Re: Noch schäbiger als G. Mahler war Richard Wagner
Geschrieben von JeFra am 23. März 2004 13:17:14:
Als Antwort auf: Re: Noch schäbiger als G. Mahler war Richard Wagner geschrieben von Marc Malbec am 23. März 2004 11:50:32:
Wo ich glaube, daß Sie trotz Ihrer stringenten Logik kein wirklich stichhaltiges, zumindest auf problematische Weise einseitiges Urteil fällen, betrifft Gustav Mahler.
Das kann natürlich sein, daß ich mich z. B. über den Einfluß Hilberts auf die Allgemeine Relativitätstheorie differenzierter äußere, weil ich von dieser Frage mehr verstehe.
... und daß Rott nach einer vernichtenden Kritik von Seiten J. Brahms Suizid begangen haben soll.
Nein, er ist wahnsinnig geworden, so wie Schumann, Wolf und Smetana auch.
Aber aus den wenigen Werken Rotts sich so weit zu bedienen, daß am Ende 9 Sinfonien und mehr (Kindertotenlieder etc.) herauskommen, scheint mir nicht ganz überzeugend.
Das wollte ich so nicht behaupten. Der Einfluß Rotts auf Mahler ist zweifellos durchgehend massiv, aber im Spätwerk sicher nicht mehr dominant. Wobei ich gestehen muß, hier rein nach meinem Höreindruck zu urteilen. Der entscheidende Punkt ist, daß Mahler massiv von Rott beeinflußt ist, ohne dessen Sinfonie aufgeführt zu haben. Übrigens verleiht für mich die Affäre Rott der Behauptung Hugo Wolfs ein gewisses Maß an Glaubwürdigkeit, Mahler habe im eine Idee für eine Oper gestohlen (J. Carr, Gustav Mahler, Econ&List-Taschenbuch 1999), S. 43.
Sein Parsifal wirkt über weite Strecken wie ein äußerst raffiniert zubereiteter Aufguß von Felix Mendelssohns Reformationssinfonie. Würde Mendelssohn heute einen Plagiatsprozeß anstrengen, er würde ihn mit Pauken und Trompeten gewinnen. Bereits die ersten Takte des Parsifal-Vorspiels scheinen direkt aus der Reformationssinfonie zu stammen.
Kann schon sein. Ich kenne die Spielregeln in diesem Metier nicht so genau. Für mich ist hier der entscheidende Unterschied, daß die Reformationssinfonie wahrscheinlich allgemein bekannt war. Daß man aus bekannten Werken anderer Komponisten zitiert, ist vielleicht nicht so unüblich. Schostakowitsch hat sich im Finale seiner letzten Sinfonie bei Wagner und auch bei sich selbst bedient, angeblich auch bei Glinka. Jedenfalls unkt Ian MacDonald im Beiheft zu der Solti-Einspielung des Werkes (bei Decca), es sei «jedoch auch möglich, ... daß es ihm ohne sie [ die Zitate aus anderen Werken, JeFra] schwergefallen wäre, soviel bedeutsames Themenmaterial zusammenzustellen, daß es für ein Werk von 45 Minuten ausreichte.» Ich halte das nicht für sonderlich problematisch, solange man sich aus Werken bedient, die allgemein bekannt sind.
Zu Wagner generell kann ich nicht viel sagen, weil mir dessen Werk zu pathetisch ist, und die Libretti seiner Werke empfinde ich oft als verkitscht (so wie auch den Text zu `Das Lied von der Erde'). Aus diesem Grund habe ich von allen Wagner-Opern nur den Tannhäuser von Anfang bis Ende gehört. Auf der anderen Seite habe ich keinen Zweifel daran, daß Wagner ein genialer Komponist war. Das soll ja auch Johannes Brahms ausdrücklich bestätigt haben. Also es sind eher unüberbrückbare Mentalitätsunterschiede, deretwegen ich mit Wagner nicht furchtbar viel anfangen kann.
Und wie unendlich schäbig hat sich Wagner später seinen jüdischen Anregern gegenüber verhalten? Er hat sie nicht nur totgeschwiegen sondern auf eine Art und Weise verunglimpft, die an die Beispiele der Hetzpropaganda des 20. Jahrhunderts denken lassen.
Wie gesagt, der Unterschied ist hier, daß die Reformationssinfonie allgemein bekannt ist, was man bis vor 15 Jahren (und im Grunde auch jetzt noch) von Hans Rott nicht sagen kann. Das Streichquartett von Hans Rott soll genauso revolutionär sein wie seine Sinfonie, ist aber bis jetzt nicht auf CD erhältich. Wer weiß, ob ich es noch zu hören bekomme, bevor uns der Nahe Osten um die Ohren fliegt. Auch die Sache mit der möglichen Beeinflussung durch Heine sehe ich anders. Wissen wir denn von Verdi immer so genau, durch wen er bei der Wahl seiner Libretti beeinflußt wurde? Ich habe mal eine der Schrifen Wagners über Judentum und Musik überflogen und das Ganze eher als eine Feststellung von Mentalitätsunterschieden empfunden. Aber vielleicht habe ich das in der Eile falsch eingestuft und hätte genauer lesen sollen. An der Existenz der Mentalitätsunterschiede kann es auch keinen Zweifel geben. Sehen Sie doch nur mal, wie Wagner den Tannhäuser-Stoff behandelt und im Vergleich dazu wie Heine das in einem seiner Gedichte tut.
MfG
JeFra