Späte Folgen (Schauungen & Prophezeiungen)

Frank Zintl @, Dienstag, 20.08.2019, 09:49 (vor 1704 Tagen) @ Explorer (2541 Aufrufe)

Hallo

Ich habe es andernorts schon wiederholt geschrieben,
und ich schreibe es auch hier gern noch einmal:

Egal ob grosse Plastikteile im Meer oder in der Natur
oder Mikropartikel, die sich wegen ihrer Leichtigkeit
überall verbreiten - wir ernten alle die Früchte einer
katastrophalen strategischen Felhentscheidung der
70-er Jahre.

Damals - unter dem Eindruck der ersten Ölkrise - entschied
man, dass der Plastikmüll nicht mehr verbrannt, sondern
rückgewonnen und wiederverwertet werden soll. Man war
der Ansicht, die Plastikstoffe (Polymere aus Erdöl) seien
zu wertvoll zum Verbrennen.

Was man nicht bedacht oder vielmehr unterschätzt hatte,
das sind die immensen technischen Probleme einer Wieder-
verwertung:

Eine Wiederverwertung setzt nämllich voraus, dass man die
Kunststoffe nach "Sorten" auftrennen kann, also nach den
molekularen Bestandteilen, die die einzelnen Kunststoffarten
(Polymeren) ausmachen.

Das ist NICHT möglich.

Kunststoffe bestehen aus etwa zwei Dutzend verschiedenen
Grundpolymerarten. Ihre Namen fangen fast imemr mit "Poly"
an. Das bedeutet, dass sie sich aus Makromolekülen zusammen-
setzen die lange kettenartige Anordnungen der immer gleichen
Grundmoleküle (Monmere) sind. Aber nur im einfachsten Fall:

Beispiele (unvollständige Liste):

Polyacrylate
Polyester
Polyethylen/Polypropylen (PE/PP)
Polyvinylchlorid (PVC)
Polyurethane
Polyamide
Polycarbonate

Diese verschiedenen Kunststoffarten müssten voneinander getrennt
und dann jeder für sich aufgearbeitet werden. Schon das geht
nicht. Physikalische Methoden sind unzureichend. Ein Sortiersystem
würde die SCHNELLE Wiedererkennung der einzelnen Sorten erfordern,
im Millisekundenbereich, damit ein Verfahren funktionieren kann.

Damit aber noch lang nicht fertig:

Es gibt massenweise Plastiksorten, in denen mehrere dieser
Sorten auf molekularem Niveau untrennbar miteinander (Copolymere)
oder mit anderen Werkstoffen (Verbundwerkstoffe) verquickt sind.

Da ist Schluss für jede halbwegs verfahrenstaugliche Aufarbeitung.

Zum Vergleich:

Die Verbrenungsanlage nimmt einfach alles und gewinnt dabei die in
den Kunststoffen reichlich gelagerte chemische Energie in Form von
wertvoller Prozesswärme, die sich zu Strom machen oder für Fernwärme
nutzen lässt.

Heutige modern ausgestattete MVAs (Müllverbrennungsanlagen) schaffen
das mühelos. Allenfalls PVC müsste aussortiert werden, wegen des
hohen Chloranteils und des Risikos für Dioxinbildung. Aber auch das
lässt sich mittlerweile beherrschen.

Der Chemiker hat gesprochen.

Wenn wir heute Plastik fressen und einschnaufen und die gesamte
Biosphäre zwingen das Gleiche zu tun, dann haben wir das nicht nur der
völlig ausgeuferten Plastiknutzung zu verdanken, sondern vor allem der
strategischen Fehlentscheidung vor knapp 50 Jahren.

Frank


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