Nein

Geschrieben von Odin am 23. November 2006 14:30:42:

Odin am 23. November 2006 14:30:42:

Als Antwort auf: Frage: Lee hat doch Guerilia Taktik angewandt? geschrieben von Joe68 am 23. November 2006 13:29:24:

Hallo

Die Sache sieht etwas anders aus. Lee hat sich mit seiner Armee oftmals
dem zahlenmässig und ausrüstungsmässig überlegenen Gegner in offener
Feldschlacht gestellt, und dabei meistens erfolgreich. Selbst die
Schlacht bei Gettysburgh, die man hinterher als grossen Erfolg der
Nordstaaten verkauft hat, war ein blosser Abwehrsieg auf eigenem
Territorium (Pennsylvania) und nach dreitägigem Ringen mit offenem
Visier. Hätte Lee in dieser Schlacht nicht einen einzigen Fehler
gemacht, dann hätten die Nordstaaten wenige Wochen später kapitulieren
oder zumindest um Frieden bitten müssen.

Dieser einzige Fehler war am Nachmittag des dritten Gefechtstages, und
zwar ein ungedeckter Frontalangriff mit drei Infanteriedivisionen auf das
mit Artillerie bestückte Zentrum der Nordstaatentruppen am "Cemetery Hill".
Dieser missglückte Sturmangriff ist als "Picketts Charge" in die US-
Militärgeschichte eingegangen.

Das mag jetzt wie Idiotie klingen, aber Lee nahm an, der Gegner sei
durch Artillerievorbereitung schon viel weiter geschwächt und könne
daher überrannt werden. Auch andere gingen in dieselbe Falle, z.B.

- Friedrich II in der Schlacht bei Kunersdorf 1759
- Gustav II Adolf von Schweden in der Schlacht bei Zirndorf 1632
- Sein Nachfolger in der Schlacht bei Nördlingen 1634
- Karl XII bzw. seine Generäle bei Poltava 1709
- Napoleon am Spätnachmittag der Schlacht bei Waterloo 1815
- Lees Gegner 1862 in der Schlacht bei Fredericksburgh
- Die Engländer in der Schlacht an der Somme bei Thiepval am
1. Juli 1916

Selbst der unter grossen Verlusten abgewiesene Sturmangriff in der
Schlacht bei Gettysburgh (Lees grösster Fehler im ganzen Krieg) hat
nicht zu einer Auflösung der Südstaatenarmee geführt, sondern nur
ihre Fähigkeit zu weiteren Offensiven für Monate geschwächt. Aber
die siegreichen Gegner waren so feige, dass sie es nicht wagten den
sich zurückziehenden Gegner zu verfolgen. Lee konnte mit den Resten
der Armee durch Pennsylvania und Maryland unbehelligt bis nach
Virginia zurückmarschieren - sogar mit der Artillerie. Bei Niederlagen
mussten die Verlierer damals in der Regel die Geschütze zurück-
lassen, und die Grösse eines Sieges wurde in der Anzahl erbeuteter
Kanonen und Fahnen des Gegners gemessen.

Lee gewann etliche andere Schlachten gegen die Nordstaatler, z.B.
Bull Run (Manassas) 1+2 und Wilderness 1+2 (jeweils 2 Schlachten),
Spotsylvania Court House. Dazu kommen noch die "unentschiedenen"
Partien bei Gettysburgh (s.o.) und Antietam. In beiden war die
Südstaatenarmee im offenen Angriff und auf feindlichem Gebiet.

Kein Nordstaatengeneral hat es geschafft, dem General Lee auf dem
Schlachtfeld eine regelrechte Niederlage zu bereiten.

Die Behauptung, die Konföderierten hätten nur feige aus dem
Hinterhalt operiert, ist völlig unhistorisch. Das geben auch US-
Quellen offen zu, einschl. offizielle Schlachtenberichte.

Gruss

Odin

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