Das ist hochinteressant! o.T. (Schauungen & Prophezeiungen)

Leo DeGard, Freitag, 23.10.2009, 01:12 (vor 5305 Tagen) @ Taurec (9439 Aufrufe)

Hallo!

Bekh zitierte einmal Pater Frumentius Angaben über einen Seher, auf den
dieser gestoßen sei.

Quelle:
Bekh, Wolfgang Johannes: Bayerische Hellseher. Pfaffenhofen 1976.

"Der Vollständigkeit halber sei angeführt, was P. Frumentius von
seinen Forschungen über die prophetischen Äußerungen eines Schusters aus
einem Dorf der Geltendorfer Umgebung erzählte. Um 1940 sei dieser
Schuster, den man 'spinnad' - ähnlich wie den Hellseher des
Feldpostbriefschreibers - nannte, gestorben. P. Frumentius erlegte sich
bei seinen Angaben äußerste Zurückhaltung auf, da er - das Gespräch fand
wie gesagt am 16.1.1976 statt - erst beim Sammeln und Sichten des
Materials sei.
Der 'spinnade Schuster' hatte bereits anfangs dieses Jahrhunderts gesagt:
Er sehe in der nächsten Umgebung hohe, himmelhohe Hauser (wir würden sie
heute 'Wolkenkratzer' nennen), Häuser mit Dutzenden von Fenstern
übereinander. Er sehe aber auch einen Krieg, Verheerung und Blutvergießen.
Erst 'danach' sei Frieden. Auf die Frage, wann dieses 'Danach' sei,
antwortete der, Schuster: 'Dann, wenn dort, wo ich die hohen Häuser sehe,
wieder ebene Erde ist. Erst müssen die hohen Häuser verschwinden. Danach
wird Frieden sein.'
Man stelle sich vor, welches Aufsehen die Schilderung von Hochhäusern zu
Anfang unseres Jahrhunderts in einem oberbayrischen Bauerndorf erregt hat.
Niemand konnte sich einen Reim darauf machen. Man erklärte den Schuster
kurzerhand für 'spinnad'."

Im Jahre 1993 hat Frumentius Renner ein kleines 38-seitiges Heftchen über
den "Dorfschuster Johann Kristl" veröffentlicht. Darin gibt es jedoch
deutliche Abweichungen zu Bekhs Darstellung.

Quelle:
Renner, Frumentius P.: Der Dorfschuster Johann Kristl - ein verkannter
Gottesbote. Augsburg 1993.

Bekh schreibt, der Schuster habe in der Nähe von Geltendorf gelebt. Laut
Frumentius stammt er aber aus der Nähe von Tierhaupten nördlich von
Augsburg. Es ist zwar nicht auszuschließen, daß Bekh und Frumentius beide
verschiedene Personen meinen. Jedoch ist das mehr als unwahrscheinlich.
Man kann nicht annehmen, daß Frumentius zwei seherisch begabte Schuster
kannte, die beide von ihrer Umgebung als spinnend bezeichnet wurden.
Bei den Lebensdaten könnte Bekh etwas falsch verstanden haben: Laut ihm
starb der Schuster 1940. Bei Frumentius starb er 1949.

Ich vermute, daß Bekh in seinem Bericht wieder bei wichtigen Angaben
herumgebogen hat oder falsch aus dem Gedächtnis zitiert hat. So könnte er
schlicht Frumentius' Wohnort mit dem Herkunftsort des Sehers verwechselt
haben. Laut Frumentius fanden alle Gespräche über den Seher in St.
Ottilien mit Nachfahren und Bekannten statt. St. Ottilien liegt höchstens
3 Kilometer von Geltendorf entfernt. Vielleicht hat Bekh daraus irrig
geschlossen, daß auch der Seher aus der Gegend stamme.

Die Schauungen über die Wolkenkratzer, die Bekh zitiert, finden sich bei
Frumentius nicht. Überhaupt sind die Informationen über die Prophezeiungen
des Schusters, die Frumentius liefert, eher dürftig. Er scheint sich in dem
Heftchen eher auf den Kontakt mit "höheren Mächten", den der Schuster
hatte, konzentriert zu haben.
Es gibt nur einen Absatz, in dem für uns wichtige Informationen stehen.

Johann Kristl stand ab 1919 mit dem Schriftsteller Peter
Schrönghamer-Heimdal in intensivem Kontakt. Mit ihm hat er einiges über
seine Schauungen geteilt.
Frumentius zitiert aber nur einen Absatz von Schrönghamer:

"Herr Kristl erzählte mir noch zahlreiche Geschichten über Krieg
und Umsturz, die alle sehr zutreffend waren. Hier sei nur erwähnt, daß wir
wieder einen Kaiser bekommen, daß die Gold- und Silberwährung abgeschafft
wird, daß alle Menschen, die durch Zinsleihe, den eigentlichen
Kapitalismus zu Schaden kommen, ihre Güter zurückerhalten, und daß es nach
mancherlei Kämpfen bei uns schöner und besser wird, als es jemals war, so
daß alle Völker unsere Freundschaft suchen und uns nacheifern werden.
Sollte die Welt also doch am deutschen Wesen genesen? An dem Deutschtum,
das mit dem wahren Christentum wesensgleich ist?"

Am ersten Satz ist schon ersichtlich, daß die Schauungen des Schusters
noch weitaus umfangreicher gewesen sein müssen, als Frumentius darstellt.
Auch muß Frumentius mehr gewußt haben, als er geschrieben hat, denn
irgendwoher muß die Geschichte mit den Wolkenkratzern kommen.

Andere Aussagen des Sehers werden von Frumentius nur beiläufig erwähnt:
Demnach habe Kristl schon 1929/30 vorausgesagt, daß Menschen auf dem Mond
spazieren sollten und daß sie sich von Tabletten ernährten. Vor der
Bombardierung im zweiten Weltkrieg habe er durch Augsburg spazierend genau
bezeichnen können, welches Haus zerstört werde und welches nicht. Von 1944
stammt der Ausspruch "Schade um das neue Deutschland!" und meinte damit
wohl die zukünftige BRD.

Fähigkeiten des Schusters scheinen außergewöhnlich gewesen zu sein: So
wurde Johann Kristl von "oben" (also von Geistwesen, mit denen er
"telepatisch" in Kontakt stand) 1919 zu der Begegnung mit Schönghamer
geleitet. Ohne zu wissen, wohin er gelangen sollte, legte Johann Kristl
aufgrund eines Befehls von oben mitten im Winter innerhalb von 18 Stunden
ohne Pause 100 Kilometer nach Neu-Ulm zu Fuß zurück, um dort zielsicher
den Schriftsteller in einem Gasthaus zu treffen. Das beste daran ist:
Schönghuber hat sich erst 14 Stunden nach Kristls Aufbruch dazu
entschlossen, mit dem Zug nach Neu-Ulm zu fahren, um von dort nach seinem
Umzug noch ein paar persönliche Sachen zu holen. Kristl wußte schon 8
Wochen vorher, daß er Schönghamer irgendwann begegnen würde und hat den
Ahnungslosen brieflich davon in Kenntnis gesetzt. Über Zeitpunkt, Ort und
Umstände wußten beide nicht bescheid.

Exkurs:
Diese Art der Begegnung ist nicht neu: Der norwegische Seher Anton
Johansson bekam 1907 bereits den Namen seines zukünftigen Verlegers
Gustafsson mitgeteilt und wurde 1918 von seiner übersinnlichen Gabe
zielsicher nach Stockholm geführt, wo sich Gustafsson kurzeitig aufhielt.

Ab 1932 war Johann Kristl Mitglied in einer christlichen Vereinigung in
Augsburg, den "Marienrittern", bei denen er ziemlich prominent war. Was er
dort von sich gab, ist Frumentius bekannt gewesen, allerdings schreibt er
es nicht. Er zitiert nur einen von religiösem Hochgefühl getragenen Brief
des Sehers an den Leiter der Organisation. Kurz vor seinen Tod hat Johann
Kristl einen zweistündigen Vortrag bei den Marienrittern gehalten, dessen
Inhalt an Frumentius überliefert wurde.

Eine hochinteressante Information liefert Frumentius allerdings:
Bei den Marienrittern war neben ein paar anderen paranormal begabten auch
Erna Stieglitz Mitglied! Die beiden Seher kannten sich vermutlich.
Auf der Suchen nach Aussagen des Schusters und (!) von Erna Stieglitz
könnten Nachforschungen zu den Marienrittern in Augsburg erfolgreich
sein.

Wieso hat Frumentius Bekh Aussagen mitgeteilt, die er später in seiner
Veröffentlichung nicht zitiert? Warum unterschlägt er die anderen Aussagen
des Sehers?

In der Annahme, daß die von Frumentius nicht überlieferten Aussagen sich
noch irgendwo im Nachlass des 2000 verstorbenen Paters befinden müssten,
hat BBouvier in meinem Auftrag - denn er kannte Frumentius noch persönlich
- in St. Ottilien nachgefragt. Der dortige Archivar, der auch Zugang zu
Frumentius Nachlass hatte, war sehr aufgeschlossen und hat die Dokumente
nach entsprechenden Informationen durchsucht.
Ergebnis: Fehlanzeige. Im ganzen Nachlass des Paters Frumentius fand sich
wohl nirgendwo ein Hinweis auf den spinnenden Schuster, bzw. auf Johann
Kristl.
Es scheint, als habe Frumentius sein Wissen mit ins Grab genommen oder aus
irgendwelchen Gründen nicht Teil des Nachlasses werden lassen, indem er
seine Aufzeichnungen beispielsweise woanders hinterlegt hat oder jemandem
vermacht.

Das Werk des Schriftstellers Peter Schrönghamer-Heimdal habe ich mir
angeschaut. Abgesehen von den oben zitierten Aussagen fand sich darin
nichts.

Meine bisherigen Nachforschungen zu den Marienrittern in Augsburg, bei
denen sowohl Johann Kristl, als auch Erna Stieglitz (!) ein und aus
gingen, förderten keine Hinweise auf diese Gruppierung zutage.

Es besteht noch die Hoffnung, irgendwann den Verbleib dieses Ordens in
Erfahrung zu bringen und über diese Ecke mehr über Johann Kristl und
vielleicht sogar Erna Stieglitz zu erfahren, deren völlig entstellte oder
gefläschte Aussagen Bekh nur "über mehrere Mittelsmänner" zitieren
konnte.

Ich werde in Bälde das Heftchen mal einscannen und hier einstellen. Darin
finden sich noch mehr Informationen über den Schuster und sein Leben.

Gruß
Taurec


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