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Pein ohne Resignation (Freie Themen)

Fenrizwolf, Sonntag, 11.09.2022, 07:40 (vor 607 Tagen) @ Luzifer (549 Aufrufe)

Hallo Luzifer!

Ganz im Gegensatz mancher Eindrücke, die ich hier hinterlasse, bin ich ein wenig impulsiver Typ.

Ein großes Empathievermögen und ein ewig im Boden verankertes Geschirr schwerer Gedanken ziehe ich wie ein Ackergaul hinter mir her.

Wie Du weißt, gehört den introvertierten Idioten nur ein winzig kleiner Teil dieser Welt, und wenn man dann nicht mit einem Talent für Naturwissenschaften gesegnet ist, hat man ein seltenes und heilloses Los.

Leider war es mir nicht vergönnt, gleichsam infantil wie gleichmütig der Welt zu begegnen, was mich zu einem sehr schlechten „Flirter“ gemacht hat.

Besonders prägend war immer der Kontakt mit sogenannten Autoritäten, die ich naturgemäß mit der Rolle meiner Eltern verglich, sowie der Umgang mit charakterlich gestörten Personen, die wahrlich nicht selten sind.

In genau der Mitte meines Lebens, blicke ich zwar auf wenig Erfolg im Sinne der Allgemeinheit zurück, und bedaure manche falsche Zurückhaltung, aber darf ich mir selbst vergeben.

Manche Dinge kann man nur von wirklich guten Lehrern lernen, und manche Angelegenheiten sind wohl wirklich mit Siegeln verschlossen.
Um es etwas abzukürzen: Nicht jede Saat gedeiht auf jedem Boden. Meine Nächstenliebe gehört eher den naiven Idioten als den nimmersatten Ratten.

Ich brauche ein gewisses Mindestmaß an Kontemplation und Ruhe, insbesondere, wenn die geheuchelten Nöte und die charakterlichen Blähungen anderer meine Freiheitsliebe beschneiden.

Schlimmer wird es nur, wenn in dieser konstruierten Zwangslage die Staatsmacht sich zum ärgsten Volksfeind aufspielt; dabei die Bösewichte verschont, und die wenigen Aufrichten besonders schändet.

Mein Nest zivilisatorischer Ruhe ist vor über zehn Jahren zusammengebrochen – und ich habe Existenzsorgen kennengelernt.
In seinem Vorlauf zum Koitus habe ich vermutlich fast alle Lektionen durch, die man mit diesem Ungetüm an Macht und leidenschaftlichem Mitläufertum so haben kann. (das ist leicht übertrieben)

Ich bin nur „schie-schna-schnappi“, das kleine Krokodil, und treibe wie tot auf dem Nil.

Wenn es zuvor nichts Bürgerliches zu verlieren gegeben hätte, wäre ich vermutlich auch nicht so sehr bourgeois. Als minderbegabtes Kind einer Krämerfamilie habe ich es immerhin bisher überlebt. Das solle Wa(h)rnung genug sein.

Nun behaupte ich mich als schlecht bezahlter Bauarbeiter, bekomme jeden Tag Schelte, überflüssige Kritik, erschöpfende Arbeit und neue, interessante Eindrücke für wenig Geld.

Letzte Woche hatte sich eine junge Dame darüber beschwert, daß ich mit meinem lieben Kollegen zu viel Staub hinterlassen hätte, beim Wechseln aller Fenster einer bewohnten Wohnung.
Am nächsten Tag hatte ich meine Hand in ihrem Höschen. Unfreiwilig, ich hielt es zunächst für einen Handschuh meines Kollegen hinter dem Heizkörper.

Es ist nicht witzig, einen großen Teil seines Tages unter der Leitung Bekloppter in einem bekloppten System zu fristen.
Leider frißt dieses Dilemma dabei alles Geld, das man dabei verdient, und nimmt einem alle Zeit.

Ich bin fromm wie ein Lamm, ich hebe das Bein artig zum Pinkeln, wenn ein Schild das sagt, ich entbehre allem, aber nicht mir selbst, und damit ist die Schleife gelöst.

Zwar war ich mal anders, aber heute bin ich vermutlich noch spezieller.
Ich will alle Autorität ausbluten lassen wie ein Stück Fleisch.
Ich will das Entsetzen in den vormals hübschen Gesichtern sehen,
Ich will deren totalen Fall! Und noch mehr.

Meine wenigen intensiven Traumerfahrungen (sehr selten) hatten mit Verfolgung zu tun, wobei ich am Ende doch einen Hammer für einen Schädel hatte.

Die Gegenwart meines toten Vaters im Traum war allerdings überwältigend. So flüssig und leidenschaftlich wie dort im Traum habe ich im ganzen Leben nicht geweint. (so zehn bis zwölf Tränen kommen da schonl zusammen – maximal 13!)
Aufbewahren und konservieren war nicht möglich, aber die berührende Begleitmusik zu Ende habe ich dann doch erkannt: Insomnium (FIN) – While we sleep. (Das ist kein Witz)

Dafür, daß ich in der benannten Zeitspanne wirklich erfahren habe, daß unser Gott ein Teufel sein muß, bin ich unter Verlust meiner besten Mannesjahre, schwül durchgekommen.

Aber das ist Gejammer – mit Verlaub – manche Mannsbilder haben zwei Weltkriege ausgefochten, und trotzdem verloren.
Man haßt sie heute dafür, daß sie die unseren waren. Denn jeder ahnt die Größe wirklicher Helden.
Ich will nicht in deren Fußstapfen laufen, dafür bin ich noch zu klein.

Aber ich muß nicht sensitiv sein, um den Wahnsinn der Zeit zu begreifen – vermutlich ist es ein Segen, eben das nicht zu sein.
Ich will, daß diese „Regenten“ durch alle Körperöffnungen erfahren, was Verrat ist, und wie schmerzhaft das Dasein in Einsamkeit sein kann.

Die Katastrophe ist seit spätestens Mitte der 80er Jahre da, aber nun zeigt sie sich nackt.
Deine Anwesenheit, Luzifer, ist mir immer Genuß, aber ich habe nicht mehr zu berichten, als daß ich eher in Aufbruchstimmung bin, als daß ich Resignation verfalle.

Und ich will den Fall der Selbstherrlichen, die selbst nicht leuchten.

Heil, Dir, Luzifer!


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