Corona Borealis, Beitrag von 2013 (Schauungen & Prophezeiungen)

Froueli, Samstag, 25.04.2020, 14:12 vor 1433 Tagen (1595 Aufrufe)

Hallo,
ich habe mich heute erinnert, dass es 2013 eine Prophezeiung vom Sternbild "Corona Borealis" gab, dass ein "neuer Stern eingesetzt würde".
Der neue Stern heisst Codiv19.
Grüsse, Froueli

Hier Kopie des Beitrags:


zu Corona Borealis (Schauungen & Prophezeiungen)

Ulrich ⌂ @, Germering, Mittwoch, 23. Januar 2013, 21:11 @ Leserzuschrift

Hallo Didi,

die Frage "Zufall oder Realität" ergibt in meinen Ohren keinen Sinn, weil sich die beiden Begriffe m. E. nicht ausschließen.

Die Frage, wie eine (angenommene) Fälschung ein zukünftiges Ereignis vorausnehmen kann, wird sich wohl nur vage mit Intuition o.ä. erklären lassen, beweist aber meiner Meinung nicht, daß es sich nicht um eine Fälschung handeln könne, weil ja ein zukünftiges Ereignis beschrieben wurde. Ein Beispiel dafür ist die fälschlicherweise Nostradamus zugeschriebene Twin-Towers-Prophezeiung, die (soweit mir bekannt) tatsächlich ein kanadischer Schüler im Rahmen eines Schulprojektes als Beispiel dafür kreiert hat, daß bei genügend vager Formulierung einer Prophezeiung zu erwarten ist, daß dieser irgendwann irgendein Ereignis zugeordnet werden kann.

"'Schau empor! Erkenne das Sternbild der himmlischen Krone dort mittagwärts von deinem Scheitelpunkte. In dieser Sternenkrone wird ein neues Juwel eingesetzt werden und ein Stern hellglänzend da erscheinen, wo du jetzt nur die unerforschte Bläue des Weltenraumes erblickst."

Das bezieht sich meiner Meinung auf das Phänomen des Sterns mit der Bezeichnung "R".
Im 18 Jh. machte der englische Amateur-Astronom Edward Pigott darauf aufmerksam, daß dieser in unregelmäßigen Zeit-Abständen seine Helligkeit verändert und zeitweise nicht mehr zu sehen ist.
Das Phänomen wird hier beschrieben:
http://astrobob.areavoices.com/2012/05/24/the-mysterious-disappearing-act-of-r-coronae-borealis/

Die Formulierung, daß "dieser Sternenkrone [wird] ein neues Juwel eingesetzt" wird, mit dem Sachverhalt gleichzusetzen, daß ein Komet kurzfristig da durchzischt, erscheint mir konstruiert.

Gruß,
Ulrich

@Froueli

Ulrich ⌂, München-Pasing, Samstag, 25.04.2020, 15:09 vor 1433 Tagen @ Froueli (1071 Aufrufe)

Hallo Froueli,

"Corona Boralis" > "neuer Stern" > "Codiv19" / "Covid19" (egal)

klar, liegt auf der Hand, total folgerichtig, das ist einen eigenen Faden wert.

...und wenn wir dann noch bedenken, dass die griechische Mythologie die "Corona Borealis" der kretischen Prinzessin Ariadne zuschreibt, die Herkules mit Hilfe eines Fadens das Entkommen aus dem Labyrinth des Minotaurus ermöglichte, sich dann aber, von diesem vernachlässigt, Dionysos (sic) zuwandte, dann scheint mir das ein klarer Hinweis zu sein, dass nur das Dionysische Delirium bleibt, wenn man den Faden verloren hat.

Ich will jetzt gar nicht wissen, warum Du meinen Beitrag zitierst, es reicht, wenn Du das weißt.

Ich kann das auch:
Mit fleundrichem Gruß
Urlich

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Fälschung Hepidanus von St. Gallen mit wiederkehrender Nova T Coronae Borealis

Taurec ⌂, München, Samstag, 25.04.2020, 15:33 vor 1433 Tagen @ Froueli (1131 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Samstag, 25.04.2020, 15:39

Hallo!

ich habe mich heute erinnert, dass es 2013 eine Prophezeiung vom Sternbild "Corona Borealis" gab, dass ein "neuer Stern eingesetzt würde".
Der neue Stern heisst Codiv19.

Es ist immer wieder erstaunlich, auf welch' kreative Weise alte Prophezeiungen/Fälschungen vergebogen werden, um doch noch irgendwie einen Treffer zu generieren.

Hepidanus von St. Gallen, dessen Namen Du wohl nicht weißt, weil Du nur etwas gerüchteweise Aufgeschnapptes repetierst, stammt angeblich von 1866, wobei die Originalquelle bzw. Erstveröffentlichung niemals aufgefunden wurde.

Das Jahr 1866 weist uns aber den Weg, der zur sicheren Lösung der folgenden Stelle führt:
"Schau empor! Erkenne das Sternbild der himmlischen Krone dort mittagwärts von deinem Scheitelpunkte. In dieser Sternenkrone wird ein neues Juwel eingesetzt werden und ein Stern hellglänzend da erscheinen, wo du jetzt nur die unerforschte Bläue des Weltenraumes erblickst. Wenn dieser Stern als weithin leuchtendes Feuerzeichen erscheinen wird, dann ist die Zeit nahe, wo jene Tage über die Menschheit kommen werden, von denen ich zu dir gesprochen habe."

In dieser eindeutig auf das Firmament verweisenden Passage ein Virus zu sehen, ist völlig abwegig.

Die "himmlische Krone" ist das Sternbild "Corona Borealis", die "nördliche Krone". Der angesprochene neue Stern ist "T Coronae Borealis". Dieser ist ein veränderlicher Stern, der nach Jahrzehnten der Unscheinbarkeit urplötzlich Ausbrüche erlebt, die ihn optisch weit aus seiner Himmelsumgebung herausheben. Zwei dieser Ausbrüche waren 1866 (der erste je bewußt beobachtete – es war also eine 1866 neu entdeckte Nova!) und 1946. Das ergibt zwei Möglichkeiten:

  • Die aus vielerlei Gründen nachweisbare Fälschung "Hepidanus von St. Gallen", deren Erstveröffentlichung angeblich 1866 war, hat den 1866 stattgefundenen Ausbruch T Coronae Borealis aufgegriffen und als Vorzeichen der üblichen unzutreffenden Endzeitschwadronaden mit Naherwartung verwertet nach dem Motto: "Wenn dieses jüngst eingetroffene Vorzeichen stattfindet, das angeblich ein Mönch beits 1081 vorhersagte, dann dauert es nicht mehr lange."
    Eine Prophezeiung ex eventu, um den gutgläubigen Leser heiß zu machen.
  • 1951 wurde die Prophezeiung von Ellerhorst (bzw. seinem Nachlaßverwalter) erneut veröffentlicht. Nur fünf Jahre zuvor fand ein neuerlicher Ausbruch T Coronae Borealis statt. Nun kann man sich überlegen, ob der Veröffentlicher die Prophezeiung bemerkenswert fand, weil der jüngste Ausbruch (irrigerweise) auf eine baldige Erfüllung hinzuweisen schien, oder ob die oben zitierte Stelle überhaupt erst zwischen 1946 und 1951 in den Text eingefälscht wurde.
    Eine Prophezeiung ex eventu, um den gutgläubigen Leser heiß zu machen.

Mehr als diese Möglichkeiten gibt es nicht, da es nirgendwo einen tragfähigen Hinweis gibt, daß es anders sein könnte. Auch dieser neuerliche Versuch, der lediglich auf einer bloßen Wortähnlichkeit beruht und alles andere ignoriert, was gegen Hepidanus von St. Gallen spricht, ist keiner.

Gruß
Taurec

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Alter Zwist?

Froueli, Samstag, 25.04.2020, 15:44 vor 1433 Tagen @ Taurec (970 Aufrufe)

Das Jahr 1866 weist uns aber den Weg, der zur sicheren Lösung der folgenden Stelle führt:
"Schau empor! Erkenne das Sternbild der himmlischen Krone dort mittagwärts von deinem Scheitelpunkte. In dieser Sternenkrone wird ein neues Juwel eingesetzt werden und ein Stern hellglänzend da erscheinen, wo du jetzt nur die unerforschte Bläue des Weltenraumes erblickst. Wenn dieser Stern als weithin leuchtendes Feuerzeichen erscheinen wird, dann ist die Zeit nahe, wo jene Tage über die Menschheit kommen werden, von denen ich zu dir gesprochen habe."

Uiuiui, habe ich da in ein altes Wespennest getochen?
Da will ich mich nicht in euren Disput einmischen... ich habe mich lediglich vage erinnert, dass mal was war von wegen "Corona borealis" und mal was aus dem Archiv gepostet um zu sehen, ob da eine Reaktion kommt.

Schöne Grüsse, Froueli

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"Wespennest"? ... Hepidannusfälschung

BBouvier @, Samstag, 25.04.2020, 15:58 vor 1433 Tagen @ Froueli (1095 Aufrufe)
bearbeitet von BBouvier, Samstag, 25.04.2020, 16:12

Hallo, Froueli!

Zur Hepidannusfälschung:
=>
https://schauungen.de/forum/index.php?id=32448

https://schauungen.de/forum/index.php?id=12565

Grüße!
BB

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Mönch von St Gallen

Frank Zintl @, Lund, Mittwoch, 29.04.2020, 07:49 vor 1430 Tagen @ Taurec (939 Aufrufe)

Hallo

Immerhin scheint es diesen Hepidanus wirklich gegeben zu haben.

In einem Lexikon des 18. Jahrhunderts ist er erwähnt:
https://www.zedler-lexikon.de/index.html?c=blaettern&id=122813&bandnummer=12&seitenzahl=0821&supplement=0&dateiformat=1%27)

Dort steht aber nichts von Prophezeiungen. Stattdessen soll er eine
Chronik des Klosters und zwei Bücher über einen Heiligen Wiborad
geschrieben haben.

Wenn es diese Prophezeiungen gäbe = wenn das, was heute im Umlauf
ist, WIRKLICH aus der Zeit von Hepidanus wäre, dann müssten sie in
einer Handschrift in der berühmten Klosterbibliothek in St. Gallen
aufzufinden sein. Vermutlich dann auf Latein.

Frank Zintl

zum erfundenen Mönch von St. Gallen

Ulrich ⌂, München-Pasing, Donnerstag, 30.04.2020, 00:37 vor 1429 Tagen @ Frank Zintl (861 Aufrufe)

Hallo Frank,

In einem Lexikon des 18. Jahrhunderts ist er erwähnt:
https://www.zedler-lexikon.de/index.html?c=blaettern&id=122813&bandnummer=12&seitenzahl=0821&supplement=0&dateiformat=1%27)

ja ja, der Glaube an das geschriebene Wort...

Johannes Duft, von 1948 bis 1981 Stiftsbibliothekar in der Stiftsbibliothek St. Gallen, zitiert in seiner Schrift "Die Beziehungen zwischen Irland und St. Gallen" (1953) auf S. 33 Ludwig Traube in "O Roma nobilis. Philologische Untersuchungen aus dem Mittelalter" (1891):
"Zwei weitere irische Namen, die mit St. Gallen in Verbindung gebracht werden, sind sehr wenig bezeugt: Fortegian findet sich in den Quellen nicht, Hepidan oder Hepixannus ist einzig auf der Titelseite einer von ihm um 1072 verfaßten Vita der heiligen Wiborada als Coenobiota S. Galli genannt; daß dieser oder ein anderer Hepidan Verfasser der Annales Sangallenses maiores sei, ist eine der unbegründeten Behauptungen Goldasts."

dazu in Fußnote 5:
Vgl. Henking in MVG XIX (= NF 9),359. Traube, 0 Roma nobilis, 43: "Der Hepidanus ... ist von ihm [Goldast] erschwindelt." VgI. Heer, Mabillon, 133 f.

Gemeint ist Melchior Goldast, der als manischer Buch-Sammler auch die Stiftbibliothek St.Gallen bestohlen hat.

Wenn man den von Duft zitierten Kontext bei Ludwig Traube nachliest ( https://archive.org/details/bub_gb_bocTAAAAQAAJ ), stellt man fest, dass Melchior Goldast eine gewisse Routine in der Erfindung von Mönchen und (Schein-)Heiligen hatte:
"Aber Goldast ist nicht zu trauen. Der Hepidannus, der nach seiner Handschrift die Annales verfasst haben soll, ist von ihm erschwindelt, wie anderorts von ihm der Ottilius Sergianus, der Albius Ovidius Juventinus, der Julius Speratius, die zehn Petrone und der Magister Ruodpert." :rotfl:

Einem erfundenen Mönch später auch noch eine erfundene Prophezeiung/Vision/Offenbarung anzudichten, ist immerhin konsequent und liegt auch sonst ganz auf der Linie der (katholischen) Kirche, eine Froh-Botschaft als Droh-Botschaft zu vermarkten.

Diplomatischer (Wes Brot ich ess' ...) formuliert es Karl Schmuki:
"Karl Schmuki, Bereichsleiter Wissenschaft an der Stiftsbibliothek St. Gallen, hat zwar schon von besagtem Mönch gehört – jedoch nur von Außenstehenden. «So alle drei bis vier Jahre erhalten wir eine Anfrage zu den Visionen und Prophezeiungen eines angeblichen St. Galler Mönchs namens Hepidannus oder Hepidanus.» Einen Mönch dieses Namens hat es im Kloster St. Gallen laut Schmuki aber nie gegeben."
https://www.20min.ch/story/sagte-st-galler-moench-den-3-weltkrieg-voraus-616724900887

Gruß
Ulrich

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Ursprung des Hepidanus als Patron der Prophezeiung und Alexander von Humboldt als Inspiration des Fälschers

Taurec ⌂, München, Freitag, 01.05.2020, 08:48 vor 1428 Tagen @ Ulrich (835 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Freitag, 01.05.2020, 09:01

Hallo!

Gann wertet Goldast noch als sicheren Hinweis auf die Existenz eines Hepidannus.

Goldast führt angeblich drei Bücher an, die von Hepidannus stammen sollen:

1. Annalen der Jahre 709 bis 1062

Anmerkung: Dieser Codex ist in St. Gallen angeblich vorhanden (Codex 915), stammt aber von mehreren Schreibern, derer keiner Hepidannus hieß. Laut G. Scherer wurde das Werk von Goldast willkürlich dem Hepidannus zugeschrieben.

2. Eine Biographie der Heiligen Wiborada

Anmerkung: Eine Originalhandschrift dieser Biographie existiert offenbar gar nicht (Gann: "anscheinend nicht mehr vorhanden". Allerdings existiert im St. Gallener Codex 560 angeblich eine Abschrift derselben, die einem Schreiber namens "Herimannus" (Gann: "wahrscheinlich Ende des 11. Jahrhunderts") zugeschrieben wird (wird inzwischen auch bei Wikipedia erwähnt).

3. Ein Kalenderberechnungsbuch mit Titel "Comptus Ecclesiasticus"

Anmkerung: Befand sich angeblich in Goldasts Besitze, wurde aber von ihm nie veröffentlicht. Seine Existenz ist höchst zweifelhaft. Offenbar ist Goldast der einzige, der es je erwähnt hat. In G. Scherers Beschreibung der St. Gallener Handschriften ist es nicht erwähnt. In der Universitätsbibliothek Bremen, welche die umfangreiche Handschriftensammlung Goldasts seinerzeit von dessen Erben angekauft hat, ist es ebenfalls nicht auffindbar. (Gann, S. 95)

Das erste Werk nennt den Namen Hepidannus gar nicht, das zweite nur den entfernt ähnlich klingenden Herimannus, das dritte ist nicht nachweisbar und ist wahrscheinlich eine Erfindung Goldasts.

Allein auf der Namensähnlichkeit des Herimannus, der in etwa zur Zeit des fiktiven Hepidanus des Prophezeiungstextes lebte, baut Gann seine Überlegungen auf und kommt zu dem Schluß: "Sofern zu der Zeit in St. Gallen nicht noch ein anderer Mönch dieses Namens gelebt hat, haben wir in dem Schreiber somit sehr wahrscheinlich den Seher vor uns."

Gann weiter: "Aber auch wenn der Wiboradabiograph nicht der Seher sein sollte: Schon allein die Tatsache, daß der für Mitteleuropa recht ungewöhnliche (vielleicht irische) Name des St. Gallener Visionärs im dortigen Kloster überhaupt nachweisbar ist, erhärtet die Glaubwürdigkeit der Quellenangabe der Kölner Hepidannusschrift."

Tatsache ist aber, daß der Name in St. Gallen nicht nachweisbar ist. Gann fußt diese Behauptung allein auf Goldasts Angabe, er sei dort nachweisbar, die er einfach glaubt. ("In St. Gallen hat der Name offenbar eine gewisse Tradition, da dort schon einmal im 10. Jahrhundert ein Mönch so geheißen hat (Goldast 1606, S. 3)")

Gann: "Denn wie hätte deren Herausgeber, falls er nicht zufällig Goldasts Buch gelesen hat, sonst auf den ausgefallenen Namen kommen können, wenn nicht dadurch, daß ihm eben tatsächlich eine alte St. Gallener, diesen Namen enthaltende Handschrift (bzw. eine Abschrift derselben) vorgelegen hat?"

Gann hatte offensichtlich nicht unsere Recherchemöglichkeiten, sonst wäre ihm das folgende aufgefallen, das es höchst wahrscheinlich macht, daß dem Fälscher der Name "Hepidannus" aus seiner Gegenwartsliteratur einfach bekannt war.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die französische Wikipedia zu "Hepidannus", womit der von Goldast so genannte Schreiber der Annalen gemeint ist.
Dort heißt es: "Les Monumenta Germaniæ Historica intitulent ce texte Annales Sangallenses Majores (dicti Hepidanni)".

Offenbar nennt der erste Band, betitelt "Annales et chronica ævi Carolini", des Geschichtswerkes Monumenta Germaniæ Historica, der 1826 erschien (also bereits gefährlich nahe an dem angeblichen Ersterscheinen der Hepidanusprophezeiung 1866), die besagten Annalen mit dem von Goldast konstruierten Verfasser "Hepidannus".
Wer also im 19. Jahrhundert in einem damals verbreiteten Geschichtswerk zu den Annalen des Klosters St. Gallen vom 8. bis zum 11. Jahrhundert nachschlug, traf zwangsläufig auf Goldasts "Hepidannus" als Verfasser. Das läßt die Namenswahl "Hepidanus" durch den Fälscher für sein Machwerk von 1866 nicht gerade abwegig erscheinen, wenn dieser nach einem real existierenden Mönche des 11. Jahrhunderts suchte, dem er die Prophezeiung zuschreiben konnte.

Der französische Artikel zu Hepidannus als vermeintlichem Verfasser der Annalen ist aus einem weiteren Grunde interessant:
"Ces annales sont citées entre autres pour un phénomène astronomique mentionné pour l'année 1006 (1012 par erreur dans les éditions Goldast et Duchesne), et que relevait par exemple Alexandre de Humboldt dans son ouvrage Kosmos:
'Nova stella apparuit insolitæ magnitudis, aspectu fulgurans, et oculos verberans, non sine terrore. Quæ mirum in modum aliquando contractior, aliquando diffusior, et jam exstinguebatur interdum. Visa est autem per tres menses in intimis finibus austri, ultra omnia signa quæ videntur in cælo.'"

Die Annalen enthalten für das Jahr 1006 den Eintrag der Erscheinung einer Nova, der von Alexander von Humboldt 1850 in Band III seines "Kosmos" wie folgt zitiert wird:
"Ein neuer Stern ungewöhnlicher Größe erschien, in der Erscheinung leuchtend, und den Augen schmerzlich, nicht ohne Schrecken. Er war bald auf wunderbare Weise zusammengezogen, bald ausgedehnt, und zwischenzeitlich auch verloschen. Gesichtet wurde er dagegen über drei Monate im tiefsten Süden [Taurec: sic!!!], länger als alle Zeichen, die am Himmel gesehen wurden." (Übersetzung von mir, Humboldts Angabe ist im Original hier nachzulesen.)

Auch Humboldt nannte 1850 in seinem bekannten Hauptwerk namentlich Hepidannus von St. Gallen als Urheber der Annalen und zitiert ihn ausdrücklich mit dem Bericht über eine neue Nova, die 1006 am südlichen Himmel erschien.

Ich meine, man kann an dieser Stelle keinen Zweifel mehr lassen, daß der Fälscher der Hepidanusprophezeiung von 1866 Humboldts Buch gelesen hatte und dort den Hepidannus von St. Gallen mit seiner Nova vorfand, welchen Bericht er offenbar als Vorlage der entsprechenden Passage einer neuen Nova (mit Querbezug zur tatsächlichen Nova 1866) in seinem Machwerke heranzog.

Gruß
Taurec

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Herkunft des Namens "Hepidannus"

Taurec ⌂, München, Freitag, 01.05.2020, 18:51 vor 1427 Tagen @ Taurec (729 Aufrufe)

Hallo!

Der Fälscher von 1866 schreibt Hepidanus mit einem "n" und verfälscht damit den Namen des bereits zuvor in der Literatur kurisrenden fiktiven Mönches "Hepidannus".

"Hepidannus" scheint vor Veröffentlichung durch Goldast im Jahre 1606 gar nicht existiert zu haben. Einen echten Mönch Hepidannus gab es nicht. Der Name wurde damals erst von Goldast erfunden, so daß sich die Frage stellt, wie er auf diesen kam.

Die Antwort ist eigentlich einfach.
Goldast schreibt seinem Hepidannus die Annalen der Jahre 709 bis 1062 zu und so erklärt sich auch die Namensbildung:
"Annus" ist lateinisch für Jahr.
Hinzu kommt das altgriechisch Präfix "epi-" mit der übertragenen Bedeutung: "auf Grund, zu dem Zweck, darüber, hinzu"
Während seit der Antike bei vielen Wörtern das Anlaut-H weggefallen ist (lateinisch "habere" ⇒ italienisch "avere"), ging Goldast hier den umgekehrten Weg und hat ein "H-" einfach vorangestellt.
Dazwischen noch ein "-d-", bei dem es sich um ein klassisches Fugenelement bzw. einen Fugenlaut handelt, den man bei Kompisita zwischen die einzelnen Elemente stellt, und man hat

H-epi-d-annus mit der Bedetung "Über das Jahr", ein passender Name für einen fiktiven Mönch, den man als Verfasser von Chroniken einführen will. :ok2:

Gruß
Taurec

--
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Betreffend Gann

Baldur, Freitag, 01.05.2020, 22:00 vor 1427 Tagen @ Taurec (761 Aufrufe)

Hallo, Taurec,

Deiner seinerzeitigen Mitteilung nach hat Gann ja auch den angeblichen Kugelbeer aus Lochau historisch bestätigt gefunden.

Ja, dann war Bekhs Erna Stieglitz gaaanz bestimmt auch echt.

Wahr ist, woran man selbst glauben möchte...

Bests Grüsse vom Baldur

Meine absolute Hochachtung vor so viel Fleiss und Sachkunde

Baldur, Freitag, 01.05.2020, 22:13 vor 1427 Tagen @ Taurec (892 Aufrufe)

Hallo, Taurec,

Ich bin immer wieder beeindruckt über den Einsatz und die Leistung von Dir, Ulrich, und BBouvier.

Ihr könntet sofort zur Tatermittlung wechseln.

Andererseits ist es schauderlich, welche Ansprüche gewisse Autoren an sich und ihre Arbeit haben und hatten. Da zählen wohl nur Missionierungswahn, Selbstbeweihräucherung, und Kohle. Gewissen und Verantwortungsgefühl sind nur hinderlich.....und das seit Jahrhunderten.

Gut, dass wir wenigstens den Hubert hatten, denn aufgrund seiner weltbesten Seherin aller Zeiten, Maria S., wissen wir, dass die Seuche tatsächlich aus Afrika stammt und der Wirtschaftszusammenbruch im Herbst 2019 stattgefunden hat.

Beste Grüsse vom Baldur

Wann ?

Frank Zintl @, Lund, Sonntag, 03.05.2020, 08:56 vor 1426 Tagen @ Ulrich (778 Aufrufe)
bearbeitet von Frank Zintl, Sonntag, 03.05.2020, 09:04

Hallo

Wenn dieser Goldast gemeint ist - und danach sieht
es aus - dann kann der Eintrag in einem Lexikon im
mittleren 18. Jahrhundert auf seine Fälschungen
zurückgehen. Mir nur schleierhaft, warum man einen
Mönch (oder mehrere) frei erfindet, wenn man nicht
gerade der Verfasser historisch inspirierter Romane
ist.

https://de.wikipedia.org/wiki/Melchior_Goldast

Frank

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Genau jener

Taurec ⌂, München, Sonntag, 03.05.2020, 10:00 vor 1425 Tagen @ Frank Zintl (794 Aufrufe)

Hallo!

Wenn dieser Goldast gemeint ist - und danach sieht
es aus - dann kann der Eintrag in einem Lexikon im
mittleren 18. Jahrhundert auf seine Fälschungen
zurückgehen. Mir nur schleierhaft, warum man einen
Mönch (oder mehrere) frei erfindet, wenn man nicht
gerade der Verfasser historisch inspirierter Romane
ist.

Im Prophezeiungsmetier ist das Erfinden von Sehern, um ihnen die eigenen Aussagen zuzuschreiben oder sich selbst als glorreichen Entdecker hochzufeiern, doch Gang und Gäbe.

Die meisten der berühmt-berüchtigten französischen Nonnen und Hausfrauen haben Glück, wenn sie überhaupt gelebt haben. Für andere wie den Mühlhiasl, den Blinden Jüngling u. a. sieht es weniger rosig aus.

Dabei tun sich vor allem Priester oder andere erzchristliche, ihrer jeweiligen Kirche treue Gesellen je nach Schweregrad als Schwindler, Lügner oder Betrüger hervor. Sie stehen einer gläubigen und naiven Herde Schäfchen gegenüber, die sich nicht vorstellen können, daß so fromme und um die Christenheit bemühte Männer zu solcher Schamlosigkeit überhaupt fähig sein können, weswegen an deren Texten ja auch kein Zweifel bestehen könne. :ok:

Warum sollte es aber außerhalb des Prophezeiungsbereichs in anderen kirchennahen Gelehrtennischen anders aussehen? Auch dort ist man tendenziell bemüht, die losen Enden der eigenen Religion und ihrer Überlieferungsgeschichte zu verbinden, um die Ungewißheiten und Fragwürdigkeiten zugunsten des gewünschten Bildes zu tilgen. So war es für Goldast offenbar besser, Lücken mit spekulativen oder erfundenen Namen zu füllen, denn irgendeinen Namen wird der jeweilige Verfasser ja wohl gehabt haben müssen. :lol2:

Gruß
Taurec

--
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„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“

@Frank Zintl

Ulrich ⌂, München-Pasing, Sonntag, 03.05.2020, 10:38 vor 1425 Tagen @ Frank Zintl (792 Aufrufe)

Hallo Frank,

Mir nur schleierhaft, warum man einen Mönch (oder mehrere) frei erfindet, wenn man nicht gerade der Verfasser historisch inspirierter Romane ist.

das kennt doch vermutlich Jeder aus dem Alltag: Wer eine Lüge stützen will, die in Widerspruch zu Fakten steht, muss sie über kurz oder lang mit weiteren Lügen zu untermauern versuchen. Nicht umsonst gibt es den Begriff "Lügengebäude".
Warum sollte das bei dogmatischen, historisch gewachsenen Glaubenssystemen anders sein?
Falls Du sittlich ausreichend gefestigt bist, dann blättere doch gelegentlich in Karlheinz Deschners 10-bändiger "Kriminalgeschichte des Christentums". Du wirst feststellen, dass derart "fromme Lügen" systemimmanent sind.

Gruß
Ulrich

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