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Von Steinwüsten zu Steinkreisen - Ein Reisebericht durch Raum, Zeit und Irland (Übersinnliches & Paranormales allgemein)

Fenrizwolf, Sonntag, 11.08.2019, 05:52 (vor 1692 Tagen) @ Leonessa (961 Aufrufe)
bearbeitet von Fenrizwolf, Sonntag, 11.08.2019, 06:03

Liebe Leonessa,

es freut mich, Dich mal wieder zu lesen. Es war mich gar nicht klar, daß derweil so viel Zeit vergangen ist. In Bezug auf Deine Gesundheit wünsche ich Dir nur das Allerbeste!

Mein Empfinden der Außenwelt ist in stärkstem Maße von inneren Grundakkorden abhängig, und darüber hinaus von meiner unbewußten und bewußten Bewertung.

Abseits rationeller Betrachtung oder politischer Ansichten habe ich schon erlebt, daß mir bekannte Orte keine Rückkopplung des Vertrautseins mehr gaben, und nach einem traumatischen Erlebnis, unweit der eigenen Haustür, war die reelle Bedrohung quasi mein Nachbar.

Mittlerweile sind Immobilien, innerhalb der Ortschaft, in denen ich mich täglich aufhielt, und noch täglich passiere, nicht mehr in Familienbesitz.
Einst tägliche Anlaufstellen sind nicht mehr, oder haben ein anderes Gesicht. Zudem hat sich mein räumlicher Aktionsradius aufgespalten.

Einkäufe erledigen wir vornehmlich nun etwas außerhalb, um in der noch recht empfindlichen Lage nicht auf Personen oder deren schwüle Verbündete zu treffen, die dringend einer moralischen Lektion bedürfen, die ich momentan nur ungenügend zu leisten imstande wäre.

Während mein Familienname vor noch rund einer Dekade teils unerwartet bekannt war, und vertrauensvollen Ruf genoß, mißt sich Respekt nunmehr allein in rein pekuniärem Erfolg und physischem Bedrohungsvermögen.

Hier ist fast niemand mehr, deren Gegenwart für mich von Bedeutung wäre, stattdessen kreuzen austauschbare Fremde meinen Weg.

Örtliches Urgestein in Menschengestalt ist der biologischen Erosion anheimgefallen und das Rad der Zeit dreht wie Panzerketten auf der Stelle.
Gleichaltrige Bekannte und ehemalige vermeintliche Freunde sind vom Winde verweht, oder so emotional bedeutsam wie 500 g gemischtes Hackfleisch.
Dennoch mag ich manche Gesichter, erfreue mich am Brabbeln von Kleinkindern bei gutem Wetter, und ärgere mich nicht über den Grillgeruch in der Nachbarschaft.

Während die wirtschaftlich Emp(er)orgekommenen jenseits der Straßenseite in imperialistischer Manier mittlerweile zu offenem Unterdrückungsgehabe übergehen, freue ich mich über jedes vertraute Inventargesicht, das noch nicht das tote Grinsen innerer Selbstverstümmlung als Fanal vor sich herzieht oder hinterher schiebt.

Meine Burg steht nicht nur an einem Ort. Ich bin der Ort selbst, viele andere nur Passanten.
Ob es Zufall war, daß vor knapp zwei Jahren ein ganzes Bienenvolk hier stundenweise gerastet hat?

Irland

1994 habe ich mit meinen Eltern Urlaub in Irland gemacht – in Kenmare (Kerry).
Dort haben wir einen Landschaftsmaler mit ungarischen Wurzeln kennengelernt, der sicherlich auch den Kontakt zu Touristen suchte, um seine Bilder zu verkaufen.

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Doch der Umgang war freundschaftlich geprägt und mit ihm hatten wir den denkbar besten Reiseführer.
Er hat uns tagelang mit auf die Reise genommen, um uns die hiesigen Steinkreise besichtigen zu lassen, die er leidenschaftlich malte – es waren einige.

Für seine Bilder hat er sich tage- und nächtelang bei Wind und Wetter vor diesen Monolithanlagen niedergelassen um zu malen.

Katholisch geprägt, hatte er doch, wohl auch bereichert durch Bekanntschaften, einen Sinn für sein Sujet.
So begab es sich an einem regnerischen Tag auf einem grünen unbewaldeten Hügel, daß er uns etwa 40 cm hohe zeitgenössische Steinhaufen zeigte, und einen davon teilweise vorsichtig zurückbaute, um uns deren Inhalt, eine rote Kette, zu zeigen.

Laut seiner Aussage war dies ein absichtsvolles Werk einer Hexe, das wir tunlichst nicht stören sollten, um nicht etwas wie einen Fluch auf uns zu nehmen.
Als sich einer seiner Hunde ungestüm näherte, hat er ihn mit Leibeskräften weggeschleudert, damit dieser nicht die Stätte entweiht, und etwaigen Schaden davonträgt.

Die für mich sinnlichste Erfahrung bei den zahlreichen Besichtigungen war ein ausnehmend kleiner Steinkreis, weit abseits der Zuwegung in einem grasigen fast sumpfartigen Gelände, auf einer kleinen Lichtung, umringt von Laubbäumen.
Nein, ich hatte keine Eingebungen oder Visionen, aber ich habe die weihevolle, „pastorale“ Stimmung in Gegenwart eines völlig verborgenen und unversehrten, viele Jahrhunderte alten Monumentes in stillem Frieden genossen.
Das waren vielleicht 9 oder 10 Steine in den Ausmaßen althergebrachter Grabsteine – von etwa 60 cm Höhe.
In prasselndem Regen, abseits aller Wege und Pflichten, inmitten grasigen Sumpfes allein gelassen, war es für mich ein mystischer Moment naturverbundenen Friedlebens.

Als wir den größten der Steinkreise besuchten, hatten wir noch einen zerbildeten Besserwisser in Form eines Studienrates samt seiner neurotisch überlegenen Sippe im Schlepptau. Physisch, akustisch und charismatisch bot er ein erbärmliches Zeugnis.

Am Fuße der Zuwegung zu den großen Steinen stehend, wurde ich gefragt, ob ich denn eine Ahnung hätte, wo sich das zu besichtigende Monument denn befinden möge – für einige sei die Kraft spürbar, hieß es seitens unseres Reiseführers.
Kurz innehaltend, zeigte ich zielsicher aus meinem Stand nach rechts oben. Schließlich war es genau dort; doch halte ich es für nicht unwahrscheinlich, daß der Verlauf der Fußwege nicht doch etwas von dem Geheimnis preisgab.
Oben auf der Anhöhe in Gegenwart von etwa 4 Meter hohen Megalithen im Kreise hatten wir Überblick über die Landschaft.
Es hieß, daß das Rindvieh die Steine meide, und innerhalb des Kreises kein Gras mehr als etwa knöchelhoch wüchse.
Zudem solle dies eine wesentliche Stelle innerhalb von Geolinien sein, die bestimmte Kraftfelder miteinander verbinden.

Ich danke Herrn Carl Batterney für die wundervollen Touren, die stimmungsvolle Malerei, für die Englischlektionen und für das 750-g-Hacksteak.

All das begab sich zu einer Zeit, als Metzger in Irland ihre Ladenfenster noch mit Schweinsköppen „dekoriert“ hatten.

Mit lieben Grüßen

Fenrizwolf

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