Eschatologie (Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens)

Aus Schauungen, Visionen & Prophezeiungen

Von Will-Erich Peuckert.

Eschatologie, die Lehre von den letzten Dingen (esxatos = das äußerste, letzte der Endzeit; vgl. I. Joh. 2, 18: esxath ora estin[1]), bei Norden die Lehre vom Schicksal der Seele[2]. Greßmann und Gunkel unterschieden eine Heils- und eine Unheils-Eschatologie v. Gall stellt fest, daß, abgesehen von der jüdischen Religion, nur noch eine Religion eine Eschatologie, eine Reichs-Gotteshoffnung besaß, die Zarathustras[3], in dessen Gathas (um 550 v. Chr.)[4] zum erstenmal von der Basileia toy teoy (chsathra) die Rede ist, während eine solche Erwartung weder in der babylonischen noch ägyptischen Religion vorkommt[5]. Eine „Heils-Eschatologie“ besaßen ursprünglich also nur die arischen Stämme und Völker südlich und östlich des Kaspischen Meeres, die sich später zum medischen und unter Kyros zum Perserreiche vereinigten[6]. Deutero-Jesaia übertrug sie in die jüdische Religion[7], die in der vorexilischen Zeit nur Unheilsweissagungen kennt (Amos)[8]. Die christliche[9] wie die mohammedanische[10] Eschatologie kommt von der jüdischen[11] her (doch vgl. Apokalypse!).

  1. v. Gall Basileia toy teoy 1926, 1; Bertholet in RGG. 22, 320.
  2. v. Gall 3 N. 2. In diesem Sinne spricht auch Zielinski ARw. 48 ff. von einer arkadisch-hermetischen E. Vgl. dazu P. Volz Jüd. E. 1903, 1.
  3. v. Gall 83.
  4. Ebd. 85; vgl. Joh. Hertel Die Zeit Zoroasters 1924, 21.
  5. v. Gall 85. 156; A. Jeremias Handbuch d. altoriental. Geisteskultur 1913, 193. 179. 219 ff. Zur pers. Herkunft = C. Clemen Religionsgeschichtl. Erklärung d. NT.s 1909, 90 bis 130.
  6. v. Gall 164.
  7. Ebd. 185 ff.; Procksch in RGG. 22, 329 ff.
  8. v. Gall 167 ff.
  9. Paul Feine Theologie d. NT.s 19112, 177. 179. 474. 632; v. Gall a.a.O.
  10. Scheftelowitz im ARw. 14, 322 N. 3; J. B. Rüling Beitr. z. E. des Islam. Leipziger Dissert. 1895; Goldziher Vorlesungen über d. Islam 1910, 5 f.; Snouck-Hurgronje in RHRel. 1894, 30. 48 ff. 149 ff.; Wilh. Rudolph Die Abhängigkeit d. Qorans v. Judentum u. Christentum 1922, 28 ff. mit Literatur. E. der Drusen: Correspondenzbl. d. Ges. f. Anthropol. 49 (1918), 34.
  11. Zur Entwicklung der jüd. E. vgl. v. Gall Basileia toy teoy 1926. Über pars. Einfluß auf die talmud. E. vgl. die ältere Abhandlung Kohuts in ZMG. 21 (1867), 552 ff.; Paul Volz Jüd. E. von Daniel bis Akiba 1903; H. Greßmann Ursprung der israelitischjüdischen E. 1905.

Christus und Eschatologie

Ähnlich wie später Mohammed[1] hat Christus unter dem Einfluß eschatologischer Erwartungen gestanden[2]. Die ganze Verkündigung Jesu ist durch und durch eschatologisch orientiert, d.h. der Gedanke des Gottesreiches und des vollendeten Gottesreiches steht in ihrem Mittelpunkt[3], und er erwartet es zu seinen Lebzeiten (Matth. 10, 23). Für das Urchristentum war die Eschatologie das eigentliche Lebenselement, der Hauptinhalt des Glaubens[4]; man stützte sich auf Herrenworte wie Mark. 13, 30. – Auch Paulus[5] erwartete zu seiner Zeit das Ende (1. Thessal. 4, 15) und malt es aus (1. Kor. 15. I. Thessal. 4). Dann aber verschiebt sich die Hoffnung; er weiß, daß er erst sterben muß (II. Kor. 5, 1 ff. Phil. 1, 23); die Eschatologie wird spiritualisiert. An Johannes Evangelista, der nach Mark. 9, 1 den Tod nicht schmecken sollte, und den eine Legende deshalb noch lebend weiß, klammerte sich die letzte Hoffnung des einfachen Volkes; solange er lebte, war Aussicht auf des Herrn Parusie. Als er starb, wurde das Christentum eben um seiner Eschatologie willen zum Spott (II. Petr. 3, 4). Doch hat es zeit seiner Bedrängnis die Hoffnung nicht fahren lassen[6], und noch Gregor von Tours (Dial. IV, 41) hat das Gefühl, es sei vor Sonnenaufgang; das Ende sei schon angebrochen, die Grenze zwischen Zeit und Ewigkeit gefallen[7]. Über die eschatologische Stimmung des Mittelalters s. Antichrist III. IV. VI. Vgl. weiter Apokalypse, Chiliasmus.

  1. Paul Casanova Mohammed et la fin du monde. 1911; Becker in ARw. 15, 543 f.
  2. ARw. 12, 393 f.; 15, 279 f.; Joh. Weiß Die Predigt Jesu vom Reiche Gottes. 1892; Erich Haupt Die eschatologischen Aussagen Jesu in den synoptischen Evangelien 1895; Rud. Knopf Die Zukunftshoffnungen des Urchristentums 1907, 6 ff.
  3. Deißner in RGG. 22, 339 f.; vgl. Haupt 56. 82 f.
  4. RGG. 22, 339 ff. 346 ff.
  5. E. Lohmeyer Paulinische E. 1927; Fritz Tillmann Die Wiederkunft Christi nach den Paul. Briefen. 1909.
  6. Reichen Stoff dazu sammelte Leonh. Atzberger Gesch. der christl. E. innerhalb der vornicänischen Zeit. 1896. Die E. des Ps.-Dionysius in Zeitschr. f. kath. Theologie 1899, 1 ff.
  7. H. v. Schubert Gesch. der christl. Kirche im Frühmittelalter. 1921, 199. 172.

Urzeit – Endzeit

Diese für die Aufhellung eschatologischer Fragen wichtige Gleichung hat Gunkel aufgestellt[1]. Er wies nach, daß z.B. das Paradies der Urzeit für die Endzeit verheißen werde (Genesis 1 = Jes. 11, 6 ff.)[2], daß der Chaosdrache der endzeitlichen Schlange entspreche[3]; vgl. auch Antichrist. – Diese Methode wird auch für die Erforschung germanischer Eschatologie brauchbar zu machen sein. Im Inntal erzählt man von einer großen Flut aus der Wildschönau, durch welche die große Stadt Heidach bei Wörgl unterging und die durch den Ausbruch eines Drachen verursacht ward[4]. Ebenda lebt die Furcht vor einem neuen Drachen, durch den das Tal und die ganze Welt vernichtet werden soll[5]. Wie ein Ende der Welt durch den Großwinter prophezeit worden ist (s. 3.), so weiß man vom bereits vollendeten Untergang mancher Orte durch Eis und Schnee[6]; daß solche Sagen oft lokalen Charakter haben (s. Blüemlisalp), darf nicht stören; der einfache Mensch kennt keine größere Welt als sein Tal[7]. Vorgeschichtliche Funde erleichtern das Haften der Sagen an bestimmten Orten.

  1. Schöpfung und Chaos. 1895, 367 ff.; Genesis, 19174 Register unter Urzeit.
  2. Gunkel Schöpfung u. Chaos 87.
  3. Ders. Genesis 121 f.
  4. Zingerle Sagen. 1859, 260 Nr. 462; Heyl 88 ff. Nr. 52.
  5. Ebd. 85 Nr. 48. Vgl. auch Vonbun Beiträge 119. 120 f.
  6. Zingerle 1859, 262 f. Nr. 467. 468.
  7. Axel Olrik Ragnarök. 1922, 27 ff.

Germanische Eschatologie

Eine Darstellung der germanischen oder deutschen Eschatologie besitzen wir nicht. Ich kann nur eine vorläufige Skizze geben. Stammt die jüdischchristliche Eschatologie aus dem Iranischen (s. 1.), dann wird man vermuten dürfen, daß andere indogerm. Völker ähnliche Vorstellungen hatten. Eine Aufzählung nordgermanischer eschatologischer Stücke aus später Zeit begegnet in der Völuspá, ihr folgend Gylfaginning c. 51 f. Axel Olrik hat versucht, heidnische und christliche Vorstellungen in der Völuspá zu scheiden und nennt als heidnisch, d.h. als vor der Christianisierung vorhanden: Fimbulwinter, die Sonne vom Wolf verschlungen, Erde sinkt ins Meer, Loki kommt los, Schlange in der Tiefe, Fenriswolf, Götterkampf, das neue Göttergeschlecht, das überwinterte Menschengeschlecht[1]. Dem fügt er später zu: Der Himmel stürzt ein[2].
Einsturz des Himmels, der durch die Irminsûl getragen wird[3]; „innerhalb des keltischen und des germanischen Volksstammes ist das die älteste Form für Ragnarök „[4].
Diese und die neue Welt. Charakteristisch für das Parsische war die Lehre von diesem und dem andern Aion. Dunkel klingt das im Germanischen an. Die Völuspá kennt eine neue Welt[5]; Vafþrúdnismál weiß von zwei Menschen, die wie im Parsischen[6] den Fimbulwinter überdauern und das neue Menschengeschlecht zeugen[7]. Als im Inntal Heidach versank, blieben zwei übrig, die sich am Halsgatterl (Holzgatter) trafen; die neue Bevölkerung stammt von ihnen[8]. Jeremias glaubt dabei an Einwanderung der Weltzeitalterlehre aus dem Orient[9].
Der Fimbulwinter, wahrscheinlich die Erinnerung an einen vorzeitlichen Klimasturz[10], den man noch einmal in die Endzeit verlegte, ist im parsischen Großwinter[11], im Norden in Vafþrudnismal[12], Gylfaginning (wo er eine Vorstufe des Unterganges geworden ist und 3 Jahre dauert)[13] bezeugt. In Völuspá in skamma 12 bildet er den Höhepunkt nach Wasser- und Feuersnot. Alpensagen, die berichten, daß jetzt die tausend kalten Jahre hereingebrochen seien, dürften eine abgeschwächte Erinnerung enthalten[14]. In der Oberpfalz weiß man, daß vorm Weltende keine Sommer, nur noch Sommerln, statt Sommer lauter Winter sein wird[15].
Das Verschwinden der Sonne, die der Wolf oder ein unheimliches Wesen[16] vernichtet, ist vielleicht die Ursache zu diesem Winter[17]; wenigstens läßt Prokop, de bello Gothico II 15, darauf schließen. In der neuen Welt wird eine neue Sonne leuchten[18].
Surts Lohe verzehrt nur die Wohnungen der Götter, das ist die Vorstufe zu dem Glauben vom Weltbrand, der mit dem Christentum eindringt[19]. In Ostpreußen weiß man, daß diese Welt durch Feuer (wie die vorige durch Wasser) untergeht (s. Jüngstes Gericht)[20]. Der Glaube, daß die Erde im Wasser untergehen wird, findet sich an den Küsten des nordeuropäischen Ozeans[21] und ist im Volksglauben (Dänemark, Island) häufig bezeugt[22]; Olrik zieht mit Recht hier auch Sagen lokaler Untergänge (s. 2) an[23]. Er führt das Motiv auf keltischen Einfluß zurück[24]. Es fehlt in Persien, findet sich aber in Indien, bei Griechen und Kelten[25], kann also alt, aber im regenlosen Iran ausgefallen sein. Es findet sich aber auch in vielen binnenländischen Sagen[26]; wenn der Glatzer Schneeberg zerreißt und der See in ihm ausbricht, kommt das Ende der Welt[27].
Häufig sind es dämonische Wesen, die das Tal oder ganz Schlesien überschwemmen wollen[28]; so wird ein Schwein die Quelle entfesseln, die Flensburg ersäuft[29], die Ochsen im Dorf am Meer die Düne aufwühlen[30].
Dämonische Ungeheuer brechen aus. In Alpenseen hausen Drachen; wenn die losbrechen oder sich umwenden[31], geht das Tal unter, ja die Flut reicht bis Ungarn[32]. Wie schon gesagt, erhalten solche lokale Ängste leicht eschatologische Färbung. – Das drohende Unheil kann aber aufgehalten werden: in der Wildschönau war bereits ein Drache in der Erde vorhanden, der aber glücklicherweise beim Ackern mit dem Pflug getötet wurde; dadurch wurde das Ende noch hinausgeschoben[33]. Oder ein Held (Saosyant), wie der persische Keresaspa[34], muß das Tier bezwingen und töten. Solche Dämonenkämpfe werden z.B. von Thor erzählt[35]. Die Vorzeitkämpfe wiederholen sich in der Endzeit, er besteht das Wasserungeheuer, den Midgardsdrachen[36]. Ähnliche Ungeheuer werden von andern Göttern bekämpft, so der aus dem Kaukasus oder dem Osten importierte gebundene Wolf von Odin[37]. Wird eine Reihe solcher Einzelkämpfe, die zeitlich und örtlich verschiedener Herkunft sind, zusammengelegt, dann entsteht die große Endschlacht der Götter gegen die Untiere. Auf ihre dichterische Ausgestaltung mag die keltische Sage vom Kampf auf der Turedebene (9. Jh.), die aber nichts von den Ungeheuern weiß, von Einfluß gewesen sein[38], aber die Grundlagen waren älter[39], vielleicht gemein-indogerm., worauf die Keresaspasage schließen läßt.
Die südgermanische Eschatologie kannte davon: Einsturz des Himmels, die Sonne verschlungen, Kampf mit den Ungeheuern und vielleicht auch: Fimbulwinter (Wasserflut), die neue Welt mit dem neuen Menschengeschlecht, Stücke, die im parsischen Mythus ebenfalls begegnen.

  1. Axel Olrik Ragnarök 1922, 131; vgl. dazu ZfdPhil. 35, 402 ff.
  2. Olrik 423 f.
  3. Ebd. 403 ff.
  4. Ebd. 424; Grimm Myth. 3, 241.
  5. Olrik 60 ff.
  6. 331 ff.
  7. 44. 45.
  8. Heyl Tirol 89.
  9. Alfr. Jeremias Religionsgesch. 1918, 240.
  10. Sernander in Eberts Reallex. 7, 6 ff.; Olrik 17. 432.
  11. Olrik 331 ff.
  12. 44. 45.
  13. c. 51.
  14. Herzog Schweizersagen 1, 74 f.; Kuoni St. Gallen 73; Heyl Tirol 149 Nr. 43; 233 Nr. 46; 234 Nr. 47; 354 Nr. 25; Zingerle Sagen 1859, 260 Nr. 464.
  15. Schönwerth Oberpfalz 3, 331 f.
  16. Vafþrúdnismál 46; Völuspá 40; Olrik 36 ff.; Schönwerth Oberpfalz 2, 69. 75; Quitzmann 199 f.; Rochholz Naturmythen 234 ff.; Lasch in ARw. 3, 138 ff.; Olrik 426 ff.; E. Lüders Buddhist. Märchen aus Indien 1921, 229; Joh. Hertel Indische Märchen 1281
  17. ARw. 8, 443.
  18. Vafþrúdnismál 45.
  19. ARw. 8, 444 N. 1; RGG. 22, 325 f.; PBB. 40, 438 f.; Grimm Myth. 3, 241. Doch vgl. Niedner ZfdA. 49, 274 f.
  20. Lemke 3, 125 f.
  21. Olrik 22 ff. 26.
  22. Ebd. 24 ff.; Lemke 3, 34.
  23. Olrik 27.
  24. Ebd. 31 ff.; ARw. 8, 440 f.
  25. Olrik 374 ff. 434 ff.
  26. Heyl Tirol 88 Nr. 51. 52; Schöppner Sagen 2, 321. 446; 3, 80; Mailly Niederösterreich. Sagen 1926, 28. 93 f. 105 f.; Zaunert Hessen-Nassau 57; Alpenburg Tirol 235; Pröhle Unterharz 23; Sieber Harzland 1928, 27; Zaunert Natursagen 1921, 13 f.
  27. Peuckert Schlesien 268.
  28. Ebd. 180; Herm. Heller Höhlensagen aus d. Lande unter d. Enns 1924, 48.
  29. Müllenhoff Sagen 105 f.
  30. Grimm Sagen Nr. 96. Drachen: Zingerle Sagen 1859, 100 Nr. 157; 101 Nr. 159; 103 Nr. 161; Vonbun Beitrag 119. 120; Wolf Sagen 102 Nr. 160.
  31. Quitzmann 197 nach Schönwerth Oberpfalz 2, 178 und ZfdMyth. 2, 347.
  32. Zingerle Sagen 260 Nr. 462; Heyl Tirol 88 Nr. 51. 52.
  33. Heyl 85 Nr. 48.
  34. Olrik Ragnarök 345 ff.; RGG. 22, 326 f.
  35. Gylfaginning c. 46–48.
  36. Völuspá 55; Olrik 55 ff.
  37. Völuspá 53; Olrik 52 ff.; vgl. Verhandl. d. gelehrten estnischen Ges. 20, 190 f. (1900); Aug. v. Löwis of Menar Finnische u. estn. Märchen 1922, 212. 278; Quitzmann 197; dazu Frobenius Atlantis 1, 85 f.
  38. Olrik 59 ff.
  39. Ebd. 56.

Mittelalterliche Eschatologie

Die Rezeption der parsischen, indogermanischen Eschatologie durch die jüdische Religion wurde bereits [anfangs] erwähnt. Vom Judentum wuchs sie ins Christentum hinein. Schon früh wanderten eschatologische Motive nach Norden[1], wie nach Neckels Ausführungen etwa das Heuschreckenheer (Apoc. Joh. 9, 3 ff.) als Muspills Heer[2]. Als christlichen Ursprungs in der Völuspá zählt Olrik auf[3]: Baldrs Kommen (s. Balder); das Gjallarhorn[4] ist die Posaune zum Gericht[5]; rein jüdischen[6] Ursprungs (Sach. 9, 14; Ps. 47, 6; Matth. 24, 31; IV. Esra 6, 24; I. Kor. 15, 52) sind die Zeichen an Sonne und Sternen (s. jüngster Tag); Gimlehalle[7] ist das neue Jerusalem der Apokalypse Joh. 21[8], das auf das parsische himmlische Paradies zurückgeht[9]; der kommende Mächtige[10] aber ist der Christus selber[11], ist Mazdah Ahura[12]. Der Weltbrand[13], ursprünglich eine an den Demawend gebundene Untergangssage[14], wurde vom nachexilischen Judentum auf den Tag Jahves leicht übertragen[15], da Jahve ursprünglich selbst der Dämon eines feuerspeienden Berges war[16], kam zu den Christen (2. Petr. 3, 7; 1. Kor. 3, 13), fand sich vor allem in den apokalyptischen Schriften[17]. Muspilli 55 (s.d.) und Völuspá 52, wo er an die (lokale, isländ.?) Sage von Surts Lohe anschloß, bezeugen die Rezeption im Germanischen[18].
Es bleibt eine Reihe echatologischer Vorstellungen aufzuzählen, die nicht von der Völuspá aufgenommen worden sind, im Mittelalter ins deutsche Volk drangen und christlicher Herkunft sind: Das sind

  1. die Aufzählung der messianischen Wehen, auf die ich unter ‚jüngster Tag‘ näher eingehe,
  2. Gog und Magog,
  3. Antichrist,
  4. Endschlacht,
  5. Tausendjähriges Zwischenreich (Chiliasmus),
  6. Jüngstes Gericht im Tale Josaphat,
  7. der Endkaiser (Friedrich) und der Engelpapst; vgl. die einzelnen Artikel, wie auch Sibylle.

Die 15 Vorzeichen. Das Mittelalter zählte 15 Vorzeichen des Jüngsten Gerichts. „Der Inhalt dieser messianischen Wehen und Zeichen, nach denen Judentum und Christentum so oft ausgeschaut haben, ist älter als beide Religionen; er stammt aus der parsischen Religion. Zum Teil sind diese Vorzeichen, selbst ursprünglich Stücke des Weltendes, von diesem nur losgerissen und ihm zeitlich vorangestellt.“ Siehe im einzelnen „jüngster Tag[19].

  1. Kauffmann in ARw. 15, 604 Anm. 5.
  2. Sitzb. Heid. 9.
  3. Ragnarök 131; vgl. dazu Kahle ARw. 9, 64 ff.
  4. Völuspá 46.
  5. E.H.Meyer Völuspa 1889, 190; Olrik Ragnarök 116 ff.
  6. v. Gall 222 f. 303 f.
  7. Völuspa 64.
  8. Meyer Völuspa 231 ff.
  9. v. Gall 358.
  10. Völuspá 65.
  11. Meyer Völuspa 233 f.
  12. v. Gall 85 ff.
  13. Völuspá 52.
  14. v. Gall 92.
  15. Ebd. 224 f.
  16. Ed. Meyer in Sitzb. Berl. 1905, 1, 641 ff.
  17. v. Gall 317. 321 ff.
  18. Vgl. auch Olrik 43 ff. u. Register.
  19. v. Gall Basileia toy teoy 1926, 83 ff. 286 ff.

Lokale Eschatologie

Man wird nicht übersehen dürfen, daß viel eschatologischer Unheilsglaube lokal gebunden erscheint. Es wird nicht nur vielfach (2. 3.) vom Untergang eines Tales, einer Landschaft durch Wasser, Kälte[1], Feuer gesprochen, sondern auch von einer Vermurung, vom Niedergehen einer Lahn[2], oder auch vom Versinken eines Dorfes[3], einer Stadt[4]. Doch darf man wohl nur die Sagen und Voraussagungen hierher rechnen, die einen Termin angeben. Dieser Termin ist meist geheimnisvoll fixiert: „einst“ wird Breslau vom Erdboden verschwinden[5]; wenn der Ring im Karpfen zum dritten Male gefunden wird, versinkt Liegnitz[4]; eine eiserne Kette dreimal um eine Kirche bei Brixen reicht[6], der gefesselte Teufel seine Kette durchfeilt hat[7]; wenn ein Steinbild, das näher rückt, Paulsdorf erreicht haben wird vgl. [3]; wenn der Zobten Feuer speien wird vgl. [5], ist Weltende, oder wenn die schlafenden Reiter im Berge erwachen (vgl. schlafendes Heer, Endschlacht)[8]. Wenn die Strafen spukender Seelen ein Ende haben (s. jüngster Tag)[9], wenn aller Flachs gesponnen ist[10], der Mond die Sonne überwältigt[11], wenn Ostern (Pfingsten)[12] auf Markus fällt[13], Ostern auf Antonius und Johanni auf Fronleichnam[13] oder der schwarze Wolf (Teufel) eins der drei Kälber (Dreieinigkeit), die sich auf der Wiese bei Jankow zeigen, erhascht hat[14]; wenn die Mauleselin Junge hat (kabylisch)[15]. Über 400 Jahre[16], ehe das 2. Tausend, das wir schreiben, zu Ende ist, denn es heißt: Tausend Jahre und nicht tausend[17]. Vgl. auch dazu jüngster Tag.

  1. Grimm Myth. 3, 241; Carl Calliano Niederösterreicher Sagenschatz 2 (1924), 109.
  2. Grimm Sagen Nr. 92; Quitzmann 198.
  3. 3,0 3,1 Peuckert Schlesien 272 f.
  4. 4,0 4,1 Ebd. 70 (Rest einer Kaiser-Friedrichsage: Albert Fulda Die Kyffhäusersage 1889, 23). Vgl. Rochholz Sagen 1, 5.
  5. 5,0 5,1 Peuckert Schlesien 70.
  6. Panzer Beitrag 2, 393.
  7. Ebd. 2, 426 ff.
  8. Kühnau Sagen 3, 517.
  9. Zaunert Westfalen 326; Knoop Posen 3.
  10. Schönwerth Oberpfalz 2, 60.
  11. Ebd. 2, 55 f.
  12. Rehsener in ZfVk. 6, 306.
  13. 13,0 13,1 Knoop Posen 336. 344 f.
  14. Ebd. 336.
  15. L. Frobenius Atlantis 1, 105.
  16. Lemke Ostpreußen 3, 34.
  17. Ebd. 3, 125 f.

Welterneuerung

„Der Weltuntergang ist nicht der Eschatologie letztes Wort; durch ihn kommt es zur Welterneuerung“[1]. Ein Welterneuerungsglaube findet sich, wie der Untergangsglaube[2], schon bei den Primitiven[3], bei Indern[3], Parsen[4] und im Jüdisch-Christlichen. Die neue Welt der Voluspá in skamma, Baldrs Wiederkehr usw. wird freilich auf christlichen Einfluß zurückgeführt, doch will auch Olrik manche Züge, etwa die neugeborene Sonne, das neue Menschengeschlecht aus Lif und Leifthrasir für eigentümlich halten[5]. Auch eschatologische Vorstellungen des deutschen Volkes wissen von einer erneuerten, besseren Welt; vgl. Endschlacht, Schlachtenbaum, Chiliasmus.

  1. Bertholet in RGG. 22, 322.
  2. Ebd. 323 ff.
  3. 3,0 3,1 Ebd. 327.
  4. Ebd.; vgl. auch v. Gall.
  5. Olrik Ragnarök 104 ff.

Religiöse Grundlagen eschatologischen Denkens

Über die religiösen Grundlagen eschatologischen Denkens vgl. Bertholet RGG. 22, 320 ff.
Vgl. auch s. Antichrist, s. Chiliasmus, s. jüngster Tag, s. Endschlacht, s. schlafender Kaiser.