Johannes Lichtenberger (Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens)

Aus Schauungen, Visionen & Prophezeiungen

Von Will-Erich Peuckert.

Johannes Lichtenberger, ein Mainzer Astronom um 1470, stellte 1485/87 eine Practica aus dem Prognosticon des Paulus von Middelburg, eignen älteren Weissagungen und der Weissagungsliteratur des Mittelalters (joachit. Sibyllen, Joachim v. Floris, hl. Brigitte usw.) zusammen. Diese Practica erlangte bald großes Ansehen, wohl weil man Vorhersagen der lutherischen Reformation in ihr fand, auch, weil sie soziale Reformideen brachte. Sie hat Einfluß auf die Bauernunruhen genommen, wurde von Luther geschätzt und ediert, von Paracelsus erläutert, zusammen mit dem Zwölf-Sibyllen-Volksbuch oft nachgedruckt. Auszüge aus ihr finden sich im Volksbuch „Zwölff Sibyllen Weissagung“ und haben sich mit diesem bis in unsere Zeit gerettet. So gewann Lichtenberger Einfluß auf den Volksglauben. Die Meinung, es werde bei Köln am Rhein eine endliche Schlacht gegen den Türken stattfinden (siehe Endschlacht), die bei späteren Volkspropheten erscheinende Lehre von der Wiederbringung der Prager Kirche und der Sophienkirche stammen nebst manchen andern von ihm.

  • Ich werde über Lichtenbergers Person an anderem Orte ausführlich handeln. Vgl. jetzt v. Bezold in Sitzungsber. München 1884, 596 ff.; ADB. 18, 538 ff. – Über seine Quellen: Middelburg: Warburg in Sitzber. Heidelb. 10. H. 26, 37 ff. joachit. Literatur: Peuckert Sibylle Weiß c. I. Vgl. endlich auch Grauert Sitzber. München 1901, 314 zu Albumasar, auf dem mittelbar Lichtenberger auch steht. Stellung in der Zeit: Bezold 596 ff. Fortleben: Luther: Die weissagunge Joh. Lichtenbergers deudsch / zugericht mit vleys. Sampt einer nutzlichen vorrede vnd vnterricht D. Martini Luthers ... Wittemberg MDxxvij. Sitzber. Heidelb. 10. H. 26, 43 ff.; Klingner Luther 102 f. – Paracelsus: Theophr. v. Hohenheim gen. Paracelsus Sämtl. Werke (ed. K. Sudhoff) 1, 7 (1923), 475 ff. – Bauernkriege: Joh. Friedrich Astrologie und Reformation 1864. – Übriges 16. Jh.: Peuckert Rosenkreutzer 8 ff. 387; Peuckert in MschlesVk. 1929; ZfrwVk. 6, 243 (der Text ebd. 248 bezieht sich zwar auf Lichtenberger, stammt wohl aber nicht aus seinem Prognosticon). Noch 1806 in Geltung: Sitzber. Heidelb. 10. H. 26, 36. Im Sibyllenbuch: Peuckert in MschlesVk. 1929; ders. Sibylle Weiß.