Geldentwertung unterschiedlich, Bezug zu Gabriele Hoffmann (Freie Themen)

Windlicht @, Samstag, 08.01.2022, 07:24 vor 832 Tagen (1449 Aufrufe)
bearbeitet von Forumsleitung, Samstag, 08.01.2022, 08:18

Hallo!

Heute gibt es in der "Welt" diesen Artikel:
https://www.welt.de/wirtschaft/article236106754/Inflation-in-der-Eurozone-Das-grosse-Dilemma-der-EZB.html

Zitat: „Nicht nur die Inflationsrate der Euro-Zone ist auf einem historischen Höchststand, auch die Unterschiede zwischen den Euroländern waren kaum jemals größer“, sagt Carsten Brzeski, Chefökonom der ING in Deutschland. Im Dezember rangierte die Teuerung von 2,6 Prozent in Malta bis zwölf Prozent in Estland, wie aus Daten hervorgeht, die die europäische Statistikbehörde Eurostat jetzt vorgelegt hat."

Das erinnerte mich an Gabriele Hoffmann in der Quellenschau Tagesspiegel 2009: „...Es wird eine Abwertung des Geldes geben, und zwar unterschiedlich, in den verschiedenen europäischen Ländern.’ Ein unterschiedlicher Geldwert bei ein und derselben Währung, dem Euro? ‚Ja’. Sie sagt, sie findet diese Vision genauso unerklärlich wie die vom friedlichen Mauerfall, die sie in den 70ern hatte.“

Auf ihrer Facebookseite fragte übrigens jemand im alten Jahr, ob es "dieses Jahr" noch eine Radiosendung gibt mit Zukunftsaussichten und sie antwortete: Dieses Jahr nicht , der Sender hat sich zu spät gemeldet, aber im nächsten Jahr!
Da würde man ja nun denken, Anfang dieses Jahres, also jetzt irgendwann...

Viele Grüße
Windlicht

Unterschiedliche Inflation

dziamdzia, Dienstag, 11.01.2022, 17:39 vor 828 Tagen @ Windlicht (878 Aufrufe)

Grüß Gott,

interessanter Punkt, darüber hatte ich auch schon nachgedacht.
Möglicherweise ist die unterschiedliche Energiepolitik der Grund. Wir zahlen hier in Deutschland aktuell für Erdgas das zehnfache von dem was die Amerikaner zahlen. Die Preise für Strom und Gas explodieren und erste Anbieter (stromio) sind pleite oder nehmen Notkredite bei der KfW auf.

Es gibt nur 2 Möglichkeiten: Entweder der Staat deckelt die Preise oder gibt den Menschen irgendwelche Gutscheine, oder die unterste soziale Schicht erfriert und sitzt im Dunkeln. Kommendes Jahr werden zudem die Lebensmittelpreise explodieren weil der Dünger unbezahlbar geworden ist und kaum noch welcher erhältlich. Welche Industrien als erste pleite gehen aufgrund des unbezahlbaren Stroms wird auch noch spannend.

https://www.ft.com/content/f11a62dc-1a71-437f-a7a5-493bc4b1dcda

Wenn der Staat jetzt frisch gedrucktes Geld als Gutscheine oder Subvention einsetzt um die Energie künstlich wieder bezahlbar zu machen, dann hängt die Inflationsrate davon ab wie bescheuert & dämlich die Energiepolitik eines Landes ist.
Deutschland dürfte damit ganz vorne dabei sein mit seinem gleichzeitigen Ausstieg aus Kohle, Atom und gleichzeitigem Anpissen seines wichtigsten Gas-Lieferanten (Nordstrom2). Einen Vorteil dürften Länder haben die den Klima-Fanatismus nicht ganz so ernst nehmen wie die Deutschen und ihren Bedarf mit eigenen AKWs und Kohlekraftwerken halbwegs bezahlbar decken können,

https://www.handelsblatt.com/unternehmen/energie/energiekonzern-europaweit-ein-grosses-thema-uniper-und-andere-versorger-sichern-sich-mit-milliarden-gegen-preisspruenge-ab/27947378.html?ticket=ST-3...

Ein anderer Gedanke: Normalerweise können die Inflationsraten aufgrund von Arbitrage-Geschäften nicht beliebig weit auseinander liegen in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum. Mal angenommen bestimmte Güter sind in EU-Land A extrem teuer und in Land B extrem billig, dann wird früher oder später jemand auf die Idee kommen, die Güter in B einzukaufen und sie nach A zu fahren. Das passiert solange bis sich die Preise halbwegs angeglichen haben.
Nur wenn man dauerhaft den freien Warenverkehr behindert - wie durch Lockdowns oder Corona-Maßnahmen - können sich derartige Preisunterschiede aufbauen. Evtl. deutet das Szenario von Fr. Hoffmann auf ein Europa, was zwar noch eine gemeinsame Währung pro Forma hat, wo aber der freie Warenverkehr so stark eingeschränkt ist dass sich die Preise völlig unterschiedlich entwickeln.

Viele Grüße

Benjamin

Treffer

dziamdzia, Samstag, 20.08.2022, 16:29 vor 608 Tagen @ Windlicht (388 Aufrufe)

Grüß Gott zusammen,

hier kristallisiert sich langsam ein Treffer heraus.
Nochmal die Aussagen von Fr. Hoffmann:

[Zweite Vision:] Ich habe dann noch gesehen, daß wir nach dem Fall der Mauer anderes
Geld in Deutschland bekommen, was alle in Europa haben, nur die Schweiz nicht. Ich habe
damals die Bilder des plötzlichen Mauerfalls auch versucht zu deuten und habe mir als
typische Berlinerin eigentlich nicht vorstellen können, daß die Mauer über Nacht einfach
so fällt. Ich habe sogar überlegt und interpretiert, daß vielleicht der Russe uns in Berlin
einkrallt, und wir dadurch in Europa anderes Geld haben, weil wir dann – was weiß ich –
den Rubel haben. Also solche Allgemeinbilder zu sehen und richtig zu interpretieren, ist
auch für mich, wenn es um Weltgeschehnisse geht, sehr schwer.
Ich habe gesehen, daß das Geld, das wir bekommen – das alle in Europa haben, nur die
Schweiz nicht – 2006 bis 2008 in eine ganz große Krise kommt; von der wir glauben, am
Abgrund vorbeigeschlittert zu sein – aber der eigentliche Crash kommt ungefähr um die
Zeit 2013 [vergleiche 15 Monate zuvor mit Tagesspiegel ‚etwa Anfang 2012’]. Ich habe
Bilder gehabt, woraus ich den Schluß ziehe, daß die Bundesregierung in ganz kurzer Zeit
eine uneinheitliche Abwertung des Geldes beschließt, ‚uneinheitlich’ – damit ist gemeint,
daß wenn der Euro in Deutschland nur noch 60 Cent wert ist, dann ist der Euro in
Frankreich 70 Cent, in Italien 30 Cent wert.“

Abgesehen davon, dass aufgrund der unterschiedlichen Energiepolitik die Euro-Staaten unterschiedlich stark von
den Russland-Sanktionen betroffen sind, tut die EZB noch ihr übriges um die Inflationsraten auseinander zu treiben:

[image]

Bislang hat die EZB ihre Anleihekäufe gleichmäßig über die Euro-Länder verteilt.
Sie ist nun dazu übergegangen, Anleihekäufe in den Südstaaten zu verstärken (quantitative easing, QE) und in den Nordstaaten
zu drosseln (quantitative tightening, QT).
Die Euro-Staaten werden also in unterschiedlich starkem Maße aus der Druckerpresse finanziert.

Nach meiner Wahrnehmung ist das ein Wendepunkt. Man gibt sich nicht mal mehr den Anschein, noch eine einheitliche Währungspolitik
zu verfolgen.

-dziamdzia

Anmerkung

rauhnacht, Samstag, 20.08.2022, 21:23 vor 607 Tagen @ dziamdzia (359 Aufrufe)

Hallo,
so eigentlich passiert grad nichts anderes wie in dem Jahrzehnt voraus.

Im Juni:

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/finanzen/ezb-anleihekaufprogramm-105.html

„Fakt ist, dass die Währungshüter auf ihrer auswärtigen Sitzung in Amsterdam - der ersten nach zwei Jahren Corona-Pause - in neue Zeiten aufbrechen wollen. Die anstehende Zinswende dürfte an der Amstel noch nicht verkündet werden, aber man will den Boden dafür bereiten, dass die EZB im Juli die erste Zinsanhebung seit elf Jahren vollziehen kann. Dafür ist es notwendig, das Billionen-schwere Anleihekaufprogramm APP auslaufen zu lassen.“

Im August:

https://www.handelsblatt.com/finanzen/geldpolitik/anleihekaeufe-ezb-stuetzt-italien-mit-milliarden-aus-erster-verteidigungslinie/28569874.html

„Die Europäische Zentralbank hat offenbar Anleihekäufe in Milliardenhöhe getätigt, um Italien und andere südliche Euro-Mitglieder vor unerwünschten Marktentwicklungen zu schützen, seit sie vor einem Monat ihre erste Verteidigungslinie gegen Spekulanten aktiviert hat. Am Dienstag veröffentlichte Daten zeigen eine erhebliche Verwendung von Mitteln an, die durch fällig werdende Anleihen im Portfolio des Pandemieprogramms frei geworden sind. Das deutet darauf hin, dass das Instruments eingesetzt wurde, das die Notenbank als erste Reaktion auf Marktturbulenzen vorgesehen hat.
Die Statistiken, die nur auf Zweimonatsbasis verfügbar sind, zeigen, dass die Nettobestände an deutschen, französischen und niederländischen Anleihen bis Juli um 18,9 Milliarden Euro gesunken sind. Die Nettoankäufe von Anleihen aus Italien, Spanien, Portugal und Griechenland beliefen sich auf insgesamt 17,3 Milliarden Euro.“

In einer Währungsunion mit verschiedensten Ländern mit unterschiedlichsten Wirtschaftskräften, Abhängigkeiten und VOR ALLEM unterschiedlichen Gesetzgebungen eine gleich starke oder schwache Währung zu etablieren ist halt VOR ALLEM anderen überaus ehrgeizig bis fanatisch.
Darum haben sich ja die entsprechenden Kräfte in all den Jahren so bemüht, da möglichst „alles“ gleich zu gestalten. Klappt halt nur nicht: seit vielen, vielen Jahren.

Und dies, obwohl und weshalb die Anleihekäufe KEINESWEGS gleichmäßig verteilt waren. Im Gegenteil, das ist EZB verfahren seit langem.

Warum es „Dafür ist es notwendig, das Billionen-schwere Anleihekaufprogramm APP auslaufen zu lassen.“ sei um die Zinsen zur huhhhh „Inflationseindämmung“ zu erhöhen, wird ja nicht mal erwähnt.
Ulkig.

Und nein, kein Treffer. War seit vielen, vielen Jahren Gegenwart und kann nur als einer unter vielen; alle langjährig -/ Umstand, zur „Wende“, der dann halt auch da war, gewertet werden.

Mit freundlichen Grüßen
Rauhnacht

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