iraker und Türken gemeinsam gegen die derzeitigen Okkupanten, die Briten und damit auch die Amerikaner, gekämpft haben.
>Das Muster ist immer dasselbe:
>Wir Weissen (egal ob aus Europa oder USA) massen uns jeder-
>zeit und überall und mit allen erdenklichen Mitteln das
>Recht an, den Menschen anderer Hautfarbe die Reichtümer
>ihrer Länder und manchmal sogar ihre ganzen Länder wegzu-
>nehmen und damit nach unserem Willen zu verfahren. Dabei
>ist es prinzipiell egal, ob die offiziellen weissen
>Staaten dahinterstehen oder die von weissen Aktieninhabern
>gesteuerten Privatkonzerne.So etwas wie "Wir Weisse" gibt es nicht, das ist ein oft gebrauchter rhetorischer Dreh, um Deutsche für Dinge in Haftung zu nehmen, sprich, zahlen zu lassen, die sie garantiert nicht zu verantworten haben. Die Geschichte Europas und zweier Weltkriege entlarvt diese Wendung als realitätsferne Konstruktion.
Es muß doch auffallen, daß von der Gemeinschaft der Weißen oder Europäer immer dann die Rede ist, wenn uns Pflichten auferlegt werden sollen. Den umgekehrten Fall habe ich bis jetzt noch nicht ein einziges Mal erlebt. Mir würde Vieles einfallen, was ausschließlich Deutschland zur Last gelegt wird, und von dem man mit noch mehr Plausibilität sagen könnte, "wir Weissen" haben die Untaten begangen.
>Und wir sind auch erfinderisch, wenn es um Vorwände und
>Argumente geht, warum das alles genau so sein und auch
>immer bleiben müsse (streng nach Macchiavelli).Mich stört es, wenn dieses "Wir" auch auf mich ausgedehnt werden soll. Ich könnte jetzt anführen, wer sich mit dem Sklavenhandel goldene Nasen verdient hat (sogar der SPIEGEL hat an dieses Tabu gerührt), und Dich fragen, ob Du immer noch von "Wir" sprechen würdest, und wenn ja, ob Du Dir die Konsequenzen aumalen könntest?
>Und wehe, ein Afrikaner wie etwa Mugabe masst sich an,
>die Privilegien der Weissen massiv in Frage zu stellen
>und das Land ihrer Ursprungsbevölkerung zurückgeben zu
>wollen.Völlig richtig. Afrika den Afrikanern, Afghansistan den Afghanen, Irak den Irakern, und so weiter und so fort.
Marc Malbec
- Gleicher Kamm für alle ? franke43 27.4.2004 15:44 (20)
- Re: weiss ist schlecht! - also ist bunt gut? detlef 27.4.2004 20:54 (0)