US-Raketenabwehr in Polen und Tschechien

Geschrieben von Stephan Berndt am 15. März 2007 14:13:11:

FAZ, 15.März 2007, Seite 10

Artikel von Hans Rühle, ehemaliger Leiter des Planungsstabes im deutschen Bundesverteidigungsministerium

Inhalt:
Kanzlerin Merkels Versuche, Einfluss auf die geplante US-Raketenabwehr zu bekommen, indem diese zu einem Projekt der NATO gemacht wird, ist eine Täuschung, da sich viele europäische NATO-Staaten schon in Vergangenheit gegen das Raketensystem ausgesprochen haben! Das heißt: Frau Merkels Versuch, so eine heftige Gegenreaktion Russlands zu verhindern ist zum Scheitern verurteilt – und sie wird es wissen.

„Washington hat in Vorbereitung des Prager Nato-Gipfels 2002 sein Konzept einer nationalen Raketenabwehr – einschließlich der Orte für vorgeschobene Basen in Osteuropa – vorgestellt und eine Beteiligung der europäischen Verbündeten in Aussicht gestellt. Unter Beteiligung der zuständigen Minister der Regierung Schröder wurde in Prag beschlossen, angesichts einer „wachsenden Bedrohung durch Raketen“ eine Machbarkeitstudie für ein Raketensystem auszuarbeiten. Die Studie, deren technischer Teil 10000 Seiten umfasst, lag im Herbst 2006 vor. Doch nichts geschah. Schon unmittelbar nach dem Prager Gipfel in Riga im November 2006 war mehr als einige dürre Sätze, in denen der Abschluss der Studie zur Kenntnis genommen wurde, nicht konsensfähig. Es gab keine Perspektive mehr für ein Raketenabwehrsystem der Nato. Für die Vereinigten Staaten konnte das nur heißen, mit einem nationalen Konzept zu beginnen.
Es bleibt vor diesem Hintergrund ein Rätsel, wie die Bundeskanzlerin zu der Aussage kommt, die Nato habe bereits 2002 den Aufbau eines Raketenabwehrsystems beschlossen. Davon kann keine Rede sein.“ ...
Es ist daher hierzulande massiver öffentlicher Druck auf Polen und die Tschechische Republik zu erwarten, ihre Gebiete für das amerikanische System nicht zur Verfügung zu stellen.

Anmerkung

Auch bei einer Beteiligung der Westeuropäer bliebe das Problem einer Provokation Russlands. Fraglich ist, was sich in den 10000 Seiten der Studie verbirgt? Im Falle eines Nato-Systems wären auf die Europäer wohl erhebliche Kosten zugekommen. Das hätte die Position der Europäer geschwächt, falls es zu einer Konfrontation mit Russland gekommen wäre. Ebenso wären sie dann vertraglich an die Amis gebunden gewesen.

Kurzum:

So wie es aussieht, werden die USA ihr System in Osteuropa aufbauen. Das deutsch-polnische Verhältnis ist gegenwärtig eh schon angespannt und die Polen sind eh schon dabei, eine Annäherung zwischen Russland und der EU zu behindern.
Somit dürfte das Timing alleine von den USA abhängen. Und diese werden Russland in dem Maße und Tempo provozieren, in dem es sich in ihre Geostrategie fügt.
Man kann also davon ausgehen, dass es über diese Frage zu einer offenen diplomatischen Konfrontation zwischen den USA und Russland kommt, und die EU zwischen die Stühle gerät. Es stellt sich alleine die Frage: Wann passt es den USA in den Kram?


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