Re: wir leben in einem demokratischen Rechtsstaat

Geschrieben von Johannes am 09. April 2004 21:58:25:

Als Antwort auf: Re: wir leben in einem demokratischen Rechtsstaat geschrieben von franz_liszt am 09. April 2004 18:44:10:

> Es gibt doch bei uns keine Verschwörungen, nicht wahr Johannes?


Hallo Johannes,

also gut, wenn Du mich schon fragst... ;-)

Natürlich gibt es Verschwörungen. Je nachdem, wie man Verschwörungen definiert, sind sie fast die natürlichste Sache der Welt, denn man kann es immer dann schon als Verschwörung bezeichnen, wenn 2 ihre Ziele gemeinsam besser durchsetzen können als alleine. Gewerkschaften betreiben ihre Art der Verschwörung sehr offen, die Tankstellen über Ostern etwas indirekter, einige andere versuchen es ganz zu verbergen.

"Verschwörung" als der Versuch, die eigenen Ziele ohne große Aufmerksamkeit und auf indirektem Weg zu erreichen, gibt es also durchaus. Nur, als je geheimer ich die Verschwörung darstelle, desto mehr kann ich frei spekulieren und einfach etwas behaupten, ohne daß ich etwas beweisen muß.

Ist die englische Königin z.B. in Wahrheit eine Echse, wie es teils im Internet zu lesen ist? Die in ihrer Tarnung als Mensch die Welt erobern und knechten will? Oder haben die wahrhaft guten Hintergrundmächte gerade zu einer Pressekonferenz eingeladen und mehrere Hundert Journalisten warten bereits seit Tagen darauf, daß die Pressekonferenz beginnt und die Verhaftung von Bush verkündet wird? Auch das ist eine der bekannten Internet-Verschwörungsweisheiten.

Diese Art der Verschwörungstheorie baut darauf auf, erstmal etwas völlig unrealistisches zu behaupten. Der andere kann sich dann ja mal bemühen, das Gegenteil zu beweisen. Wo sollen denn die angeblichen Journalisten sein und warum berichtet die Presse nichts davon? Psst, ganz geheim, nur Du und ich wissen davon, die dumme Weltöffentlichkeit bekommt das erst in ein paar Tagen mit. Wir können uns aber schon mal drauf vorbereiten...

Das ist die eine Art von Verschwörungsdiskussion. Die andere ist die Art, die z.B. in einem defekten Aufzug eine Verschwörung der Hersteller und Wartungsfirmen sieht - statt erstmal das naheliegende anzunehmen, daß schlichtweg Geldmangel (Preiskampf) zu Schlamperei führt und Folgen hat, mithin als Meldung also relativ uninteressant ist. Außer einer kleinen Bestätigung für das, was wir hier ohnehin alle wissen, daß es wirtschaftlich eben nicht gerade bergauf geht.

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Etwas anderes wären Verschwörungsdiskussionen, wenn man sich mal ohne die üblichen Vorurteile und Verurteilungen/Schuldzuweisungen Gedanken macht, wem was dient. Also nicht nur Theorien in der Art, daß die Behauptung "Die xxxxx sind an allem schuld" in jedes Ereignis (und in sein Gegenteil) hineininterpretiert wird, womit man dieses (Vor)Urteil mal wieder als bestätigt ansieht.

Was durchaus sinnvoll und passend ist, das wäre z.B. die Feststellung, daß die US-Kräfte derzeit im Irak massiv gebunden sind. Wem nützt das? Und ist es letztendlich nur Zufall - oder wurden die USA damit gezielt in eine Falle gelockt, aus der sie kaum wieder herauskommen, ohne zumindest das Gesicht zu verlieren?

Diese echten Hintergrunddiskussion würde ich durchaus als sinnvoll für das Forum ansehen. Aber eben nicht nach dem Motto, was immer Böses geschieht, das müssen doch die xxxxx oder eben die Amis gewesen sein (während man die Flächenbomdardements auf Zivilisten, die von den Russen ausgeführt werden, lieber nicht beachtet).

Sprich, die diversen Sprüche wie "Kann Bush überhaupt lesen?" empfinde ich für dieses Forum als absolut unpassend, ich erwarte hier einfach mehr. Wer ist es, der die USA eben nicht zur Weltherrschaft, sondern zum Niedergang führen will, indem er die Streitkräfte in letztendlich sinnlosen Aktionen bindet? (Öl hätten die USA viel billiger und sicherer haben können). Sicher, die USA wurden nicht gezwungen, in diese Falle zu gehen - gerade das macht die Frage interessant, wie sie so geschickt in die Falle gelockt wurden, daß verschiedene Einzelinteressen interessanter klangen, als auf die Verführung zu achten. Wie schafft man es, jemand so in die Falle zu locken, daß er geradezu freiwillig hineintappt?

Der Hauptschwerpunkt sollten aber die Prophezeiungen sein. Also nicht die Verkündigung diverser persönlicher Feindbilder anhand der Tagesnachrichten, sondern die möglichst sachliche Bestandsaufnahme und der Versuch, die Prophs für sich selbst sprechen zu lassen, statt die eigene Ansicht hineinzuinterpretieren.

Erinnerst Du Dich an den Schirinowski-Beitrag von Fred Feuerstein? Da war er selbst überrascht, zu welch klarem Bild die Prophs kommen, obwohl er das vorher politisch nicht so sah. Das ist es (dieser Ansatz), wie wir die Prophs betrachten und auf Stimmigkeit abklopfen sollten. Und nicht der Versuch, hinter der nächsten nicht funktionierenden Ampel eine Verschwörung zu sehen. Auch das mag seinen Sinn haben, das laß ich einfach stehen, aber der Schwerpunkt hier sind eben die Prophs.

Gruß

Johannes



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