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Alois Irlmaier & Erich Kästner (Schauungen & Prophezeiungen)

Lacrimosa, Sonntag, 21.09.2014, 21:58 vor 3503 Tagen (4274 Aufrufe)

Hallo

In Alois Irlmaier´s Prophezeiungen gibt es den "gelben Strich".
Ich glaube ich muss an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen,
da die hiesigen Leser bereits im Bilde sind.
Nun bin ich auf ein Gedicht von Erich Kästner gestoßen.
Es heißt das letzte Kapitel und handelt vom Ende der Menschheit.

Das Erscheinungsjahr des Gedichtes ist 1930.
Womöglich sind die Erinnerungen an den 1. Weltkrieg und dessen
Senfgaseinsätze mit in das Gedicht eingeflossen.
Aber urteilt selbst...


"Das letzte Kapitel"

Am zwölften Juli des Jahres 2003
lief folgender Funkspruch rund um die Erde:
daß ein Bombengeschwader der Luftpolizei
die gesamte Menschheit ausrotten werde.

Die Weltregierung, so wurde erklärt, stelle fest,
daß der Plan, endgültig Frieden zu stiften,
sich gar nicht anders verwirklichen läßt,
als alle Beteiligten zu vergiften.

Zu fliehen, wurde erklärt, habe keinen Zweck,
Nicht eine Seele dürfe am Leben bleiben.
Das neue Giftgas krieche in jedes Versteck,
man habe nicht einmal nötig, sich selbst zu entleiben.

Am 13. Juli flogen von Boston eintausend
mit Gas und Bazillen beladene Flugzeuge fort
und vollbrachten, rund um den Globus sausend,
den von der Weltregierung befohlenen Mord.

Die Menschen krochen winselnd unter die Betten.
Sie stürzten in ihre Keller und in den Wald.
Das Gift hing gelb wie Wolken über den Städten.
Millionen Leichen lagen auf dem Asphalt.

Jeder dachte, er könne dem Tod entgehen,
keiner entging dem Tod und die Welt wurde leer.
Das Gift war überall, es schlich wie auf Zehen.
Es lief die Wüsten entlang, und es schwamm übers Meer.

Die Menschen lagen gebündelt wie faulende Garben.
Andere hingen wie Puppen zum Fenster heraus.
Die Tiere im Zoo schrien schrecklich, bevor sie starben.
Und langsam löschten die großen Hochöfen aus.

Dampfer schwankten im Meer, beladen mit Toten.
Und weder Weinen noch Lachen war mehr auf der Welt.
Die Flugzeuge irrten mit tausend toten Piloten,
unter dem Himmel und sanken brennend ins Feld.

Jetzt hatte die Menschheit endlich erreicht, was sie wollte.
Zwar war die Methode nicht ausgesprochen human.
Die Erde war aber endlich still und zufrieden und rollte
völlig beruhigt ihre bekannte elliptische Bahn.

Quelle: http://www.deutschelyrik.de/index.php/das-letzte-kapitel-1930.html
http://www.youtube.com/watch?v=6rXIgWZgg50

MfG
Lacrimosa

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Ideenkreis Gaseinsatz

Taurec ⌂, München, Sonntag, 21.09.2014, 22:42 vor 3503 Tagen @ Lacrimosa (3461 Aufrufe)

Sehr interessant. Das hatte ich schon wieder vergessen.

Das Gedicht ist schon das eine oder andere Mal in den Vorgängerforen gepostet worden, damals aber ohne großes Echo, aber als irgendwie diffus prophetisch behandelt.

Ein Schreiber schrieb damals (2002):
"Kästner hat noch mehr so 'prophetische' Gedichte verfaßt, z.B. über Dresden. Er scheint wohl auch ein Eingeweihter gewesen zu sein. Als er mal in Dresden war 20/30er Jahre sagte er sinngemäß: 'schöne Stadt, schade daß hier bald kein Stein mehr auf dem anderen sein wird...' und das war zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzusehen."

Die Ähnlichkeiten (Flugzeuge, gelbe Wolken, massenhaft Tote, Zukunft(!)) scheinen mir so frappant zu sein, daß ich eine irgendwie geartete Verbindung anzunehmen geneigt bin.

Daß der Gelbe Strich unmittelbar nach Vorlage des Gedichtes entworfen wurde, glaube ich nicht. Aber es zeigt zumindest, daß solche Ideen damals in den Köpfen der Menschen kursierten und für Irlmaier/Adlmaier nicht so abwegig waren, wie man meinen könnte.

Mir scheint, vor der Erfindung der Atombombe war Gaseinsatz der Kristallisationspunkt für diffuse Ängste der Menschen vor der modernen Kriegstechnik.

Haben wir hier nun einen weiteren Sproß aus dem Ideenkreis "Gaseinsatz zur Massenvernichtung" vor uns, aus dem auch Irlmaiers gelber Strich stammen könnte - oder ist Kästners Gedicht latent prophetisch und untermauert diese Motive bei Irlmaier?

Gruß
Taurec

--
„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“

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Kriegsverbrechen

BBouvier @, Sonntag, 21.09.2014, 23:52 vor 3503 Tagen @ Lacrimosa (3299 Aufrufe)
bearbeitet von BBouvier, Montag, 22.09.2014, 00:07

Danke sehr, Lacrimosa!

Derlei verbrecherisches Gedankengut lag zu Kästners Zeit
- was künftige Kriegsführung betrifft - bereits in der Luft.

Besonders der Brite Hugh Montague Trenchard (1873-1956)
war diesbezüglich einer der wesentlichen Vordenker und Planer.

Auch der Italiener Douhet propagierte zeitgleich die Wichtigkeit bombenwerfender Flugzeuge,
als der Rest der Welt noch auf Zeppeline zur Aufklärung setzte.

Und schon 1918 plante Trenchard die strategische Bombardierung Deutschlands,
um „die Moral feindlicher Arbeiter (sic!!) beschädigen,
weil sie deren Leben und Wohnung zerstören
und die öffentlichen Dienstleistungen unterbrechen“ werde.

Seine Aussage von 1925 war, es werde sich das nächste mal (sic!)
„darum handeln, Frauen und Kinder und die Zivilbevölkerung zu töten“.

Der Italiener Douhet wünschte sich große, viermotorige Bomber,
um das feindliche Hinterland verwüsteten:
Zivile Ziele schloss er ausdrücklich ein.

Douhets und Trenchards Ideen fielen bei den Briten auf fruchtbaren Boden.

Dagegen die deutsche LDv16 (Luftwaffendienstvorschrift):
"Der Angriff auf Städte zum Zwecke des Terrors
gegen die Zivilbevölkerung ist grundsätzlich abzulehnen.
"

Daher (Zitat):
"Über viermotorige schwere Bomber verfügte die Luftwaffe (überhaupt) nicht."

Wohingegen die Briten bereits vor (!) Kriegsbeginn
1360 schwere Bomber bei ihrer Rüstungsindustrie in Auftrag gaben.

---------------------------------------------

Insofern benötigte Kästener nicht viel Phantasie,
sich den nächsten Krieg so auszumalen, wie er
dann tatsächlich geführt wurde.

Grüße,
BB

--
- es ist gemein, Blinden Stummfilme zu zeigen
- eine schöne Theorie sollte man sich mit Forschung nicht kaputt machen
- Irlmaier: "Ein Mann erzählt das, was er irgendwo mal gelesen hat."

Kästner und gelbe Wolken des ersten Weltkrieges

Leserzuschrift @, Montag, 22.09.2014, 13:30 vor 3503 Tagen @ Lacrimosa (3165 Aufrufe)

Hallo Taurec,
Hallo BB,

Kästner war ein ausgesprochen wacher Zeitgenosse. Das ist unter anderem an seinem Buch „Notabene 45“ zu sehen.

Kästner war mit Leuten verbunden, die nichts auf Parolen gaben und die es u. a. fertig brachten, mit einem gefakten Filmteam mit zig Leute vor den Kriegswirren zu fliehen.

Gelb als Inbegriff von Giftgas: Das war vermutlich schon aus dem ersten Weltkrieg bekannt, wie das gelblich grüne Chlorgas:

„21. April 1915: Als der Wind nach wochenlangem Warten aus der richtigen Richtung kommt, öffnen die deutschen Soldaten die Chlor-Flaschen. "Eine gelbe Wolke stieg aus den Flaschen auf. Damit hatten die Franzosen nicht gerechnet. Obwohl sie es hätten wissen müssen, es gab Hinweise, aber der Geheimdienst hatte versagt. Das Gas kam, sie mussten husten, sich übergeben, sie starben oder rannten um ihr Leben", beschreibt Franky Bostyn.“

http://www.wdr5.de/sendungen/leonardo/giftgasersterweltkrieg100.html

Siehe auch: http://www.alstergymnasium-hu.de/content/Projekt-Geschichte/sites/mtg_kampfgas.html

Usw.

Zudem der Kampfstoff Senfgas, von dem viel geredet wurde, als sogenanntes Gelbgas bezeichnet wurde, was eine Assoziation nahe legt, und auch nach dem WKI eingesetzt wurde: : http://de.wikipedia.org/wiki/Senfgas#Rifkrieg_in_Marokko_.281921.E2.80.931926.29(dort Dort auch zu dem Namen Gelbgas und Gelbgasangriff usw.

Nicht umsonst war das Zeug legendär gefährlich und besonders perfide.: „durchdringt Beton, Gummi, Holz, Leder und Ziegel.“)

Nicht nur Kästner befürchtete, dass sich Deutschland auf dem Wege in einen Krieg befinde, der böse enden würde. Damit befand er sich in der Minderheit, aber dennoch in größerer Gesellschaft, zu der viele der klügsten Köpfe Deutschlands gehörten.

Kästner war ein ganz außergewöhnlich guter Autor. Hatte eine unglaublich hohe Präzision in der Dramatik (Drehbücher: Münchhausen, 3 Männer im Schnee – wegen der Machthaber unter Pseudonym), was eine hohe Kombinationsfähigkeit und feiner Beobachtung und Gespür voraussetzte. Zudem hatte er eine berühmte außergewöhnliche Phantasie. Der konnte sich manches vorstellen und ausrechnen.

Also leider konnte man ihn nicht mehr kennenlernen und in Erfahrung bringen, was er wie ahnte, aber ich würde es nicht seherisch i. e. S. nennen.

Freut mich, etwas beigetragen haben zu können.

Viele freundliche Grüße

azur

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Lyriker sind bildhafte Menschen

WernerH, Montag, 22.09.2014, 13:41 vor 3503 Tagen @ Lacrimosa (3010 Aufrufe)

Hallo in die Runde,

Kästner war zweifelsohne ein viel belesener, gebildeter und schaffensfroher Mensch, der in seinen Werken bisweilen Spott, Hohn und Ironie zum besten gab. Sicherlich hat er sich auch mit Texten beschäftigt, die außerhalb des Literaturbetriebs veröffentlicht wurden. Ob er die Prophezeiungen Irlmaiers gekannt haben wird? Wohl eher nicht.

Hier ein anderes köstliches Beispiel Kästners "Sehergabe":

Maskenball im Hochgebirge

Eines schönen Abends wurden alle
Gäste des Hotels verrückt, und sie
rannten schlagerbrüllend aus der Halle
in die Dunkelheit und fuhren Ski.

Und sie sausten über weiße Hänge.
Und der Vollmond wurde förmlich fahl.
Und er zog sich staunend in die Länge.
So etwas sah er zum ersten Mal.

Manche Frauen trugen nichts als Flitter
Andre Frauen waren in Trikots.
Ein Fabrikdirektor kam als Ritter.
Und der Helm war ihm zwei Kopf zu groß.

Sieben Rehe starben auf der Stelle.
Diese armen Tiere traf der Schlag.
Möglich, daß es an der Jazzkapelle -
denn auch die war mitgefahren - lag.

Die Umgebung glich gefrornen Betten.
Auf die Abendkleider fiel der Reif.
Zähne klapperten wie Kastagnetten.
Frau von Cottas Brüste wurden steif.

Das Gebirge machte böse Miene.
Das Gebirge wollte seine Ruh.
Und mit einer mittleren Lawine
deckte es die blöde Bande zu.

Dieser Vorgang ist ganz leicht erklärlich.
Der Natur riß einfach die Geduld.
Andre Gründe gibt es hierfür schwerlich.
Den Verkehrsverein trifft keine Schuld.

Man begrub die kalten Herrn und Damen.
Und auch etwas Gutes war dabei:
Für die Gäste, die am Mittwoch kamen,
wurden endlich ein paar Zimmer frei.

Hier nun die Realität anno 1999:
http://de.wikipedia.org/wiki/Lawinenkatastrophe_von_Galt%C3%BCr

Merke: Die Natur ist immer imstande sich zu rächen.

Grüße
WernerH

Noch eines von Kästner

rauhnacht, Montag, 22.09.2014, 21:39 vor 3502 Tagen @ WernerH (2943 Aufrufe)

Hallo,

und noch eins, grad eben gefunden, wohl Jahrgang 1932:

Die Entwicklung der Menschheit
Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt,
behaart und mit böser Visage.
Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt
und die Welt asphaltiert und aufgestockt,
bis zur dreißigsten Etage.
Da saßen sie nun, den Flöhen entflohn,
in zentralgeheizten Räumen.
Da sitzen sie nun am Telefon.
Und es herrscht noch genau derselbe Ton
wie seinerzeit auf den Bäumen.
Sie hören weit. Sie sehen fern.
Sie sind mit dem Weltall in Fühlung.
Sie putzen die Zähne. Sie atmen modern.
Die Erde ist ein gebildeter Stern
mit sehr viel Wasserspülung.
Sie schießen die Briefschaften durch ein Rohr.
Sie jagen und züchten Mikroben.
Sie versehn die Natur mit allem Komfort.
Sie fliegen steil in den Himmel empor
und bleiben zwei Wochen oben.
Was ihre Verdauung übrigläßt,
das verarbeiten sie zu Watte.
Sie spalten Atome. Sie heilen Inzest.
Und sie stellen durch Stiluntersuchungen fest,
daß Cäsar Plattfüße hatte.
So haben sie mit dem Kopf und dem Mund
Den Fortschritt der Menschheit geschaffen.
Doch davon mal abgesehen und
bei Lichte betrachtet sind sie im Grund
noch immer die alten Affen

Liebe Grüße, Rauhnacht

Wer weiß schon, was er wußte oder einfach nur schrieb. Wer weiß schon, ob er säuberlich trennte zwischen Präkognitivem als Fachwort oder intuitiv "zugefallenem Gedachten". Vielleicht war ihm eine solch "makabre Trennung" wurscht und er FÜHLTE einfach mit der Welt. Der Mann war oft sehr unglücklich, kann ich gut verstehen.

wohl verständlich...

offtopic, Montag, 22.09.2014, 22:56 vor 3502 Tagen @ rauhnacht (2828 Aufrufe)

Hallo rauhnacht,

Wer weiß schon, was er wußte oder einfach nur schrieb. Wer weiß schon, ob er säuberlich trennte zwischen Präkognitivem als Fachwort oder intuitiv "zugefallenem Gedachten". Vielleicht war ihm eine solch "makabre Trennung" wurscht und er FÜHLTE einfach mit der Welt. Der Mann war oft sehr unglücklich, kann ich gut verstehen.

In der Tat ist ein feinfühliger Mensch unglücklich, wenn er sieht, wie die Zerstörung des Planeten den technischen Aufschwung erst möglich macht und dann mit dem geistigen Fall bezahlt wird.

Insofern, kann aber das Resultat der Weltenwende nur Hoffnung schenken auf eine neue Art Mensch, die außer dem "ich" auch ein "wir" kennt und weiß, "wo" sie zu Hause ist.


Liebe Grüße

OT

Besinnungsloses Tun

WG, Dienstag, 23.09.2014, 08:48 vor 3502 Tagen @ offtopic (2832 Aufrufe)

Hallo OT

Insofern, kann aber das Resultat der Weltenwende nur Hoffnung schenken auf eine neue Art Mensch, die außer dem "ich" auch ein "wir" kennt und weiß, "wo" sie zu Hause ist.

Das ist sehr schön gesagt! Ich möchte noch ergänzen, dass diese um eine große Erfahrung bereicherte Menschheit, es in Zukunft hoffentlich besser versteht, die möglichen Folgen des Tuns in ihre Handlungen mit einzubeziehen und das Wissen um bewusstes Tun über viele Generationen weiter trägt. Die Verbindung zum "woher" darf nicht wieder abreißen, wie das derzeit der Fall ist. Das ist die Ursache für besinnungsloses, unverantwortliches Handeln ohne Folgen für sich und andere erkennen zu können. Kann es sein, dass unter anderem zu jenem Zwecke das materielle Dasein geschaffen wurde, eingebunden in die Schöpfung "Zeit" um besinnungsvolles Handeln erlernen zu können?

Beste Grüße
WG

--
Das was nicht fliegt, kann auch gewaltig abstürzen!

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