Frau Landinger
Adalbert Schönhammer – Dritter Weltkrieg und Zeitenwende, 1997[1]
Schauung angeblich von 1957
„Der Winter war da und doch kein Winter, nicht kalt, wenig Frost, fast kein Schnee, das Vieh war schon im April auf der Weide. In dieser Zeit wurde viel vom Krieg gesprochen. Es wurde Korn und Weizen eingefahren, der Hafer lag an vielen Stellen bereit. Da kam der Krieg. Ich sah eine dunkle Wolke, in der sich allerlei dunkle Gestalten bewegten. Von der Ostsee bis zur Adria reichte diese Wolke, welche immer dunkler wurde. Eine lähmende, dunkle Magie ging von ihr aus. Es war, als würde sich ein furchtbares Gewitter entladen. Die ganze Natur bangte.
Da kroch unter der Wolke ein Tier hervor, nicht Wolf, nicht Bär. Der Körper war langgestreckt, ebenso der Hals, der Schwanz triefte von Blut, und seine Spitze senkte sich in das Herz Indiens. Der rechte Hinterfuß stand auf Moskau. der linke auf Prag. Diese Stadt wurde ganz vernichtet und schwamm im Blut. Der rechte Vorderfuß stand weit im Reich, der linke hatte Würzburg und Schweinfurt ganz zertreten. Überall Blut, viel Blut. Es schwitzte; aus den Tropfen entstanden scheußliche Gestalten, die sich auf die ganze Erde verteilten. Das Tier wollte mit der Zunge den Rhein lecken, konnte ihn aber nicht erreichen. Dann wollte es Köln umfangen, aber der Erzbischof segnete die Stadt mit einem Doppelkreuz. Da wurde die Zunge des Tieres wie lahm, es brüllte, daß die Erde bebte. Der gelbgefärbte Himmel vermischte sich mit blutrotem Schein. Mir war, als hörte ich das Wehklagen und Weinen der Erde. Da traf mich ein kalter Hauch: Vor mir mähte der Tod in Thüringen und Sachsen, er mähte in Preußen, er mähte in der nördlichen Oberpfalz, in meiner Heimat, in meinem Vaterhaus, o Schrecken, im Osten in Bayern bis vor München. Und das Tier wütete weiter. Da stieg über München eine rötliche Wolke auf, so, als käme sie aus den Türmen des Liebfrauendomes. Sie bildete drei Abstufungen. Auf der untersten standen wie auf einen Befehl gegürtete Jünglinge, ähnlich dem Begleiter des Tobias, während ich auf der zweiten Abstufung eine Anzahl betender Hände hervorragen sah. Plötzlich sah ich die liebe Gottesmutter in einer mir ungewöhnlichen Erscheinung. Ihre bloßen Füße berührten in eiligen Schritten und gleichsam nur mit den Vorderfüßen die Wolke. Die aus der zweiten Abstufung sich emporreckenden Hände (die Arme sind nicht sichtbar) hielten sich an dem ausgefransten Saume des nach hinten weit aufgeblähten Mantels, der mit gekreuzten Armen vor der Brust gehalten wurde, fest. Im Blick Mariens, der nach oben gerichtet war, lag eine unbeschreibliche Hoheit. Die ganze Natur lag in Agonie. Der Tod aber mähte und mähte. Da traf ein rotes Band Mariens Hände. Diese öffneten sich, und ihre Rechte gebot dem Tiere. Das warf sich platt zur Erde, es war aber nicht tot. Der Tod hingegen arbeitete um vieles rascher als bisher. Nun schaute Maria nach Süden und machte mit dem in der Linken festgehaltenen Mantel einen weiten Bogen, während die betenden Hände um Mantelsaum hingen. Ich sah, wie die Gottesmutter stehenblieb. In diesem Augenblick setzte das Tier zum Sprung an. Da zeigte Maria nach Westen nach einem jungen Mann, der einen schmalen Kronreifen um die Stirne und einen Speer und eine Kreuzfahne in den Händen trug. Er rief: ‚Wer streitet mit mir gegen das Tier?‘ Es bildeten sich Trupps. Der junge Mann stieß seinen Speer in die linke Seite des Tieres, daß es aufheulte und schäumte und spie. Es bebte die Erde, und die Berge bewegten sich. Von den kämpfenden Trupps ständig verwundet und verfolgt, kroch das Tier rückwärts unter die Wolke. Ich hörte eine Stimme: ‚Die Tür ist aufgelassen, ich habe die Waage der Gerechtigkeit den Siegern in die Hand gegeben, aber diese haben sie zu ihrem Vorteil mißbraucht. Ich will die Waage in meine Hand zurücknehmen und ihre Werke wiegen.‘ Da fiel Feuer vom Himmel, und ein furchtbarer Donner erschütterte die Erde. Gebäude stürzten ein, Schiffe wurden in die Höhe geworfen und versanken im Meer. Ich sah, wie die Kirchtürme sich neigten und eine Weile in dieser Stellung verblieben. Dann hörte ich, wie Glocken ganz von selbst zu läuten anfingen.
Als es hell wurde, stand der junge Mann mit dem Kronreif, noch immer die Fahne tragend, als Priester auf einer Anhöhe und rief: ‚Wir werden die Toten begraben!‘ Es waren aber nur sehr wenig Männer zu finden. Es lagen überall auf der Erde die Toten.
Auf dem Berge sah ich die Kirche von Rom. Im Kirchenschiff standen auf einer Seite die Katholiken, auf der anderen Seite die Protestanten. Sie reichten sich die Hände und sangen in einmütiger Begeisterung: „Großer Gott, wir loben Dich!“
Ich sang auch mit, und als ich erwachte, sang ich weiter…“
Quellen
- ↑ Schönhammer, Adalbert: Dritter Weltkrieg und Zeitenwende. Frankfurt am Main 1997.