Re: Keilschrift??? Her damit
Geschrieben von JeFra am 19. April 2004 20:04:35:
Als Antwort auf: Re: Keilschrift??? Her damit geschrieben von Gilgamesch am 19. April 2004 17:03:24:
Aber dann müsstest du mir den Original geben.
Das Original müßte sich auf der Hammurapi-Stele finden. Die altbabylonische Keilschrift aus der Zeit Hammurapis war anscheinend der sumerischen Keilschrift aus der Zeit des Gudea von Lagasch und der dritten Dynastie von Ur ziemlich ähnlich. Die Schriftzeichen würden also den Schriftzeichen auf der Gudea-Statue, auf die ich in meinem vorherigen Beitrag verwiesen habe, stärker ähneln als der neuassyrischen Keilschrift, wie sie etwa in den Annalen Sanheribs verwendet wurde. Allerdings kann ich das nicht mit Sicherheit sagen, da ich bisher noch in keinem Buch eine genügend lesbare Abbildung eines Ausschnittes aus der Hammurapi-Stele gesehen habe. Moderne Lehrbücher des Akkadischen (so z. B. das vorhin erwähnte von Marcus) benutzen gerne den Codex Hammurapi als Einführungstext, ersetzen aber dabei die altbabylonischen Keilschriftzeichen durch ihre neuassyrischen Varianten, weil ein professioneller Assyriologe anscheinend die neuassyrische Keilschrift zuerst lernt.
Da die Europäer die Aussprache nicht richtig wiedergeben.
Die Aussprache soll durch die Transliteration auch nicht richtig wiedergegeben werden, sondern es soll der Keilschrifttext wiedergegeben werden. Allerdings teilweise interpretiert. Ich gebe nochmal die Transliteration wieder, nach Ungnad-Mattous, Grammatik des Akkadischen, §3j. Das š sollte auf Ihrem Bildschirm wie ein `s' mit einem daraufgesetzen `v' aussehen und gibt einen Zischlaut (etwa wie sch im Deutschen) wieder. Ich habe die Stelle so auch in Marcus aaO in neuassyrischer Keilschrift gesehen:
šum-ma a-wi-lum NÍG.GA DINGIR ù É.GAL
iš-ri-iq a-wi-lum šu id-da-ak ù ša
šu-ur-qa-am i-na qá-ti-šu im-hu-ru id-da-ak
Die mit Großbuchstaben transliterierten Keilschriftzeichen werden als Sumerogramme gelesen. Also genauso, wie sie in einem sumerischen Text Verwendung finden würden. Diese Lesung liefert den gemeinten Begriff. Das mit DINGIR wiedergegebene Zeichen kann man im Prinzip auch als Silbenzeichen `an' lesen oder auch als Determinator vor den Namen von Göttern. Diese beiden Alternativen ergeben aber im obigen Text keinen Sinn, so daß die Lesung als Sumerogramm genommen wid: Sumerisch DINGIR = Deutsch Gott = Akkadisch ilum. Transliterierte Keilschrift ist also teilweise schon interpretiert. Die Transkription, die die Phonetik wenigstens teilweise wiederzugeben versucht, liest sich laut Ungnad/Mattous aaO wie folgt:
šumma awiilum namkuur ilim u ekallim
išriq awiilum šuu iddâk u ša
šurqam ina qaatišu imhuru iddâk
Die doppelt geschriebenen Vokale sind lang, was Ungnad/Mattous durch Überstrich andeuten. Der Hut im Schriftzeichen â hat, soweit ich es verstehe, keine phonetische Bedeutung, sondern sagt nur, daß dieses `a' durch Vokalkontraktion zustandekommt.
Nach der altbabylonischen Zeit entfällt die Mimierung bei den Substantiven im Singular, der obige §6 des Coded Hammurapi wäre dann vielleicht wie folgt zu transliterieren gewesen:
šumma awiilum namkuur ili u ekalli
išriq awiilu šuu iddâk u ša
šurqam ina qaatišu imhuru iddâk
Die akkadischen Substantive sind ziemlich leicht zu beherrschen. Es gibt nur Nominativ, Genitiv und Dativ/Akkusativ. Etwa das Wort für Gott: ilum/ilim(Genitiv)/ilam(Dativ/Akkusativ). Im Plural fällt die Mimierung weg, und der Endvokal wird gedehnt: iluu/ilii/ilaa. Neuassyrisch oder Neubabylonisch entfällt die Mimierung auch im Singular, der Singular lautet also in diesem Dialekt ilu/ili/ila und ist vom Plural nur durch den kurzen Endvokal zu unterscheiden.
Das Wort für Tor ist baabum/baabim/baabam/baabuu/baabii/baabaa. Neben diesen Fällen ist eine wichtige Konstruktion mit Substantiven der sogenannte status constructus, der durch Weglassen der Endsilbe bzw. des Endvokales gebildet wird und undeklinierbar ist. Beispielsweise ist baab der status constructus zu baabum. Das Regens der Genitivverbindung steht im status constructus, etwa in baab ilim = Tor des Gottes oder baab ilii= Tor der Götter, was eine altmesopotamische Volksethymologie für den (möglicherweise vorsumerischen) Namen der Stadt Babylon sein soll. Ähnlich biitum (zT wohl auch beetum) = Haus, als status constructus in biit humri (wenn ich mich richtig erinnere) = Haus des Omri, der assyrische Name für das jüdische Nordreich.
Es kann sein, daß man es hier mit einem Vokalwechsel e->i zu tun hat. ilum erinnert etwas an el, und das `i' in bitum erscheint meines Wissens in vielen westsemitischen Sprachen als `e'. Genau kenne ich mich da aber nicht aus, und auch was ich über das Akkadische geschrieben habe ist zT aus Lehrbüchern oder Wörterbüchern entnommen. Meine Erfahrung mit dem Akkadischen beschränkt sich auf das Lesen von etwa einem Dutzend Paragraphen des Codex Hammurapi in neuassyrischer Keilschrift. Die Einzelheiten der Rekonstruktion des Akkadischen durch Rawlinson sind mir nicht bekannt, und die Lehrbücher gehen darauf auch nicht ein.
Welche Sprache nun auf den Straßen Assurs in einer konkreten Epoche gesprochen wurde, ist vielleicht schwer zu klären. Allgemein scheint man zu glauben, daß zur Zeit des mittelassyrischen Reiches ein Dialekt des Akkadischen Umgangssprache war, der aber zur Zeit der Sargoniden durch das Aramäische verdrängt war. Ich weiß nicht, was Ihre Tradition dazu sagt. Die Schreiber der Sargoniden haben aber weiterhin einen akkadischen Dialekt geschrieben, wobei aber dieses Akkadisch für den Kenner den aramäischen Einfluß verraten soll. Der Adel wird vielleicht noch Spätakkadisch gesprochen haben, und Assurbanipal konnte seinen eigenen Behauptungen zufolge sogar noch sumerische Texte entziffern. Ich nehme an, daß Ihre Sprache sehr stark durch das Aramäische beeinflußt ist.
Gruss
JeFra