Re: Deutschland auf dem aussterbenden Ast

Geschrieben von Madman am 05. April 2004 16:08:41:

Als Antwort auf: NACHRICHTEN (Dienstag, 05.04.2004) (owT) geschrieben von Johannes am 05. April 2004 01:02:11:

Geburtendefizit auch 2003 dramatisch gestiegen

Das Schlimmste an der Entwicklung ist, dass man so gut wie nichts mehr daran ändern kann. Wenn nicht ein Wunder geschieht und jedes Pärchen in Deutschland demnächst mindestens zwei Kinder in die Welt setzt, drohen langfristig gesellschaftliche Konflikte unbekannten Ausmaßes. Das erwarten jedenfalls Demographen, Soziologen und Wirtschaftswissenschaftler angesichts der unaufhaltsamen Alterung der Bundesbürger
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes vom Montag ist das Geburtendefizit 2003 erneut um 23.000 auf 143.000 Menschen angewachsen. Das ist Teil einer Entwicklung, die bereits seit 33 Jahren anhält. 1971 war das letzte Jahr, in dem in Gesamtdeutschland ein Geburtenüberschuss verzeichnet wurde. Nach den Vorausberechnungen der Wiesbadener Behörde werden im Jahr 2050 in Deutschland knapp 600.000 Menschen mehr sterben als geboren.

Die Wohlstands-Egoisten verweigern

Martin Textor vom Münchner Staatsinstitut für Frühpädagogik hat zahlreiche Gründe hierfür zusammengetragen. Zum einen verführt der wachsende Wohlstand die Menschen zunehmend zu Egoismus. Statt Kinder für teures Geld zu erziehen, behält man das Geld und konsumiert. Hinzu kommen zahlreiche soziokulturelle Ursachen: Single-Dasein und bewusster Verzicht auf Kinder werden gesellschaftlich akzeptiert, an jeder Ecke sind Verhütungsmittel zu haben, und man beschränkt die Kinderzahl, "damit die Ich-Entfaltung nicht zu sehr durch die Erziehungsaufgabe behindert wird", heißt es bei Textor.

Aber auch wenn das Wunder geschähe, wieder mehr Kinder geboren würden und jährlich noch 150.000 junge Leute aus dem Ausland einwanderten, ließe sich das Problem nur auf lange Sicht ausräumen. Weil nämlich die in den vergangenen 33 Jahren nicht Geborenen heute als potenzielle Eltern fehlen, "könnte auch die beste Familienpolitik mangels Adressaten das Blatt nicht wenden", schrieb der Bielefelder Bevölkerungswissenschaftler Herwig Birg kürzlich im Online-Dienst FAZ.NET.

Es droht der "Generationenkrieg"

Die Folge der Überalterung wird somit ein hoher Bedarf an Sozialkosten sein, insbesondere zur Versorgung der Alten. Denn die Experten rechnen damit, das bereits 2030 die Hälfte der Bürger in Deutschland älter als 55 Jahre sein und noch 25 bis 30 Lebensjahre vor sich haben wird. Bezahlen müssen das die Jungen mit hohen Renten- und Kassenbeiträgen. Der Wirtschaftswissenschaftler Meinhard Miegel befürchtet sogar eine Gefährdung der Demokratie, weil er mit dem Widerstand der Arbeitenden gegen allzu hohe Belastungen rechnet. Der Soziologe Reimer Gronemeyer warnt gar vor einem "Generationenkrieg".

Weltweit "demographisch bedingter Verteilungsstress"

Birg sieht darüber hinaus weitere Konfliktlinien, die auf die Menschen zukommen:
-Die Abwanderung junger Leute von Ost- nach Westdeutschland bedroht die demographische Substanz in den neuen Ländern.
- Die nichtdeutsche Bevölkerung wird in vielen Großstädten einen Anteil von 50 und mehr Prozent erreichen.
- Es droht eine Spaltung der Gesellschaft in Kinderlose und Familien mit Kindern, weil letztere neben dem finanziellen den viel wichtigeren "generativen Beitrag" zur sozialen Sicherung in Form der Erziehung künftiger Beitragszahler leisten.

Und nicht zuletzt warnt Birg vor einem globalen Alterungsproblem. Weil die Menschen auch in China und Amerika demnächst immer länger leben und mit wachsendem Wohlstand auch in den Schwellenländern die Geburtenrate zurückgehen wird, könnte die kapitalgedeckte Vorsorge für das Alter - der einzige Ausweg aus der Versorgungsfalle - weltweit knapp werden. Da die internationale Konkurrenz um renditeträchtige Kapitalanlagen sich zu verschärfen drohe, wird laut Birg "demographisch bedingter Verteilungsstress die Welt von morgen in kaum gekannter Weise prägen".




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