Hallo!
Aber Claessson ist kein Windei.
So ganz dicht, ist er allerdings auch nicht. Das zeigt sich bereits in den ersten Zeilen, wenn die weiße Gestalt ihm die obsoleten christlichen Endzeitschwadronaden um die Ohren haut, die seit Jahrtausenden ständig kurz bevorstehen und ständig nicht eintreffen:
"Und ich will Dir zeigen, was mit den nordischen Völkern in der Endzeit in dieser Gnadenzeit geschehen soll."
Da bekommt Claesson schlicht geboten, was sich sein Frömmlergemüt wünscht.
Bei den sich anschließenden, recht pragmatisch anmutenden Beschreibungen stellt sich angesichts dessen, daß Claesson offenbar von der christlichen Endzeitideologie betroffen ist, die Frage, ob es sich nicht doch nur um eine phantasievolle Ausgestaltung des alten Gog-Magog-Mythos handelt, der sich in der Neuzeit an die Russen als bösen Endzeitendgegner geheftet hat. Da dürfen dann obligatorische Greueltaten wie diese nicht fehlen:
"Ich sah, wie die feindlichen Soldaten in die Häuser gingen und unsere Frauen herauszerrten, während die Frauen hysterisch schrien und um Hilfe riefen."
Nach der Beschreibung militärischen Geschehens, die man mal auf Plausibilität aus militärischer Sicht prüfen sollte (Würde man heute überhaupt noch so vorgehen? Wirkt die Strategie auch mehr als nur Laiensicht vernünftig?), wird es vollkommen frömmlerisch-schwachsinnig:
- Die Entrückung der Rechtgläubigen zum singenden Jesus
- Begründung des Geschehens: Jesus macht sein geliebtes Volk blutig platt, nur um es retten zu können. (Klingt nach einer geistekranken Mutter im Helferwahn, die ihre Kinder verletzt, um sie anschließend pflegen zu können.)
⇒ "Aber wie soll ich sie erretten können? Ich kann sie nicht beten lehren, ich kann sie nicht demütig machen außer durch Not. Und jetzt kommt die Not über dieses Volk, und es sind viele, die durch diese Not für die Ewigkeit gerettet werden."
- Das tausendjährige Gottesreich (wieder so ein aufgeblähtes Schlagwort ohne Inhalt)
- Die obligatorische Mahnung zur Umkehr: "‚Laßt Euch mit Eurem Gott versöhnen. Erhebt Euch. Schüttele die Bedenken und Vorurteile von dir ab und tritt vor und suche die Gnade, solange die Tür zur Gnade offensteht. Heute ist die Quelle von Golgatha offen, die Quelle, die entsprungen ist, als unser Erlöser Jesus einmal am Kreuz ausrief: ‚Es ist vollbracht.‘ Heute sprudelt sie [gemeint: die Gnade aus der Quelle]. Es gibt für dich eine Möglichkeit zur Reinigung, und selig bist du, wenn du aufwachst. Amen.‘"
Claesson bewegt sich also in der Dramaturgie der christlichen Endzeitschwadronaden, die nichts weiter als eine von Menschen seit 2000 Jahren gepflegte, immer weiter aufgeblähte und dem jeweiligen Zeitgeist stets angepaßte Vorstellungswelt sind.
Ist es angesichts dessen angebracht, den Text in vernünftige-brauchbare und frömmlerische-vernachlässigbare Bestandteile zu trennen oder läßt der bigotte Teil die profanen Schilderungen nicht vielmehr als integralen Bestandteil der irrationalen großen Erzählung der christlichen Endzeitprophetie erscheinen?
Daher ist es kein Wunder, wenn in alten Prophezeiungen Sommerkriege vorhergesagt wurden.
Diese vermeintlich alten Prophezeiungen sind sehr junge Fälschungen, die nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Ende Juli, Anfang August 1914 (Hochsommer!) entstanden.
Der Mönch aus Wismar ist eine Propagandafälschung, die während des Ersten Weltkrieges in mehreren, aktualisierten Varianten unters Volk gebracht wurde. Aussage: "Dieser Krieg wird beginnen, wenn die Ähren sich voll neigen." ⇒ Kriegsausbruch am 28. Juli 1914.
Davon ausgehend wird dem erfundenen Mühlhiasl später erst zugeschrieben: "Wenn das Korn reif ist, wird ein großer Krieg kommen."
Diese Aussage findet sich in der ältesten bekannten Mühlhiaslfassung, die erst 1923 entstand, nicht. Sie findet sich auch nicht in den verschiedenen älteren Stormbergerfassungen, sondern lediglich in späteren Stormbergertexten bei Autoren, die ihn ohne nachvollziehbare Grundlage mit Mühlhiasl gleichsetzen. Es handelt sich hierbei (Krieg im Hochsommer) meines Erachtens um ein Motiv, das mit dem Ersten Weltkrieg mit Wucht hochkam und dann losgelöst eigenständig sich in der Prophezeiungsszene des 20. Jahrhunderts eingenistet hat.
So kann dann auch der unsterbliche Gottimperator aller Fälscher und Endzeitschwadroneuere des 20. Jahrhunderts, der allmächtige Adl-/Irlmaier 1949 schwadronieren:
"Es gibt wieder einen großen Krieg, wenn das Getreide reif ist."
Japsers Aussge, das Korn werden man noch einscheuern, den Hafer indes nicht, ist für 1849 belegt (Beykirch). Es handelt sich hierbei aber, wie beim ganzen Japser, nur um eine weitere Inkarnation der als Volkssage getarnten christlichen Endzeitschwadronade. Sie bewegt sich auf dem Stand des Szenarios von 1848/49 und entspricht dem in der angeblichen Prophezeiung von 1622 ebenfalls von Beykirch unters Volk gebrachten Chronologie:
"Der Monat Juni wird auch zum Krieg einladen, aber es ist auch noch nicht die Zeit. Der Monat Juli wird erst grausam handeln, daß viele vom Weib und Kind Abschied nehmen müssen. Im August wird man an allen Enden der Welt vom Krieg hören."
Beykirch gehört meines Erachtens der ältesten nachweisbaren Schicht dieses Motivs "Krieg im Hochsommer" an. Dazu gehört auch die Aussage über "Soldaten zur Krautweih", die erstmals bei Zurbonsen um 1897 belegt ist. Alles spätere geht auf die Fassung dieser Vorstellung zurück, die mit dem Kriegsausbruch im August 1914 entstand, um den Ersten Weltkrieg als den gemeinten Endzeitkrieg zu etablieren. Die paar älteren Beykirch-Zubonsen-Fetzen paßten zufällig und gaben eine veritable Grundlage für weitere Fälschungen her. Dies hat sich später (Landinger 1957, Ötztalkatharina 1986) wieder verselbständigt und wird heute mit einer Reihe weiterer Fälschungen als vermeintliche Belege im Gepäck noch als Russenfeldzug im Hochsommer geglaubt.
Daß Beykirch, der aus ominösen unbekannten Quellen, aber ganz sicher "von glaubwürdigen Männern sorgfältig gesammelt" und "von einem Freunde" des Sehers "unzweifelhaft von ihm herrührend", "als echte Prophezeiung vernommen, und nach genauer Erkundigung bei anderen als unzweifelhaft von ihm herrührend gefunden" zitiert (S. 59), mehr als nur gerüchteweise in der christlichen Prophezeiungsszene flottierende Vorstellungen aus dem 19. Jahrhundert veröffentlicht hat, ist eigentlich nicht anzunehmen. Zu klären ist allein, welche zeitgenössische Idee die Prophezeiungsautoren damals umtrieb, die einen Kriegsbeginn im Sommer, um dann auf ein Strafgericht im Oktober/November hinzuarbeiten, statthaft erscheinen ließ. Denn irgendwoher muß die Sache ja kommen.
Gruß
Taurec
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„Es lebe unser heiliges Deutschland!“
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„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“