Avatar

"Milchregen" bei Nostradamus (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Dienstag, 25.09.2018, 23:05 (vor 2033 Tagen) @ Sarah (2037 Aufrufe)
bearbeitet von Taurec, Mittwoch, 26.09.2018, 08:01

Hallo!

was kann ich mir denn unter einem "Milchregen" vorstellen?
http://www.nostradamus-prophezeiungen.de/centurien/3d.html (18.+19.) Falls diese Übersetzungs-Seite schlecht ist, welche nehme ich besser?

Der Milchregen hat wohl mit meiner Erklärung des Symbols der Milch nichts zu tun.

Der Zusammenhang ist bei III/18 und III/19 durchaus negativ.

III/18
Apres la pluye laict aſſés longuette,
En pluſieurs lieux de Reims le ciel touché:
O quel conflict de ſang pres d’eux s’appreſte,
Peres & fils Roys n’oſeront approcher.

Nach dem ziemlich langen Milchregen,
An mehreren Orten von Reims der Himmel berührt.
Oh welch Kampf des Blutes bereitet sich nahe ihnen vor,1
Väter- und Söhne-Könige wagen es nicht näherzukommen.

1 In den beiden Ausgaben Albi und Wien 1555 lautet die Zeile: „Helasquel meurtre de ſang pres d’eux s’appreſte,“ („Ach welch Mord des Blutes bereitet sich bei ihnen vor“).

Bezieht sich mutmaßlich auf das Ende der europäischen Monarchien. "Orte von Reims" ("lieux de Reims") ist zu verstehen als "Orte von der Art Reims'". Die Kathedrale von Reims ist der traditionelle Krönungsort der französischen Könige. Durch die Krönung zum König von Gottes Gnaden berührten die Monarchen den Himmel, wurden durch den Ritus eingeweiht und zu etwas transformiert, das mehr ist als der einfache Mensch, der sie zuvor waren. Gleichartige Orte deuten auf andere europäische Krönungsorte bzw. andere Monarchien hin. Sie werden blutig gestürzt. Die künftigen Sprosse königlicher Geschlechter, dargestellt durch die Vererbungslinie von den Vätern auf die Söhne, stehen den Krönungorten seitdem fern, "wagen es nicht näherzukommen", werden nicht mehr gekrönt.

III/19
En Luques ſang & laict viendra plouuoir,
Vn peu deuant changement de preteur:
Grand peſte & guerre, faim & ſoif fera voir
Loing ou mourra leur Prince recteur.

In Lucca regnet es Blut und Milch,
Ein wenig davor Wechsel des Vorgesetzten1.
Große Seuche und Krieg, Hunger und Durst sieht man
Fern wo stirbt ihr Fürst-Leiter2.

1 Mfrz. „préteur“ = „Verwalter“, „Vorsteher“, „Bürgermeister“, „Justizbeamter“, „Militärverwalter“ von lat. „praetor“ („Vorgesetzter“, „Anführer“, „Heerführer“, „oberster Richter“, „Statthalter“). Es könnte aber auch „prêteur“ („Verleiher“) von lat. „praestare“ („zur Verfügung stellen“) gemeint sein.
2 Frz. „recteur“ = „Leiter“ von lat. „rector“ („Lenker“, „Leiter“, „Beherrscher“).

Der Vers ist nicht zuzuordnen. Lucca liegt in der Toskana. Dort scheint es einen Herrschaftswechsel zu geben. Der "Vorgesetzte" (frz. "préteur") tritt ab. Möglicherweise ist hier aber "prêteur" gemeint, was "Verleiher" bedeutet. Dann wäre die toskanische Familie der Medici gemeint, die ihre Macht als Kaufleute und Bankiers begründeten. In diesem Vers könnte somit eine historische Querele in der Toskana gemeint sein, die noch nicht sauber zugeordnet wurde. Irgendwelche Ideen? :schüchtern:
Der "Prince recteur" ("Fürst-Leiter") scheint kein Fürst an sich zu sein, sondern jemand, der einen Fürsten führt oder vertritt, z. B. ein "Prinzregent" oder ein Doge, der einem Fürsten nur ähnelt.

Milchregen, bisweilen in Verbindung mit Blut, kommt in Iulius Obsequens' Sammlung von Vorzeichen des antiken Aberglaubens "Liber Prodigiorum" vor, die Nostradamus als Vorlage diente. Milchregen wird dort an einigen Stellen berichtet, z. B. für 104 v. Chr.:

"Bei den Lukanern regnete es Milch, in Luna Blut."

Die "Lukaner" stehen allerdings nicht mit Lucca in Verbindung. Sie lebten in Süditalien. Luna hingegen liegt unweit Luccas. Möglicherweis wußte Nostradamus nicht, wo die antiken Lukaner lebten, oder er machte aufgrund der Wortähnlichkeit Lucca daraus.

Gleichzeitige Ereignisse des Weltgeschehens (laut Obsequens):

"Von Entlaufenen [Sklaven] und Deserteuren wurden die Gegenden im Gebiet von Thurii verwüstet. Die Cimbern, die die Alpen überschritten hatten, verbanden sich nach der Verwüstung Spaniens mit den Teutonen."

Und 92 v. Chr.:
"In Volterra zeigte sich ein Strom von Blut. In Rom regnete es Milch."

Politisches Ereignis (laut Obsequens):

"Der Stamm der Maeder verwüstete blutrünstig die Provinz Makedonien."

Das Symbol des Milchregens (im Gegensatz zur Milch in anderen Zusammenhängen als mit Regen und Blut) steht pauschal für kurz darauf stattfindendes Unheil.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


Gesamter Strang: