Egger Gilge

Aus Schauungen, Visionen & Prophezeiungen
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Der Egger Gilge wurde der Legende nach 1663 in Matrei geboren und auf den Namen Virgil getauft. Als Kurzform seines Namens entwickelte sich Gilge, Gille oder Jilgen. Er soll Bauer auf dem heute noch existierenden Untereggerhof am Klaunzerberg bei Matrei gewesen sein. Daher rührt sein Spitzname „Klaunzer“. Als gemeiner Bauer soll er Analphabet gewesen sein. Seine Aussagen wurden vermutlich lange Zeit mündlich überliefert. Nach seinem Tode 1735 wurde er an heute unbekannter Stelle auf dem Friedhof der Matreier Pfarrkirche bestattet.
Nachdem seine Aussagen Jahrhunderte lang in der Region kursierten, wurden sie erstmals durch den österreichischen Pastor Gottfried Melzer einem breiteren Publikum bekannt. Melzer stützte sich dabei auf Quellen aus der Region. Seine Angaben sind jedoch sehr dürftig, so daß sich über ihre Authentizität nichts aussagen läßt. Er nennt:

  1. Ein in Kurrentschrift geschriebenes Manuskript, von einem Lienzer, offenbar nach einer Vorlage angefertigt. Der Verfasser derselben ist nicht genannt. Womöglich geht sie auf den in Matrei lebenden Geistlichen Anton Auer zurück, der von 1867 bis 1871 Kooperator in Matrei war und sich in besonderer Weise für den Egger Gilge interessierte. Auer erwähnte laut Melzer, daß „Egger Gilges Prophetien“ noch in lebendiger Erinnerung seien.
  2. Ein in Osttirol kursierendes Blatt mit den prophetischen Ausdrücken des Egger Gilge. Der Inhalt dieses Blattes deckt sich weitgehend mit der oben erwähnten Handschrift. Darin wird von manchen Prophezeiungen des Egger Gilge geschrieben, daß er sie von seinen Voreltern gehört habe.
  3. Das Matreier Gemeindebuch „Matrei in Osttirol“, erschienen 1980 im Selbstverlag der Marktgemeinde Matrei in Osttirol. Es befinden sich darin aber keine zusätzlichen Aussagen oder irgendeine neue Information, geschweige denn eine Quellenangabe.
  4. Die Aussagen einer alten Matreierin, die Melzer vor Jahren kennenlernte.

Melzer vermengt in seinem Buch all diese Quellen und ordnet die Aussagen verschiedenen Themengebieten zu. Die Einleitung und die Schlußformel stammen aus dem in Kurrentschrift geschriebenen Manuskript. Darüber hinaus kann man anhand Melzers Darstellung nicht unterscheiden, welcher Quelle er die Aussagen jeweils entnommen hat.
Die Voraussagen des Egger Gilge weisen eine große Ähnlichkeit mit anderen Sehern der Volkstradition auf (z. B. Mühlhiasl). Zudem enthalten sie viele Motive, etwa Bauvorzeichen und den gesellschaftlichen Wandel betreffend, die im Laufe der letzten 200 Jahre bereits eingetroffen sind. Wir müssen daher mangels älterer Quellen annehmen, daß die Aussagen zu einem großen Teil von anderen Überlieferungen übernommen sowie von Zeitgenossen ex eventu erfunden und dem Egger Gilge zugeschrieben wurden.
Ähnlich wie bei vielen Seherfiguren der Volksüberlieferung wurden bislang keine sicheren Belege (Taufbücher, Sterbematrikel, etc.) für die Existenz des angeblichen Sehers gefunden. Somit ist es durchaus möglich, daß der Egger Gilge – wie Mühlhiasl – eine erfundene Figur ist. Die Lebensgeschichte, die man sich von ihm erzählt, ähnelt einem Märchen. Es fällt auf, daß er darin im Widerspruch zu einer anderen Überlieferung nicht Bauer, sondern Müller ist. Vielleicht sind hier tatsächlich Elemente der Mühlhiasllegende zu Gilge gewandert.
Hingegen finden sich in Matrei bis zum heutigen Tage zahlreiche Personen des Nachnamens „Egger“, so daß vor annähernd drei Jahrhunderten tatsächlich ein Egger Gilge, nämlich als Virgil Egger in Matrei gelebt haben könnte.

Gottfried Melzer – Der Matreier Prophet Egger Gilge, 2001[1]

„Dieser Egger Virgil ging einst durch den Wald in seine Mühle. Da sah er auf einem Baumstamm ein Buch liegen. Er ging vorbei, weil er glaubte, das Buch habe jemand vergessen. Als er wieder zurückkam, lag beim Buch auch ein Schlüssel dabei. Er ging (abermals) vorüber. Da hörte er eine Stimme, die (zu ihm) sagte, er solle das Buch und Schlüssel mitnehmen. Er sah niemanden und wußte auch nicht, woher die Stimme kam. Er konnte aber in dem Buch nicht lesen. Es waren keine Buchstaben (im Buch gedruckt), sondern nur Ziffern und solche Zeichen, wie bei der Stenographie. Über eine längere Zeit schaute er nochmals ins Buch. Es war ihm bislang noch nicht eingefallen, den Schlüssel zu Hilfe zu nehmen. Er verwendete den Schlüssel und konnte nun im Buch lesen.

Er redete nun sehr vieles von zukünftigen Dingen, aber nur zu Kindern, weil ihm die erwachsenen Leute kaum Glauben schenkten und ihn für einen Narren hielten.“

  1. „Die Herren von der Obrigkeit werden kommen und mir dieses Buch wegnehmen. Ich werde mit meinen Reden den Herren viel zu gleim.“
  2. „Die Windisch-Matreier werden eine neue Pfarrkirche bauen, die alte abreißen; dann wird die Nikolauskirche abbrennen, dann werden die Windisch-Matreier eine Zeit lang gar keine Kirche mehr haben.“
  3. Das Schloß Weißenstein in Matrei wird eine Zeit lang Herberge für arme Leute sein, und wird mit der Zeit an fremde Herrschaften verkauft werden.“
  4. „Man wird ein neues Posthaus errichten, von einer neuen Poststraße aber immer nur reden.“
  5. „Es wird eine Zeit kommen, da wird die Post in der Luft gehen.“
  6. „Zu Ruggenthal wird eine weiße Mauer gemacht werden, die wird ausschauen wie ein Stück Tuch.“
  7. „Man wird mit Gewalt Straßen und Häuser bauen und auf einmal wird alles ein Ende haben.“
  8. „Der Schweizer wird durchs Oberland herunterkrachen, alle Lucken und Gattern aufmachen und keine mehr zu.“
  9. „Der Schweizer wird das Tirol mit gefrorenen Schuhen betreten.“
  10. „Vor den Schweizern braucht man nicht weiter zu fliehen als bis zu den obersten Haselstauden, und wenn einer drei Brote trägt und es fällt ihm eines aus der Hand, dann soll er nicht umschauen, er hat mit zweien genug.“
  11. „Es wird eine Zeit kommen, daß man zum Schapperwirt mit einer Zille fahren wird.“
  12. „Die Herren werden die Bauern alle in ein Bohrloch treiben wollen und einen Bausch nachschlagen. Der Bausch wird aber den Herren hinter (zurück) ins Gesicht springen.“
  13. „Um Roggen-braun-aufgehen wird des brechen, und so schnell wird es brechen: Vormittag wird man noch nichts hören, nachmittags werden die Leute über die Berge niederspringen, um zu wehren.“
  14. „Der Bretterwandbach wird großartig ausbrechen.“
  15. „Auf der Kaltenhauser Aue wird ein See werden, und auf der Burger Aue wird Weizen wachsen.“
  16. „Die nasse Witterung und die strenge Herrschaft werden die Bauern verzagt machen. Mit der Zeit werden immer kältere Jahre kommen und über lange Zeit wird Köß übern Prosseg fürcherschauen und der See auf der Kaltenhauser Aue wird auf den Ranacher Geern steigen.“
  17. „Die Bauern werden ihre Söhne selber aufs Landgericht führen, daß sie zum Militär genommen werden.“
  18. „Das Land Tirol werden sie voll Militär stecken, dann wird’s brechen.“
  19. „Es wird ein Jahr kommen, wo sehr viel Bergheu wachsen wird und niemand wird sein, der es heimbringt.“
  20. „Mit der Zeit wird sich der Bauer kleiden wie der Bürger, der Bürger wie die Herren, und die Herren wie die Narren.“
  21. „Die schwarze Hoffahrt wird die letzte sein.“
  22. „Es wird der einhellige Wind kommen, die Bauern werden alle einen Sinn bekommen. Es wird der eine den anderen nicht fragen wohin. Es wird jeder an den rechten Ort kommen.“
  23. „Wenn der Matreier Pfarrer mit zwei Schimmeln ausfährt, wird eine schlechte Zeit kommen.“
  24. „Die Matreier Kirche wird den Leuten, sobald sie gebaut sein wird, viel zu groß sein, so daß sie sagen werden: Eine so große Kirche bauen! Über eine kleine Weile wird man nichts mehr hören, daß sie zu groß sei; über eine kurze Zeit darauf werden in der Kirche hier und da in einem Stuhle Kinder und alte Leute sein.“
  25. „Sobald in jedem Dorf eine Kirche ist, wird der Glaube sich zu verlieren anfangen.“
  26. „Die Leute werden alle Lesen und schreiben lernen. Es werden hohe Schulen errichtet werden. Der Glaube wird dann schnell abnehmen.“
  27. „Der letzte Pfarrer von Matrei wird ein Weißkopfeter sein.“
  28. „Bei den Häusern werden die Leute große Kreuze aufstellen, die kleinen werden sie nicht mehr sehen.“
  29. „Hinter dem Altar der Matreier Kirche wird der Fuchs nisten.“
  30. „So klug werden sie es einrichten, so klug, daß man vom Glauben kommt, bevor man es meint, daß man sogar einen alten Bauern fragen muß, welches der rechte Glauben ist.“
  31. „Die Schwarzröckler werden es versäumen und sie werden loadig sein.“
  32. „Geistliche und weltliche Obrigkeiten werden aus einer Schüssel essen.“
  33. „Es werden die Rotröckler kommen und da wird es schrecklich zugehen.“
  34. „Dreimal wird die Grenzwacht unter dem Tauern kommen.“
  35. „Wenn die Schützen übern Tauern gehen müssen, wird’s schrecklich zugehen. So weit wird’s kommen, daß die Geistlichen sogar im Wald auf einem Stock das Meßopfer feiern müssen.“
  36. „Zu Tauer wird eine Kirche gebaut werden, und wenn die Rotröckler kommen werden, so wird es so schrecklich zugehen, daß das höchste Gut in Getauen aufbewahrt werden muß.“
  37. „So weit werden es die Herren treiben: Wenn ein Bauer zwei Röcke hat, muß er den einen den Herren geben.“
  38. „So wenig Geld wird mehr sein, daß wenn einer einen Zwanziger sieht, ihn gleichsam küssen wird.“
  39. „Die Gaben werden langsam hinaufgehen, als wenn einer einen Gratten hinaufzöge, immer weiter, immer höher. Dann, wenn alles so teuer ist, daß die Leute sagen werden: Jetzt hat es kein Gleichnis mehr, so ist es, als ob einer den Strick abhacken würde und der Gratte springt schnell auf den Boden herab. Alles wird nichts mehr wert sein. Wenn einer einen Grund und Boden hat, der wird noch etwas haben, die andern werden alle nichts mehr haben. Das ausgeliehene Geld wird alles hin sein.“
  40. „Eine 61 Jahre alte Dirn wird den Antichrist gebären, worauf sich die anderen so schämen, daß die meisten ins Wasser springen.“
  41. „Die Weibsbilder werden bis zum Ende immer noch nach den Männern trachten. Keine will eine ‚alte Dirn’ werden, dennoch nehmen die Dirnen überhand.“
  42. „Es wird ein Jahr kommen, in welchem ein sehr schöner Frühling sein wird; später aber wird es kalt werden und schneien, so daß die Gebirgsbauern fürchten, es könnte nicht mehr abreifen. Dieses wird aber noch gut abgehen. Im Frühling soll man nicht jammern, im Herbst wird die große Trübsal kommen.“
  43. „Sobald in Bruggen drei Brücken sein werden, werden diese schrecklichen Zeiten nahe sein.“
  44. „Wenn der Priester bei der Messe mit dem Gesicht zum Volk schaut, dann dauert es nur noch kurze Zeit.“
  45. „Es wird eine strenge Waldordnung kommen, und diese wird die letzte sein.“
  46. „Das erste wird sein das Lottergejoide, das zweite das Bauerngejoide, das dritte das Herrengejoide.“
  47. „Die Herren werden alle erschlagen werden, und wenn es dazu kommt, dann werden sie sich verkleiden und in die Wälder fliehen und Holz hacken. Es wird ihnen aber nichts nützen. Man wird nicht weiter schauen als auf die Hände; wer kluge (feine) Hände hat, wird halt erschlagen.“
  48. „Und wenn diese schreckliche Zeit vorüber sein wird, dann werden so wenig Manderleut mehr sein, daß die Weiberleut in den Wald gehen müssen, um Holz zu hacken; und sie werden rearn (weinen) und sagen: Diesen Baum hat auch noch mein Mann umgehackt.“
  49. „Da wird die Hoffahrt vergehen, und jeder schätzt sich glücklich, wenn er nur hölzerne Schuhe besitzt.“
  50. „Das Wildbret wird sich verlieren, so daß sehr wenig mehr sein wird. Danach werden sich die Leute verlieren. So wenig Leute werden mehr sein, daß man in den Tälern abziehen wird. Matrei wird dann Lienzer Ochsenalpe werden.“
  51. „Der Burgerbach wird wieder seinen alten Graben aufsuchen und wieder unters Schloß rinnen.“

„Dieses und ähnliches mehr hat Vergilius Klaunzer, vulgo Egger Jilgen, seinen Angehörigen, Verwandten und Bekannten, die ihm aber nicht glaubten, sondern ihn verspotteten, vorhergesagt. Vieles, was Jilgen vorhersagte, ging seither schon in Erfüllung. Jilgen war ein einfacher, streng gläubiger, aufrechter Mann, er konnte weder schreiben, noch lesen.“

Bernhard Bouvier im Magazin2000plus Nr. 171 von 2002[2]

Bernhard Bouvier überliefert eine andere Fassung des Ausspruches Nr. 43, die er Anfang der 1980er aus einer vermutlich ebenfalls von Melzer stammenden Veröffentlichung über Egger Gilge entnommen haben will. Die Originalität des Wortlauts ist zweifelhaft.

„Da wird es im Sommer bitterkalt und die Almen vereisen. Und das Eis will gar nicht mehr weichen, so daß die Bauern fürchten, dieses Jahr gar kein Heu einfahren zu können, und das Vieh müsse Hungers verderben.“

Quellen

  1. Melzer, Gottfried: Der Matreier Prophet Egger Gilge. Lauerz 2001.
  2. Bouvier, Bernhard: Was birgt die Zukunft für Europa. In: Magazin 2000plus, 2002, Spezial 11/171.