Zum Dollar etc: Die Zeiten haben sich geändert!
Geschrieben von Bern8 am 02. Dezember 2006 10:22:58:
Als Antwort auf: Re: Halt euch fest !!! geschrieben von Deyvotelh am 02. Dezember 2006 03:13:06:
Hallo Devoyleth,
ich mag diese ganze Schwarzseherei nicht so. Zum ersten Thema: Aussenhandelsabhängigkeit vom Dollar.
>Mit dem Dollar hält es sich folgendermaßen ganz primitiv ausgedrückt: In den USA ist ein Abschwung im Gange, höre ich jeden Tag in den Medien. Also muß was Wahres dran sein.
>Und damit es uns in Europa und Deutschland nicht zu gut geht, werten sie den Dollar ab.
>Dann büßt besonders unsere exportgetragene Wirtschaft.Ich erinnere mich noch gut, als 1995 der Dollar auf 1,36 DM absackte (das wären heute 1,45 pro Euro) und alle jammerten, jetzt geht alles den Bach runter, und das machen die bösen Amis alles extra um uns zu schaden. Es hat sich aber seit damals doch einiges geändert, warum ein Dollar bei bis zu 1,50 einstweilen nichts ausmachen würde.
1. Im Gegensatz zu 1995 sind heute die großen Konzerne in ihren Produktions- und Beschaffungsprozessen deutlich internationaler aufgestellt als damals. Selbst bei extrem US-orientierten Unternehmen wie z. B. BMW stehen knapp 30% beim Absatz gut 20% bei den Beschaffungskosten gegenüber, so dass eine Währungsveränderung in dem Fall erst einmal zu einem Margenproblem führen würde, da der Preis nicht an den Wert in Euro angepasst werden kann. Dies ist aber schon seit ein paar Jahren so, dass die Autos dort berechnet in Euro ca. 30% billiger sind, und trotzdem verdient BMW kräftig.
2. Durch den massiven Rückbau der Produktivindustrie in den USA besteht im Grunde mit Ausnahme weniger Branchen (Flugzeuge) keine wirkliche Konkurrenz mehr, die aus dem Währungsvorteil Kapital schlagen könnte. Wichtiger ist hier die Relation Euro - Yen. Und der andere Dollar - Block China fällt ebenfalls weg, da diese in ihren Segmenten (Kleidung, Elektrospielzeug) bereits bis zu 100 % Marktanteil haben.
3. Der Anteil des Aussenhandels mit den USA ist im Gegensatz zu 1995 mittlerweile geringer als z. B. der Handel mit Mittel- und Osteuropa, wobei dort sogar noch eine ausgewogenere Branchendiversivizierung vorhanden ist. Darüberhinaus beschränkt sich der bestehende Aussenhandel schwerpunkmäßig auf Produkte, die aufgrund Nichtverfügbarkeit gehandelt werden müssen (z. B. Soja aus USA und Öl in Dollar rein, Autos und Maschinen raus).
4. Und noch zum Schluss: Ein sinkender Dollar verbilligt die Importe nicht unwesentlich, z. B. vor allem Energie und Öl, und das stärkt zusammen mit dem milden Winter die Binnenkaufkraft deutlich mehr als durch die Mehrwertsteuererhöhung weggenommen wird. Ein Blick in den Heizkeller oder auf die Gasuhr bestätigt das, wer's nicht glaubt, bitte Aufschreibungen machen und rechnen.
Wer hier in Summe eher ein Problem hat, ist Frankreich (direkte Konkurrenz im Agrarsektor)
>Das Problem ist, wenn es uns mental immer schlechter geht, können wir kaum noch etwas halbwegs vernünftiges posten.
>Ich sehe es ähnlich, der Zerfall wird bald kommen.
>Trotz des momentanen Aufschwungs haben nur Streber und junge Schulabgänger eine Chance, die Langzeitarbeitslosen profitieren davon keineswegs.Das ist wirklich ein Problem, aber kein neues. Das war damals vor 10, 15 Jahren auch schon so, als die Studienabgänger z. B. im Maschinenbau etc. trotz bester Noten nichts fanden. Und dann haben alle blöd gekuckt, als das keiner mehr studieren wollte, und dann der Aufschwung kam, und die Firmen hatten plötzlich keine qualifizierten Leute mehr. Das ist wie heute, es wird gespart ohne Sinn und Zweck, und das ist das eigenliche Problem, das den Aufschwung verhindert, nämlich ein Mangel an qualifiziertem Personal. Arbeitswilligkeit allein reicht heute nicht mehr, man braucht auch eine gewisse Erfahrung, und das ist genau der Teufelskreis.
>Der ganze Aufschwung am Bau in D ist ohnehin fast nur 2006 zuzurechnen, die Aufträge müssen vor dem Stichtag 1.1.2007
>erteilt werden, dann tritt nämlich die MWST in Kraft.
>Ich seh es überall in meiner Umgebung: Hier wird gebaut ohne Ende, man fühlt sich wie in den 60ern.
>Uni-Institute weden erweitert, Gehwege, Parkplätze, Gärten und Garagen neu angelegt, Straßen ausgebessert.
>Häuser werden isoliert, mancher baut in seinen großen Garten ein weiteres Haus.Ich habe in meinem Bekanntenkreis ein paar Leute, die arbeiten in Baustoffbetrieben, Ziegelei, Fensterherstellung etc. Die sagen, seit sie in den Firmen sind, waren die Läger noch nie so leer, und die Auslastung so hoch wie heute. Und mit der Mehrwertsteuer und Wohnungsbauprämie hat das nichts zu tun. Sondern damit, dass mittlerweile auch diese kleineren Firmen mit sagen wir mal 500 Leuten plötzlich nach China etc. verkaufen. Da kommt ein Auftrag aus Peking, die brauchen Kacheln, um die U-Bahnschächte auszukleiden. Da wurde dann den ganzen Winter nicht wie früher Mauerziegel auf Halde gebacken, sondern Kacheln für China oder Fenster für Amerika. Die Auftragsbücher sind voll bis Mitte nächsten Jahres, die Lieferzeiten länger als je zuvor, der Binnenmarkt ist hier egal. Und das fängt beim Primärmaterial (Kunststoff, Glas, Isolierung) schon an, hier wird's langsam knapp alles.
Und wenn bei uns gebaut wird, ist das doch deutlich besser, als wenn das Geld in irgendwelchen Equity-Fonds angelegt würde, und diese dann in Amerika oder sonstwo Häuser bauen, oder?
>Die Amerikaner werden in ihrem "Fall" auf jeden Fall verhindern, daß andere zu hoch steigen, was meint Ihr?
Das ist zwar denkbar, aber ich glaube eher, dass ein Systembruch in Amerika dieses erstmal in eine Sinnkrise stürzen würde, und das die dann keine Zeit und kein Interesse mehr daran haben, sich über andere Gedanken zu machen. Das Hauptproblem sind eher die Spannungen im Euro-System, vor allem Spanien und Italien, die mit ihren unproduktiven Wirtschaften und hohen Verschuldungen eigentlich eine Abwertung bräuchten. Der Leidensdruck auf die dortigen Bevölkerungen ist deutlich höher als bei uns, da sollte man sich mal ein Bild von machen, was die Preise angeht, etc. da sind wir auf einer Insel der Seligen, das kann ich Dir sagen.
Das ist wie gesagt meine subjektive Sicht der Dinge, weshalb ich zwar davon ausgehe, dass wir bis Mai die Dollartiefs Richtung 1,50 sehen werden, ich betrachte dies jedoch in erster Linie als gute Gelegenheit, hier mit den richtigen Optionsscheinen noch ein paar Euro dazuzuverdienen. So eine ausgeprägte vorhersehbare Bewegung hatten wir noch nie, mit so wenig Volatilität am Beginn (macht die Scheine billig) und so wenig Risiko, da kann ich jedem nur raten, mitzutun; die 1,36 sehen wir spätestens übernächste Woche. Das wirkliche Auseinanderbrechen des Systems wird erst ab Kursen über 1,60 offenbar, nicht wegen der realen Auswirkungen auf die Wirtschaft, die sind beherrschbar, sondern wegen der massenpsychologischen Problematik; da werden schnell Rückschlüsse vielleicht auf andere Papiergelder gezogen, und dann geht' wahrscheinlich schnell. Ich sehe das aber erst frühestens in 1 Jahr.
Schöne Grüße
Antworten:
- Aha, erst in einem Jahr... und warum dann dein Panik-Posting gestern? Micha aus dem Süden 02.12.2006 15:00 (2)
- Ich seh hier keinen Inhaltlichen Widerspruch Bern8 02.12.2006 17:54 (1)
- Jahre Briketts Kirschbaum in Zwiesel und so Micha aus dem Süden 02.12.2006 20:43 (0)