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Die Frage geht am Kern des Problems vorbei (Schauungen & Prophezeiungen)

Taurec ⌂, München, Mittwoch, 28.02.2018, 10:03 (vor 2221 Tagen) @ Siolarei (8216 Aufrufe)

Hallo!

und was ist, wenn wir genau das, was Du geschildert hast, denken sollen?

Was ist, wenn wir Nibiru nur als Märchen, nicht aber als Realität sehen sollen?

Wem dient dann genau diese Geisteshaltung?

Wer profitiert dann von der Haltung: "Bitte weitergehen, hier gibt es nichts zu sehen!"?

Das entspricht eigentlich dem, was ich gerne den naiv-gläubigen Zirkelschluß nenne:

Ich bilde mir etwas ein. Dann werte ich ausgerechnet hilfreiche Gegenindikatoren, die eine solche Theorie eigentlich widerlegen und ausschließen sollten, als Bestätigung.

Grundlage solchen Denkens ist nicht kritisches Abklopfen der Theorien auf Plausibilität bzw. das Bestreben sie zu Falsifizieren, sondern ein an's Dümmliche grenzendes, unbeirrbares und unbelehrbares Glaubenwollen an einmal auserkorene fixe Ideen.

Ganz gleich, welchen Inhalts solche Theorien sind, ist mit so jemandem eine Diskussion grundsätzlich nicht möglich (oder nicht sinnvoll), da ihm die mentalen Voraussetzungen dazu fehlen. Das äußert sich in mangelnder Distanzierungsfähigkeit von den Ideen, die man sein eigen nennt.
Keine Zusatzannahme ist zu abstrus, um sie nicht in das sich wahnhaft entwickelnde Gebilde einzubauen.

Der Verstand ist auf Trennen und Sortieren zur Mustererkennung ausgerichtet. Das ist seine Vorgehensweise im Range eines schlichten, sekundären Werkzeuges. Als Grundregel der Benutzung dieses Werkzeuges gilt, seinen Hervorbringungen skeptisch und intuitiv ein Gegengewicht entgegenzusetzen. Andernfalls sieht man lauter Bäume, die eigentlich keine sind, aber keinen Wald mehr, weil man interpretativ alles auf das gewünschte Ergebnis hin systematisch falsch versteht.

So jemand hat entweder nie richtig zu denken gelernt oder er hat es an irgendeinem Punkte (vielleicht, um einem unerträglichen Lebensereignis oder Erkenntnis aus dem Wege zu gehen) verlernt.

Der Nibiruschwachsinn hat alle Kennzeichen einer von (vielleicht genialisch-kreativen) Laien einmal ersonnenen, aber falschen Idee, die von der epigonalen Internetgemeinschaft zu einem fixen Wahngebilde aufgebläht wurde, das sich mit Lug, Betrug, gefälschten Beweisen und Einbildung selbst am Leben erhält. Wenn man nur noch diese aus einem in sich geschlossenen Weltbild stammenden Pseudobeweise und Scheinargumente erkennt, aber nicht mehr den Fehler im Ursprung, tappt man in völliger Finsternis.

Die Frage "cui bono" ("wer profitiert") ist im Sinne des sachlich-inhaltlichen Prüfens eigentlich nicht zielführend, weil damit unzulässigerweise die Ebene der wissenschaftlichen Wahrheitsfindung mit der politischen Tatsachenwelt vermischt wird. Sobald Wahrheiten zum Politikum gemacht werden, ist praktisch gleichgültig, ob sie wahr oder falsch sind. Dieser Frage wird dann zugunsten dessen, was man sich vorstellt, aus dem Wege gegangen. Sie läßt sich anhand der Wahr-Falsch-Distinktion in zwei Richtungen formulieren.
Du fragst von der Wahrheit ausgehend: "Wer profitiert davon, wenn wir glauben, daß es Nibiru nicht gibt?" ⇒ Hypothetische Antwort: die Hintergrundpolitik der Verschwörer, die uns zur Schlachtbank führen wollen.
Die Frage kann aber auch von der Falschheit her formuliert werden: "Wer profitiert davon, wenn wir glauben, daß es Nibiru gibt?" ⇒ Hypothetische Antwort: die Fabrikateure und Kolporteure der Nibirutheorie, die sich geldwerte oder psychologische Vorteile erhoffen, indem sie unser materielles und geistiges Vermögen binden.
Wesentlich ist aber die Frage, ob die Theorie an sich wahr oder falsch ist, um zu bestimmen, welche der beiden formulierten Fragerichtungen die zutreffende sei. Das Problem läßt sich also nicht über die im politischen Bereich sinnvolle, aber im religiösen und wissenschaftlichen Bereich unnsinnige Frage "cui bono" lösen, sondern ausschließlich über die Bestimmung, ob die Nibirutheorie inhaltlich im Sinne wissenschaftlichen Vorgehens sachlich fundiert und plausibel ist oder nicht.

Die Feststellung, daß Sitchin, der Urheber der Theorie, die für ihre Formulierung nötigen Fachkenntnisse überhaupt nicht hatte, sollte eigentlich reichen, um den Namen Nibiru nie wieder in den Mund zu nehmen. Alles weitere, um Nibiru zu untermauern und zu bestätigen, ist nur Erfindung auf ein gewünschtes Endergebnis hin.
Solche Leute sprechen von Wissenschaftlichkeit, während sie tatsächlich wissenschaftsfern sind, indem sie physikalische Befunde und Konzepte verwenden, um den faulen pseudoreligiösen Kern ihrer Weltanschauung mit Rationalität zu verkleiden. Die Frage ist, was solche Leute, sofern sie tatsächlich eine wissenschaftliche Ausbildung bekommen haben, überhaupt daraus gelernt haben. Offenbar fehlt es da an grundsätzlicher Bildung, was Wissenschaft überhaupt ist und kann, an der grundlegenden Denkweise und Methodik, die es erlaubt, aus den Schranken des eigenen Fachbereichs heraustretend auch andere Bereiche zu konsultieren und sich einzuarbeiten, ohne gleich alles glauben zu müssen. Umgekehrt sind sie wohl auch auf ihrem eigenen Felde eigentlich gar nicht kompetent und glauben, was ex cathedra von den Säulen der Wissenschaft verkündet wird, ohne es kritisch hinterfragen zu können. Gleich dem gemeinen Gläubigen, der die Verkündigungen von der Kanzel aufnimmt, ohne die theologische Entstehung der Lehre zu durchblicken, frömmeln sie dann eben wissenschaftlich vor sich hin.

Man kann und sollte durchaus über einen potentiellen unbekannten Himmelskörper diskutieren, aber bitte ohne Nibiru. So viel geistige Distinktionskraft sollte man vorweisen können. Tut man dies nicht, führt man in eine möglicherweise zielführende Forschung scheinbar und oberflächlich dazu passenden Unsinn ein, womit man die ganze Angelegenheit in den Misthaufen lenkt.

Das Prophezeiungsthema ist voll solcher Abirrungen von A wie Antichrist über L wie Langzeitstrategie bis Z wie Zecharia Sitchin. Dieses Forum sollte eigentlich dazu da sein, diese Dinge als das zu erkennen, was sie sind. BBouvier hat vermutlich recht, wenn er sagt, daß es damit in Deutschland und weltweit einzigartig ist. Jedenfalls könnte es das sein, wenn seine Mitglieder nicht versuchen, unglückselige Theorien mit hanebüchenen Zusatzannahmen zu retten.

Gruß
Taurec


„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


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