Corona-Crash (Schauungen & Prophezeiungen)

dziamdzia, Samstag, 21.03.2020, 11:26 (vor 1494 Tagen) @ Taurec (2192 Aufrufe)

Hallo Taurec,

Wir erleben wohl die Iden des März in Form eines KO-Niederschlags der Wirtschaft:

-die Führhand aufs Kinn war der Corona-Ausbruch
-der rechte Haken an die Schläfe kam in Form der gescheiterten OPEC-Verhandlungen (Öl-Preiskrieg der Russen gegen Saudi-Arabien und das amerikanische Fracking-Öl). Einbrechende Ölpreise haben bislang jedesmal tiefe Spuren in der US-Wirtschaft hinterlassen

der Boxer stand aber schon vorher auf wackeligen Beinen:

-ein extrem überkaufter Aktienmarkt
-weltweit Zinsen nahe der Nullgrenze, wodurch die institutionellen Investoren extrem "risk-on" orientiert waren d.h. stark in Aktien investiert
-eine rekordverdächtig niedrige Volatilität (CBOE VIX Index) die es den Versicherungen und Pensionsfunds erlaubt, sehr stark in Aktien investiert zu sein
-durch Aktienrückkäufe ausgehöhlte Unternehmensbilanzen (vor allem US-Unternehmen die ihren gesammten Cashflow in den Rückkauf der Aktien = Auszahlung der Aktionäre investiert haben statt für Krisenzeiten vorzusorgen)
-die US Unternehmensverschuldung auf Rekordhöhe
-eine sehr schlechte Markttechnik: der Greed & Fear Index, ein Gradmesser für die Stimmung an den Märkten, Anfang Feb. fast auf 100 (extreme Gier) und selbst als die ersten Meldungen aus China kamen dachte man noch "ach das betrifft uns ja nicht,da sterben ja nur Chinesen"

Letzte Woche haben institutionelle Anleger (Banken, Versicherungen und Pensionsfonds) alles abverkauft: auch vermeintlich krisensichere Anlagen wie Gold oder Aktien von Versorgern und Lebensmittelherstellern wurden auf den Markt geworfen. Alles flüchtete in die ausfallsicheren Staatsanleihen von Staaten mit AAA Rating.

Der US-Finanzminister Mnuchin hat diese Woche gewarnt dass 20% Arbeitslosigkeit bevorstehen wenn die Politik die Krise nicht in den Griff kriegt. 20% gab es zuletzt in der großen Depression 1929. Es hängt jetzt primär an den Politikern und Zentralbanken, eine Reflation der Märkte hinzubekommen. Die Notenbanken können durch Zinssenkungen nichts mehr erreichen und müssen primär über Krediterleichterungen und Anleihe-Käufe (sowohl Staats- wie Unternehmensanleihen) die Märkte stabilisieren. Vermutlich wird das nicht reichen. Derzeit darf die FED keine Aktien aufkaufen so dass hier Gesetzesänderungen her müssten. Umso schlimmer dass die USA sich im Wahljahr befinden und die Demokraten nicht daran interessiert sind, den Republikanern ein erfolgreiches Krisenmanagement zu erlauben.

Die Frage ist ob die die Reflation nochmal so wie 2008 hinbekommen oder ob es in einer deflationären Spirale endet so wie 1929.
Wenn die Reflation gelingen sollte dann nur mit Helikoptergeld und Notenbanken die in gemeinsamer Abstimmung neben Staatsanleihen auch sämtliche Unternehmens-Anleihen und -Aktien aufkaufen.
Falls die Reflation nicht gelingen sollte, dann frisst sich die Deflation exponentiell durch das System. Heute ist jeder Vermögenswert mehrfach beliehen und verbrieft. Die Produktionsmittel eines Unternehmens stehen in den Büchern des Unternehmens, die Aktien des Unternehmens wiederum in den Büchern des Mutterkonzerns, dessen Aktien stehen wieder in der Bilanz von Private Equity-Firmen und deren Aktien befinden sich in den Büchern von bösengehandelten Fonds, Pensionsfonds und Versicherungen und deren Aktien und Anleihen wiederum...

Taurec, die alles entscheidende Frage ist ob die den Zusammenbruch dieses Kartenhauses rechtzeitig gestoppt kriegen indem jede umfallende Karte vom Staat oder der Notenbank abgesichert wird.
Wenn ja gibt es vermutlich eine Phase hoher Inflation sobald die akute Krise überwunden ist (das könnte schon nächstes Jahr sein). Wenn nein kriegen wir Massenarbeitslosigkeit und in der Folge Bürgerkrieg und Aufstände.

Ich hab die Woche viele Experten gehört und gelesen und die Meinungen gehen weit auseinander.
Ich tendiere eher zu der Reflation-These. Es gibt erste Anzeichen dafür: Die USA überweisen jedem Amerikaner 1.000 USD pro Monat direkt aufs Konto. Anscheinend plant Polen eine ähnliche Maßnahme in Höhe von 40% des Nettogehalts. Vermutlich werden die unfähigen EU-Politiker, und allen voran die deutschen, die Letzten sein die kapieren dass sich ohne solche unkonventionellen Maßnahmen die Deflation rasend schnell durch das System frisst. Eine der größten Restaurant-Ketten in Deutschland, Vapiano, hat gestern Insolvenz angemeldet. Wenn bei laufenden Kosten von heute auf morgen kein Umsatz mehr rein kommt ist jedes Unternehmen sehr schnell pleite und die Angestellten werden jetzt ihre Miete nicht zahlen können und die Vermieter bald ihre Kreditraten. Anders als 2008 haben wir es nicht mit einer Finanzkrise zu tun die mittlere real-wirtschaftliche Verwerfungen verursacht hat (Banken vergaben keine Kredite mehr, Konsum brach ein) sondern mit einem real-wirtschaftlichen Total-Zusammenbruch, weltweit synchronisiert.

Es würde mich sehr interessieren was Du auf Basis der Schauungen hier für eine Meinung hast. Ein ungebremster deflationärer Crash wie 1929, zudem noch weltweit synchronisiert, müsste sich als persönliche Jahrhundert-Katastrophe eigentlich im kollektiven Unterbewusstsein niederschlagen (mal angenommen sowas gibt es überhaupt). Ein eher mildes Szenario wo die Leute mit Job und Mietwohnung aber vielleicht sehr hoher Inflation, hoher Unzufriedenheit und politischen Unruhen doch relativ uneingeschränkt ihr bisheriges Leben weiterleben können spräche eher für das Reflation-Szenario.

Beste Grüße,

dziamdzia


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