Re: A.H. beim Wort genommen
Geschrieben von Marc Malbec am 12. April 2004 23:22:25:
Als Antwort auf: Hitler. geschrieben von Guerrero am 12. April 2004 20:10:34:
Hallo Guerrero,
Du schreibst:
>Wenn du dies mit objektiven Sinn liest,
>so erkennst du,
>dass Hitler den 1. Weltkrieg weiterführen wollte.
>Er wollte ihn gewinnen.
>Hitlers Krieg war eine Fortführung des 1. Weltkrieges.
>Er schreibt klar, dass er nicht mit den Grenzen
>vor dem 1. Weltkrieg einverstanden ist.
>Er wollte mehr.
>Er wusste dass Frankeich und England den Krieg erklären wenn er in Polen
>einmaschiert.
>Das war Hitler egal.
>Er hatte sowieso den Feldzug gegen Frankreich eingeplant.
>Erst den Westen besiegen um dann gegen den Osten
>einen 1 - Frontkrieg führen zu können, war sein Ziel.Ich kann es nicht über mich bringen, mir Mein Krampf anzutun, mir wird beim Lesen schlecht, obwohl ich meine, mich einigermaßen abgehärtet zu haben.
Aber Deine Interpretation, wonach sich die Absicht, den 1. WK weiterzuführen, herauslesen läßt, kann ich nicht nachvollziehen; jedenfalls dann nicht, wenn wir A.H. beim Wort nehmen, und zwar nur beim Wort, und darauf verzichten, die heutige Sicht der Historie kurzerhand auf die 20er Jahre zu projizieren, als A.H. während der Landsberger Haft sein berüchtigtes Buch geschrieben hat.
Auch alles andere, was Du aus Mein Kampf zu entnehmen glaubst, gibt der Text nicht her, in keinster Weise. Lediglich der fanatische Antisemitismus ist ordentlich belegt.
Im übrigen ist es ein Fehler, von Absichten - die im vorliegenden Fall denkbar schlecht dokumentiert sind - mir nichts dir nichts auf das nachfolgende Handeln zu schließen.
Ich meine, daß Du mit Deiner Deutung, die aus dem Text absolut klare und eindeutige Aussagen herauslesen möchte, an dem Phänomen Faschismus im Allgemeinen und A.H. im Besonderen vorbeizielst.
Die Gefährlichkeit eines Hitler lag vielleicht sehr viel mehr in der Unschärfe, der Verschwommenheit, der Doppeldeutigkeit, dem Nebulösen seiner Ansichten und Meinungen. Mehr im Stimmungsmäßigen, das die Massen angezogen hat, als im Konkreten.
Wie sonst hätten er und seine Partei zu einer Projektionsfläche für die Wünsche und Sehnsüchte des Volkes werden können?
Am Beispiel Deiner Fundstellen mache ich mal den Versuch, A.H. ganz streng wörtlich auszulegen, so, wie man ihn vielleicht Anfang der 30er Jahre gelesen hätte, und bitte sehr entschieden, den Namen des Autors auszublenden.
>Mein Kampf.
>Ostorientierung oder Ostpolitik>Die Außenpolitik des völkischen Staates hat die Existenz der durch den Staat
>zusammengefaßten Rasse auf diesen Planeten sicherzustellen, indem sie zwischen der Zahl und dem Wachstum des Volkes einerseits und der Größe und Güte des Grund und Bodens andererseits ein gesundes, lebensfähiges, natürliches Verhältnis schafft.Völkischer Qualm, Anklänge an Rassistisches, Zeitgeschmack; nicht viel schlimmer als Ähnliches bei Gobineau oder Chamberlain. "Rasse" kommt wohl aus dem Französischen, aus "la racine", die Wurzel. Muß noch nichts Böses bedeuten, in Frankreich kennt man die Redensart "il n´est pas de ma race", was soviel heißt wie, er ist nicht von meinem Schlage, mit ihm kann ich nicht viel anfangen.
Das Verhältnis von Volkswachstum und Größe von Grund und Boden kann auch so ausgelegt werden, daß Geburtenkontrolle zu praktizieren ist.
>...kommt der Grundfläche eines Staates außer ihrer Bedeutung als direkte Nährquelle eines Volkes auch noch eine andere, die militärpolitische, zu.
>Die Forderung nach Wiederherstellung der Grenzen des Jahres 1914 ist ein politischer Unsinn von Ausmaßen und Folgen, die ihn als Verbrechen erscheinen lassen. Die Grenzen des Jahres 1914 bedeuten für die Zukunft unserer deutschen Nation gar nichts. In ihnen lag weder ein Schutz der Vergangenheit, noch läge in ihnen eine Stärke für die Zukunft.Kein Wort über einen geplanten Krieg. Eher das Gegenteil, "politischer Unsinn". Dazu paßt, daß A.H. noch kurz vor 1939 erklärt hat, keine Gebietsansprüche (Elsaß-Lothringen) an Frankreich stellen zu wollen.
>Demgegenüber müssen wir Nationalsozialisten unverrückbar an unserem außenpolitischen Ziele festhalten, nämlich dem deutschen Volke den ihm gebührenden Grund und Boden auf dieser Erde zu sichern.
Immer noch kein Wort über Kriege. Klingt eher nach einer Absicherung des Reichsgebietes gegenüber möglichen Abtretungen.
>Der Grund und Boden, auf dem dereinst deutsche Bauerngeschlechter kraftvolle Söhne zeugen können, wird die Billigung des Einsatzes der Söhne
>von heute zulassen, die verantwortlichen Staatsmänner aber, wenn auch von der Gegenwart verfolgt, dereinst freisprechen von Blutschuld und Volksopferung.Könnte zynisch sein und sagen: Die USA opfern laufend ihre Söhne, ohne daß sich auch nur einer Gedanken um Schuld und Opfer machen würde, und die "Blutschuld" versucht man uns (Mahnmal, Zahlungen etc.) in die Schuhe zu schieben.
>So sehr wir heute auch alle die Notwendigkeit einer
>Auseinandersetzung mit Frankreich erkennen, so wirkungslos bliebe sie in der Linie, wenn sich in ihr unser Außenpolitisches Ziel erschöpfen würde.Von Auseinandersetzung ist die Rede, nicht vom Krieg. Nach dem Versailler Diktat-Frieden nicht so ungewöhnlich, daß in Richtung des westlichen Nachbarn unfreundliche Worte fallen. Die Vertreter des organisierten Judentums waren in ihren Haß-Erklärungen viel, viel klarer.
So wie es dasteht, könnte auch ein Treffen bei "Spiel ohne Grenzen" gemeint sein. Wie gesagt, ich sehe die Gefährlichkeit A.H.s ganz woanders: in der Verschwommenheit.
> Sie kann und wird nur Sinn erhalten, wenn sie die Rückendeckung bietet für eine Vergrößerung des Lebensraumes unseres Volkes in Europa.
Zum ersten Mal eine Stelle, die an imperialistische Expansion erinnert, wie sie von anderen Völkern bedenkenlos praktiziert wurde und immer noch wird. Ich denke gerade an "Amerikanischen Lebensraum im Nahen Osten", oder "kommt der Grundfläche eines Staates außer ihrer Bedeutung als direkte Nährquelle eines Volkes auch noch eine andere, die militärpolitische, zu."
"Nährquelle" bitte ich durch "Ölquelle" zu ersetzen.
>Aber wenn wir heute in Europa von neuem Grund und Boden reden, können wir in erster Linie nur an Rußland und die ihm untertanen Randstaaten denken.
Der zweite Hinweis auf Ausdehnung des Staatsgebietes. Wieder ist zu beachten, welche Worte und Begriffe NICHT verwendet werden: Krieg, Eroberung, Raub, Waffeneinsatz, Wehrmacht, halt die ganze martialische Requisitenkammer.
Was den krankhaften Antisemitismus betrifft, habe ich Dir bereits zugestimmt. Trotzdem heißt das noch lange nicht zwingend, daß von Anfang an eine Art "Endlösung" geplant war.
Zunächst sollte die Auswanderung nach Palästina vorangetrieben werden. Wenn alles so eindeutig gewesen ist, wie Du glaubst, dann frage ich mich, wieso der damalige Oberrabiner Leo Baeck mal gemeint hat, ich zitiere aus dem Gedächtnis, die "nationalsozialistische Rassenpolitik werde von der zionistischen Bewegung gebilligt, sei sogar mit ihr identisch".
Marc Malbec
- A.H. ernst genommen. Guerrero 13.4.2004 19:01 (0)